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# taz.de -- EU-Klimapolitik nach der Europawahl: Green Deal in Gefahr
> Nach den Wahlen wird es schwer, den Klimaschutz in der EU voranzubringen.
> Das liegt auch an Versäumnissen der bisherigen Klimapolitik.
Bild: März 2019, Klimastreik in Brüssel: Vor fünf Jahren, bei den vorherigen…
Klimapolitisch ist der Ausgang der Europawahl ein Desaster. Rechte
Parteien, die sich traditionell vehement gegen den Klimaschutz stellen,
haben enorme Zugewinne. Und auch diejenigen, die wie die Konservativen eine
opportunistische Klimapolitik betreiben, sind in der Offensive. In den
kommenden Jahren wird es daher nicht nur schwer, neue Meilensteine auf dem
Weg zur Klimaneutralität zu setzen. Auch das bisher Geschaffte zu
verteidigen, wird schwieriger.
Die von Liberalen und Konservativen [1][erneut angezettelte Diskussion]
über den Ausstieg aus dem Aus für den Verbrennungsmotor ist erst der Anfang
– es wird weitere Versuche geben, Fortschritte rückgängig zu machen. Der
Ruf nach mehr Technologieoffenheit ist nichts anderes als das Begehren,
fossil genauso weiterzumachen wie bisher. Stimmen werden lauter, den Green
Deal zu beenden – das Programm, mit dem Kommissionspräsidentin Ursula von
der Leyen in großem Maßstab den klimagerechten Umbau der europäischen
Wirtschaft voranbringen will.
Vor fünf Jahren, bei den vorherigen Wahlen zum EU-Parlament, stand
Klimapolitik hoch im Kurs. Die Klimabewegung Fridays for Future brachte
weltweit Millionen von jungen und auch älteren Menschen auf die Straßen.
Das hatte einen messbaren Effekt auf die Europawahl 2019. Eine Studie des
Ifo-Instituts hat gezeigt: Wo die Schulstreik-Bewegung besonders stark war,
haben die Grünen besonders viele Stimmen gewonnen, während die Zustimmung
für die AfD abnahm.
Das frisch gewählte EU-Parlament machte Ursula von der Leyen zur
Präsidentin der EU-Kommission. Dass die ökologisch lange wenig motivierte
CDU-Politikerin ihre Amtszeit mit einem großen Klimapaket, dem Green Deal,
begann, war wohl dem Klima-Zeitgeist geschuldet. Europa soll damit zum
ersten klimaneutralen Kontinent werden, und zwar im Jahr 2050. Bis 2030
sollen die Emissionen im Vergleich zu 1990 um 55 Prozent sinken. Das
Klimapaket besteht aus zahlreichen Gesetzen und Initiativen, von der Reform
des Europäischen Emissionshandels bis zum – gerade vor ein paar Tagen
beschlossenen – Recht auf Reparatur für Elektrogeräte.
Die Wissenschaftler:innen des Projekts Climate Action Tracker haben
den Fortschritt durch den Green Deal quantifiziert. Seit den Wahlen von
2019 hat sich die Klimapolitik der EU demnach deutlich verbessert. Wenn
alle Länder auf der Welt ein ähnliches Ambitionslevel hätten, liefe das auf
2 Grad Erderhitzung hinaus. Damit leistet die EU zwar immer noch nicht
ihren fairen Beitrag zum Pariser Klimaabkommen, das die Fieberkurve bei
„deutlich unter 2 Grad“, möglichst sogar bei 1,5 Grad halten soll. Aber:
Die europäische Klimapolitik vor 2019 wäre der Analyse nach auf ein Grad
mehr hinausgelaufen. Was klimabedingte Todesfälle und Zerstörung anbelangt,
ist das ein gigantischer Unterschied.
## Von der Leyen muss sich von ihrem Klimakurs verabschieden
Aber: Das Projekt ist [2][durch den Rechtsruck in Gefahr]. Schon im
Wahlkampf hat Ursula von der Leyen kaum über ihren Green Deal gesprochen
und wurde von den Wähler:innen des konservativen Lagers belohnt. Ob sie
Kommissionspräsidentin bleibt, [3][hängt auch von den Rechts-außen-Parteien
ab].
Für die Zusammenarbeit etwa mit den postfaschistischen Fratelli d’Italia
der italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni hat sie sich längst offen
gezeigt. Untypisch für das rechte Spektrum hat sich Meloni zwar bereits für
Klimaschutz ausgesprochen. Generell wird sich von der Leyen aber von
ökologischen Ambitionen weitgehend verabschieden müssen, wenn sie sich von
den Abgeordneten wählen lassen will, die sich in den rechten bis
rechtsextremen Fraktionen Europäische Konservative und Reformer und
Identität und Demokratie sammeln. Viele von ihnen leugnen die Existenz des
menschengemachten Klimawandels.
Es erscheint irrational, dass die Wähler:innen [4][nicht für Klimaschutz
stimmen], obwohl die Erderhitzung auch in Europa immer dramatischere Spuren
hinterlässt. In Süddeutschland haben die Hochwasser in mehreren Gemeinden
gerade erst Leben gekostet und das Hab und Gut vieler Menschen vernichtet.
Die Erderhitzung hat die Katastrophe um bis zu 10 Prozent heftiger gemacht,
wie eine Schnellstudie von Wissenschaftler:innen gerade zeigen konnte.
Doch statt des Klimawandels nehmen offenbar viele Menschen die Klimapolitik
der Ampelregierung oder der EU als Bedrohung wahr.
## Soziale Ignoranz der Klimapolitik
Wer diese Empfindung jedoch als komplett irrational abtut, übersieht, dass
es dafür durchaus Gründe gibt. Das zentrale Instrument der Bundesregierung
und der EU in der Klimapolitik ist die Preispolitik: Wer den Ausstoß von
CO2 verursacht, soll zahlen. Den versprochenen Ausgleich dafür, das
Klimageld, bleibt die Ampel den Bürger:innen aber schuldig.
Vertreter:innen der Klimabewegung und Wissenschaftler*innen lassen
kaum eine Gelegenheit aus, darauf hinzuweisen, [5][dass Klimapolitik sozial
abgefedert werden muss]. Doch das passiert nicht. Kontern Grüne oder
Sozialdemokrat:innen Unmut über die Kosten für neue Wärmepumpen etwa
damit, dass das Festhalten an einer Gasheizung durch den CO2-Preis noch
viel teurer wird, senden sie das Signal aus: Richtig teuer wird es so oder
so – weil wir es so wollen.
Dass Bürger:innen sich davon abwenden, ist nachvollziehbar. Viele sehen
nicht ein, dass sie zahlen sollen, aber politische Stellschrauben nicht
gedreht werden. Dass die Bundesregierung etwa kein Tempolimit einführt oder
den schnelleren Ausstieg aus fossilen Energien vernachlässigt.
Die [6][soziale Ignoranz] der bisherigen Klimapolitik der Ampel und der EU
unterspült deren Akzeptanz. Auf das Bedürfnis von Bürger:innen nach
Sicherheit mit dem Aufweichen der eigenen Klima-Programme zu reagieren,
wäre falsch. Die Klimakrise stellt schließlich sowohl die physische als
auch die finanzielle Sicherheit in Frage. Stattdessen müssen Parteien mit
ökologischem Anspruch beides vereinbaren.
11 Jun 2024
## LINKS
[1] /CDU/CSU-Kampagne-gegen-Verbrenner-Aus/!6012634
[2] /Europawahl-Klimaschutz-und-Green-Deal/!6011585
[3] /Die-EU-rueckt-nach-rechts/!6016548
[4] /Wahlniederlage-der-Gruenen/!6016577
[5] /Kampf-gegen-Klimakrise/!5994949
[6] /Milliardaere-zahlen-in-der-Schweiz-mehr/!6002066
## AUTOREN
Anja Krüger
Susanne Schwarz
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