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# taz.de -- Europawahl, Klimaschutz und Green Deal: Klima mobilisiert die Falsc…
> Vor fünf Jahren zogen die Fridays for Future durch die Straßen. Wer wehrt
> sich jetzt vor der EU-Wahl gegen die Anti-Klimaschutz-Bewegung?
Bild: Green Deal = Tod: Etwas überdramatisiert beklagt hier ein polnischer Lan…
An deutschen Feld- und Straßenrändern finden sich hier und da noch immer
selbst gebastelte Galgen. Es sind Artefakte vom Winter, als Bäuerinnen und
Bauern aus Protest gegen die Klimapolitik der Ampel auf Berlin
marschierten. Einige hatten ihre Trecker mit an Galgen baumelnden
Politikerpuppen geschmückt, bevorzugt solchen von SPD und Grünen. „Wir
können wiederkommen“, scheinen sie heute stellvertretend zu drohen.
Doch vielleicht erledigt sich das auch ganz von selbst. Denn derzeit ziehen
Klimapolitikgegner aus allen Teilen der Europäischen Union auf Straßburg.
Dieses Mal allerdings nicht zum, sondern ins EU-Parlament – als
Rechtsaußen-Kandidaten und -Kandidatinnen. Das Pendel ist zurückgeschlagen.
Die Anti-Klimaschutz-Bewegung ist groß, sie ist grenzüberschreitend und sie
wird mutmaßlich das neue Europaparlament aggressiv dominieren.
Der [1][Green Deal, der Versuch der EU, sich der Klimakrise umfassend
entgegenzustemmen], ist das Jagdziel dieser Bewegung. Und es fehlt an
Gegenwehr. Während zu Demonstrationen gegen rechts und für die Demokratie
Hunderttausende zu mobilisieren waren, gehen Klimademos im Alltagsrauschen
der Städte unter.
Ohne Greta Thunberg und die Fridays-for-Future-Kids wäre der Green Deal nie
durchsetzbar gewesen. Aber das Momentum, das die Klimabewegung 2019 hatte,
hat nur zu einer kurzfristigen Neuorientierung auch konservativer Politiker
geführt, allen voran Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Obwohl die Klimakrise global eskaliert und sich Europa am stärksten von
allen Kontinenten erhitzt, sind Klimapolitikerinnen 2024 im Modus der
Rückwärtsverteidigung. In Umfragen dazu, welche Themen die Menschen vor der
EU-Wahl am meisten beschäftigen, ist das Klima auf hintere Plätze
gerutscht. Gesamteuropäisch dominieren die Themen Armut, Gesundheit,
Wirtschaftskraft und Verteidigung. In Deutschland sind es Verteidigung,
Rechtsstaatlichkeit und Migration.
Während indes das Klima den Wählerinnen nicht mehr so sehr wie noch 2019
auf der Seele brennt, ist es neben Migration eines der zentralen
Mobilisierungsthemen der extremen Rechten geworden, von den Bauern bis zu
den Postfaschisten. Klima mobilisiert – die Konservativen und
Rechtsextremen.
Wenn in Sylt Aperol-trinkende Jungreiche Hitler simulieren und
AfD-Politiker Massenabschiebungen herbeifantasieren, engagiert sich die
demokratische Mitte dagegen. Antifaschismus ist in Zeiten, in denen der
Faschismus wieder Namen und Gesichter bekommt, kein Schimpfwort mehr. Die
Feiern zu 75 Jahre Grundgesetz sind eine Manifestation gegen die neuen
Rechtsextremisten geworden. Nur Artikel 20a des Grundgesetzes, der Artikel,
auf dessen Basis das Bundesverfassungsgericht zugunsten des Klimas
geurteilt hat, kommt zu kurz. Dabei steht viel mehr auf dem Spiel als nur
die Demokratie. Die Gefahr ist real, dass sich Europa vom Pariser
1,5-Grad-Ziel absetzt.
Zum Start hatte von der Leyen (CDU) den Green Deal als „Europas
Mann-auf-dem-Mond-Moment“ bezeichnet. Zwar mag das ein wenig großspurig
gewesen sein. Auch wurde an dem Deal dann ordentlich herumgeschliffen und
vieles abgeschwächt. Aber die EU hat Wichtiges in Gang gesetzt: Sie hat den
Emissionshandel mit CO2-Zertifikaten als zentrales klimapolitisches
Instrument für Industrie und Kraftwerke etabliert, ab 2027 werden Verkehr
und Wärmeenergie einbezogen, Flug- und Seeverkehr sollen folgen. Damit
Unternehmen nicht abgabenfrei importieren, was jenseits der EU-Grenzen ohne
CO2-Preis produziert wurde, erhebt die EU CO2-Importzölle. Sie hat
Emissionsgrenzen für schwere Nutzfahrzeuge beschlossen, das Aus für
Verbrenner ab 2035, die erneuerbaren Energien massiv gefördert, die
Energieeffizienzvorschriften für Gebäude beschlossen und den
Klimasozialfonds eingerichtet.
## Spätestens hier jedoch beginnt das Dilemma
Die rechtsextreme Erzählung von der „Großen Transformation“, einem
kosmopolitischen Elitenprojekt, das dem Volk fossilen Wohlstand und
kulturelle Identität stehlen will, ist ein Angebot an echte oder
vermeintliche Transformationsverliererinnen und an jene, die dem „grünen“
Projekt nicht trauen. Und das Narrativ greift umso besser, je konsequenter
der Klimaschutz umgesetzt wird.
Das haben auch die Parteien von konservativ bis, ja, grün längst begriffen.
Aus Angst vor der Mobilisierungsmacht der Bauern wurden klimapolitische
EU-Gesetze wie das zur Renaturierung gestutzt. Die europäischen
Konservativen versprechen, Klimaschutz nach den EU-Wahlen zurückzufahren.
Bei den Grundgesetzfeierlichkeiten nannte Robert Habeck das
Gebäudeenergiegesetz einen Test dafür, „wie weit die Gesellschaft bereit
ist, Klimaschutz – wenn er konkret wird – zu tragen“. Den Test hat die
Gesellschaft, hat auch Habeck selbst nicht bestanden. So viel zu Ambitionen
und Limitationen der deutschen Grünen. Und Ursula von der Leyen würde
gerade wohl sehr viel darum geben, sie hätte den Green Deal nie mit der
Mondlandung verglichen.
Das Muster ist aus der Migrationspolitik leider nur zu gut bekannt: Um den
Rechtsextremen das Narrativ der überrollenden Flüchtlingswelle zu nehmen,
verschärfen die etablierten Parteien einfach selbst die Abschottung
Europas. Aber hier wie da gilt: Politisch nutzt das in der Regel nur dem
Original. In der Klimapolitik wird es nicht anders kommen. „Eine der
größten Bedrohungen für die Umsetzung des Pariser Abkommens“, schreiben
Stella Schaller und Alexander Carius in ihrer Studie „Convenient Truth“
denn auch zutreffend, „ist die Gefahr, dass die Parteien der Mitte den
Prioritäten der Klimaskeptiker nachgeben werden.“
Noch ist ein wenig Zeit, im öffentlichen Diskurs für Klimapolitik zu
mobilisieren. Denn die nächste Legislaturperiode in Brüssel und Straßburg
dürfte sehr schmerzhaft werden. Der Klimapolitik drohen fünf verlorene
Jahre.
3 Jun 2024
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## AUTOREN
Barbara Junge
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