# taz.de -- Kampf gegen Klimakrise: Erst Staat, dann Bürger*innen | |
> Die Klimakrise ist ein Gerechtigkeitsproblem, diagnostiziert der Deutsche | |
> Ethikrat. Er hat dazu Stellung genommen, wie Klimaschutz fair abläuft. | |
Bild: Kommt hier gleich ein Bond-Bösewicht um die Ecke? Luxuskonsum wie diese … | |
BERLIN taz | Was ist das gute Leben? Ein [1][exotischer Strandurlaub] pro | |
Jahr, jeden Tag gutes und gesundes Essen, endlich mal ein Stündchen | |
ungestörte Muße? | |
Durch die Klimakrise muss das jetzt ausgehandelt werden, meint der Deutsche | |
Ethikrat. Die 26 Sachverständigen, die hälftig von Bundestag und | |
Bundesregierung vorgeschlagen werden und dann gesellschaftliche Probleme | |
ethisch bewerten sollen, haben sich erstmals mit dem Thema | |
Klimagerechtigkeit befasst. Am Mittwoch stellten sie das [2][Ergebnis] in | |
Berlin vor. | |
Es gelte, „sich an Schwellenwerten für wichtige Grundgüter und Befähigungen | |
als Mindestvoraussetzungen für ein gutes, gelingendes Leben zu | |
orientieren“, heißt es in der Stellungnahme. Und: Die Bedürfnisse von | |
Menschen, deren Versorgung diese Schwellenwerte dann nicht erreicht, seien | |
vorrangig zu berücksichtigen. Sicherheit auf niedrigem statt Jammern auf | |
hohem Niveau also. | |
„Die Bewältigung des Klimawandels und seiner Folgen ist eine | |
gesellschaftliche Mammutaufgabe: Wie können wir dabei die Lasten gerecht | |
verteilen? Wer trägt die Verantwortung? Und was können wir tun, damit uns | |
allen dabei nicht die Puste ausgeht?“, fragte Alena Buyx, die Vorsitzende | |
des Deutschen Ethikrates. | |
## „Menschen tragen unterschiedlich zum Klimawandel bei“ | |
[3][Und ist es nun moralisch verwerflich, trotz Klimakrise ins Flugzeug zu | |
steigen], keinen Ökostrom zu buchen, Fleisch zu essen – sich also | |
klimaschädlich zu verhalten? Tatsächlich sieht der Ethikrat auch die | |
einzelnen Bürger*innen in der Verantwortung für Klimaschutz. Aber nicht | |
in erster Linie. „Vornehmlich“ handele es sich um eine staatliche Aufgabe. | |
Die Begründung: Welche Spielräume der*die Einzelne hat, klimafreundliche | |
Optionen den klimaschädlichen vorzuziehen, hängt am Staat. | |
„Es ist unangemessen, wenn staatliche Akteure von Individuen | |
emissionsärmeren Konsum erwarten, solange innerhalb der vom selben Staat | |
gewollten und unterstützten Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung die | |
Voraussetzungen dafür zu einem guten Teil nicht erfüllt sind oder sogar | |
konterkariert werden, sodass emissionsärmeres Handeln in vielen Feldern | |
immer noch ‚moralisches Heldentum‘ verlangt“, heißt es in dem Gutachten. | |
Allerdings sind es eben nicht in erster Linie diejenigen Bürger*innen, | |
denen die Möglichkeiten zum Beispiel in Form von Geld fehlen, die sich | |
besonders klimaschädlich verhalten. „Menschen tragen sehr unterschiedlich | |
zum Klimawandel bei – schon allein das wirft große Gerechtigkeitsfragen | |
auf“, sagte Kerstin Schlögl-Flierl aus dem Ethikrat. „Das fängt schon | |
innerhalb unserer Gesellschaft an. Wohlhabende Menschen fliegen öfter, | |
während Menschen mit weniger Geld durch viele Klimaschutzmaßnahmen | |
besonders belastet werden.“ | |
Das wirkt sich laut dem Ethikrat auch darauf aus, wer wie stark belastet | |
werden darf. „Wer leistungsfähiger ist – und möglicherweise auch mehr zum | |
Klimawandel beiträgt –, muss mehr Verantwortung übernehmen und stärker in | |
Vorleistung gehen“, so Armin Grunwald vom Ethikrat. „Das betrifft sowohl | |
Länder und Unternehmen als auch einzelne Menschen. In Anbetracht der | |
außerordentlich schwerwiegenden Folgen einer ungebremsten globalen | |
Erderwärmung wäre es geradezu unverantwortlich, erst aktiv zu werden, wenn | |
andere nachziehen.“ | |
Das sehen aber auch einige anders. Drei Mitglieder des Ethikrats, nämlich | |
Steffen Augsberg, Franz-Josef Bormann und Frauke Rostalski, haben sich in | |
einem Sondervotum gegen den Konsens des restlichen Gremiums gestellt. Sie | |
argumentieren, „dass selbst besonders umfangreiche nationale Anstrengungen | |
zur Verbesserung der eigenen CO2-Bilanz einen sehr geringen Einfluss auf | |
den globalen CO2-Ausstoß haben“. | |
Eingriffe in die individuelle Freiheit der Bürger*innen würden sich auf | |
dieser Basis „kaum legitimieren“ lassen. Daran ändere auch die | |
Dringlichkeit des Problems nichts, schreiben die drei. Das ist ein | |
Argument, das oft von Gegner*innen von Klimapolitik ins Feld geführt | |
wird. Die drei beteuern hingegen: „Wir teilen die Auffassung des | |
Mehrheitsvotums, dass die Bewältigung des Klimawandels und seiner Folgen zu | |
den großen Menschheitsaufgaben der Gegenwart und Zukunft gehört.“ | |
13 Mar 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Bali-Debatte-um-die-Letzte-Generation/!5909597 | |
[2] https://www.ethikrat.org/mitteilungen/mitteilungen/2024/ethikrat-lasten-im-… | |
[3] /Philosoph-ueber-Moral-in-der-Klimakrise/!5946170 | |
## AUTOREN | |
Susanne Schwarz | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Soziale Gerechtigkeit | |
Ethikrat | |
klimataz | |
Schwerpunkt Europawahl | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
EU-Klimapolitik nach der Europawahl: Green Deal in Gefahr | |
Nach den Wahlen wird es schwer, den Klimaschutz in der EU voranzubringen. | |
Das liegt auch an Versäumnissen der bisherigen Klimapolitik. | |
Erderhitzung von 1,52 Grad: Über der gefürchteten Marke | |
Zum ersten Mal lagen die Temperaturen ein ganzes Jahr lang über der | |
1,5-Grad-Grenze des Klimaabkommens von Paris. Was das für die Zukunft | |
bedeutet. | |
Experte über EU-Klimaziele: „Das absolute Minimum“ | |
Die EU will bis 2050 klimaneutral werden. Die Ziele bis 2040 sind zu | |
vorsichtig, findet Lutz Weischer von der NGO Germanwatch. | |
Philosoph über Moral in der Klimakrise: „Sie wissen ganz genau, was richtig … | |
Fliegen trotz Klimakrise? Philosoph Arnd Pollmann spricht darüber, ob | |
klimaschädliches Verhalten uns zu unmoralischen Menschen macht. |