| # taz.de -- Kunst zu „Kochen Putzen Sorgen“: Bis zum surrealen Familiengesi… | |
| > Die Ausstellung „Kochen Putzen Sorgen“ im Quadrat Bottrop zeigt | |
| > feministische Kunst von den 1960ern bis heute. Die ist ziemlich | |
| > satirisch. | |
| Bild: Kochkunst: Birgit Jürgenssen, „Hausfrauen-Küchenschürze“ von 1974/… | |
| Das eher formale, wenn auch pädagogische Werk von Josef Albers, nach dem | |
| das moderne Stadtmuseum in Bottrop einst benannt wurde, ist gewiss nicht | |
| der Schlüssel zum Herzen des Ruhrgebietlers. Der Direktor über lange Zeit, | |
| Heinz Liesbrock, war ein echter Spezialist der „dokumentarischen“ | |
| Fotografie des 20. Jahrhunderts. [1][Walker Evans] und [2][die Bechers] | |
| brachten immer genug Leben in die Bude. | |
| Seine Nachfolgerin, Linda Walther, stellt sich dem Publikum mit einer | |
| Themenausstellung vor, die „[3][Putzen Kochen Sorgen. Care-Arbeit in der | |
| Kunst seit 1960“] heißt. Das englische Wort, das eher Betreuung und Pflege | |
| meint, verdeckt dabei, dass es hier um den Haushalt und die Hausfrau geht. | |
| Das Thema wurde in den 70er Jahren von damals jungen Künstlerinnen mit | |
| Leidenschaft angepackt. Die meisten Werke sehen aus wie „Performance bei | |
| mir zu Haus“ und neigen zur Satire. | |
| Ein Video aus Kolumbien karikiert in 7 Minuten und 43 Sekunden die zwölf | |
| Stunden einer Kleinfamilie vom Klingeln des Weckers bis zum Beginn des | |
| Abendessens. Um die Überforderung der Ehefrau und Mutter von zwei Kindern – | |
| die große Geste des Mannes: einmal vier Gläser mit Saft zu füllen – | |
| darzustellen, werden zwei Stilmittel des Stummfilms bis zum Exzess genutzt: | |
| Gegenschnitt und Zeitraffer, Treppe rauf und runter als Slapstick. | |
| Die Autorschaft lautet Cine mujer (Kinofrau), offenbar ein Kollektiv. Der | |
| szenisch wunderschöne Film von 1981 heißt: „Und deine Mutter, was macht | |
| die?“ | |
| ## Die Familie, kein Exempel der eigenen Fron | |
| Emotional liegt die Schwierigkeit darin, die Situation der Hausfrau | |
| kritisch sichtbar zu machen, ohne die Familie zum Exempel der eigenen Fron | |
| zu degradieren. Anrührend ein Gemälde von Carmen Maura, soeben post-Franco, | |
| das mit einem mondrianisch geschulten Auge ein leeres Kinderbett anschaut | |
| („Leere Wiege“, 1976, Öl auf Leinwand). | |
| Geradezu unverschämt lebendig wirken die „Fotovernähungen“ von Annegret | |
| Soltau, „Mutter-Glück – mit Tochter und Sohn“, Porträtcollagen zwischen | |
| Zärtlichkeit und Grausamkeit, in denen die drei Personen in fünf Varianten | |
| zu einem surrealen Familiengesicht montiert sind (1989/90). | |
| Es wimmelt in Bottrop von vergessenen feministischen Werken. Die | |
| Tätigkeiten, die sich performativ am besten eignen, bleiben das Bügeln und | |
| das Kochen. Deshalb sind die prägenden Objekte das Bügelbrett und der Herd | |
| in den kuriosesten Verfremdungen. Die Einladungskarte verwendet | |
| [4][Rosemarie Trockels] Relief „Trauma“ (1992), vier asymmetrisch in | |
| himmelblaue Emaille eingelegte Herdplatten, fast ein Josef Albers, fast ein | |
| Quadrat – der Spitzname des Museums. | |
| Vielleicht löst „Putzen Kochen Sorgen“ einen Trend aus. Das wäre | |
| wünschenswert, quasi eine gründliche retrospektive Rollenstudie jenseits | |
| von [5][Cindy Sherman]. Die Ausstellung selbst allerdings bietet ein | |
| typisches Beispiel für das Kuratieren im Zeitalter von Google. 44 | |
| Künstlerinnen, weltweit, ergeben einen guten Überblick, werden aber in der | |
| Menge und flüchtigen Nachbarschaft zu Archivbelegen degradiert. Zwei | |
| Beispiele: [6][Margaret Raspés Videofilme] über häusliche Arbeit – die | |
| Kamera in einem selbstgebastelten Helm – sind echte Reality-Schocker. | |
| ## Große Schwierigkeit in der DDR | |
| Eine Retrospektive war neulich im Haus am Waldsee in Berlin zu sehen. In | |
| Bottrop ist daraus ein dreistöckiger Fernsehturm geworden. Die Küchenfilme | |
| sind aber nicht dazu gemacht, verglichen zu werden, ganz im Gegenteil. Und | |
| [7][Gabriele Stötzer, deren radikal-feministisches Werk sie in der DDR in | |
| große Schwierigkeiten gebracht hat:] Ihre kleinen Schwarzweiß-Fotos von | |
| Wäscheleinen („Hausfrauenarbeit“, 1980) sind erstklassige Doku, aber doch | |
| ein eher abwegiges Exempel ihrer komplexen Arbeit um Körper und | |
| Selbstbestimmung. Was wäre, wenn man ihr einen ganzen Saal gegeben hätte? | |
| Eine Kunstausstellung, die letztlich von unterdrückten Künstlerinnen | |
| handelt, sollte museal keine Kompromisse machen. Denn nur eine Ehrung in | |
| voller Grandezza würde ihnen gerecht. Leider wurden etliche fotografische | |
| Serien und auch Siebdrucke als aalglatte „Ausstellungskopien“ ausgeliehen. | |
| Wenn die Aura der Zeit aber nicht mitgeliefert wird, dann verflüchtigt sich | |
| auch der Geist des Feminismus. Die Filmprojektionen sind sämtlich | |
| digitalisiert und werden zu groß an Wänden gezeigt, die dafür zu hell sind. | |
| So verpufft die klaustrophobische Energie einer Chantal Akerman. Sie hätte | |
| eine schwarze Box gebraucht, mit einigen Stühlen für die 13 Minuten Kino. | |
| Eine Bodenarbeit nach einem Konzept von Ingeborg Lüscher, die monochrome | |
| Schemen von Kleidungsstücken in aufbereiteten „Trocknerflusen“ darstellt �… | |
| „Pesto Cotones“ – wurde in eine Ecke geschoben. In der Mitte des Raums, z… | |
| Drüberstolpern, hätte sie etwas hergemacht. | |
| So haftet der Ausstellung in Bottrop kurioserweise etwas Haushälterisches | |
| an. Der Katalog, noch nicht erschienen, droht eine riesige akademische | |
| Textsammlung zu Frauenfragen in aller Welt zu werden. Offenbar ist hier ein | |
| Thema zu heiß gekocht worden. Der existenzielle Witz dieser Ära ist grob zu | |
| ahnen, aber der rebellische Funke springt nicht über. | |
| 27 Nov 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Ulf Erdmann Ziegler | |
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