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# taz.de -- Lieber Freundschaft als Beziehung: Ich will keine „Bekannten“
> Unser*e Autor*in hat Sorge, dass die Freund*innen alle in
> Zweier-Beziehungen verschwinden. Schöner wäre: ewig Freundschaft.
Bild: „Wir sagen uns oft, dass wir uns lieben.“
Freundschaft bedeutet mir viel. Sehr viel sogar. Wenn ich an meine
Freund*innen denke, denke ich an Menschen, die mir immer mehr bedeuten,
als ein*e Partner*in es je tat. Ich erinnere mich an unzählige Abende auf
der Couch, an das gemeinsame Einschlafen, an kleine und große Urlaube. Ich
denke an Menschen, die sich für mich wie Familie anfühlen.
Aber letztens bekam ich Schiss. Ein Freund nahm mich mit, um einen Ring
auszusuchen, ich sollte ihn beraten. Er ist verliebt, erzählte von der
erträumten Zweisamkeit mit der Ehefrau in spe – und ich dachte nur: Stopp.
Ist das jetzt der Punkt, an dem ich meine Freund*innen verliere? Stehen
wir bald auf Gartenpartys, grillen Würstchen und reden über Hypotheken,
Bausparverträge und Kinderwägen? Ich denke an meine Eltern, an die Eltern
meiner Freund*innen. Auch sie hatten mal tiefe, enge Freundschaften. Aber
heute ist davon vieles verblasst. Ob meine Eltern das bereuen? Ist halt so,
sagen sie dann. Da war der Partner, da das Haus, der Job und dann die
Kinder. Aber sie klingen, als würden sie es ein bisschen bedauern.
Meine [1][Freund*innen und ich] sagen uns oft, dass wir uns lieben. Und
dass wir uns nicht einfach so aus den Augen verlieren werden. Aber kaum
schaue ich in die richtige Erwachsenenwelt, scheint zwischen Familienleben
und Arbeitsstress nicht viel davon übrigzubleiben. Das macht mir Angst. Ich
will nicht, dass wir nicht mehr füreinander da sind, dass die gegenseitige
Unterstützung aufhört. Ich will unsere freundschaftliche Liebe nicht
eintauschen gegen die vermeintliche Idylle einer bürgerlichen Existenz.
In dieser Welt sind die meisten Menschen nur noch Bekannte. Ich hasse
dieses Wort. Was soll das sein? Menschen, die man kennt, aber zu denen man
bloß keine tiefere Bindung aufbauen möchte? Mit denen man sich zum Kaffee
und Kuchen trifft, aber mit denen man keine Sorgen anvertrauen will? Ich
will keine Bekannten in meinem Garten empfangen. Ich will Menschen
empfangen, mit denen ich zusammen weinen und Händchen halten kann, von
denen ich weiß, dass ich für sie da bin und sie es für mich sind.
Aber was, wenn ich am Ende so werden wie meine Eltern und [2][zwischen
Partner*in, Kind und Job] am Ende die freundschaftlichen Bindungen
vernachlässige? Was werden die Versprechen und unsere platonischen
Liebeserklärungen wert sein, wenn sie auf kurz oder lang mit der
heteronormativen Ordnung der Kleinfamilie konkurrieren müssen? Ich will das
nicht.
## Der Druck der Paarbeziehung nimmt ab
Ich glaube aber, dass wir es als Generation Z schaffen, unsere
Freund*innen nicht zu verlieren, nur weil einige von uns heiraten. Der
gesellschaftliche Druck, sein Leben zu zweit zu organisieren, ist nicht
mehr so hoch wie früher. Es gibt heute mehr Menschen, die Verantwortung
füreinander übernehmen wollen, und das enge Korsett der heteronormativen
Paarbeziehung dafür nicht brauchen. Auch die Politik plant endlich einen
Rechtsrahmen für Verantwortungsgemeinschaften zu schaffen. Und soziale
Medien machen es uns einfach, in Kontakt zu bleiben oder aus der Ferne am
Alltag teilzuhaben, wenigstens ein bisschen.
Auch wenn wir nicht mehr spontan 650 Kilometer nach Berlin fahren, um auf
ein Konzert zu gehen, tanzen wir hoffentlich weiter auf [3][Christopher
Street Days]. Auch falls wir in 20 Jahren langweilig sind, können wir immer
noch zusammen auf dem Sofa liegen und Trash-TV schauen. In unseren
Wohnungen wird immer Platz für mehr als zwei sein.
3 Nov 2023
## LINKS
[1] /Editier-Funktion-bei-Messager-Dienst/!5938543
[2] /Mutter-werden-oder-nicht/!5954838
[3] /Party-statt-politische-Versammlung/!5964804
## AUTOREN
Maurice Conrad
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