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# taz.de -- Bisexualität und Sichtbarkeit: Ich bin bi und das ist auch gut so
> Wollen jetzt etwa alle bisexuell sein? Ja! Oder zumindest viele. Das ist
> kein Trend, sondern Ausdruck einer positiven gesellschaftlichen
> Entwicklung.
Bild: Wir sind der lebende Beweis dafür, dass Sexualität fluide sein kann
Jedes Jahr Ende September ist Tag der bisexuellen Sichtbarkeit. Den Rest
des Jahres sind wir ziemlich unsichtbar. Für mich bedeutete Bisexualität
immer eine große Infragestellung meiner selbst: Bin ich wirklich bi genug,
um dazuzugehören?
Ich weiß noch, welchen Druck ich mir vor meinem ersten Date mit einem Mann
gemacht habe. Was, wenn es mir doch nicht gefällt, mit ihm zu schlafen?
Was, wenn ich nur knutschen will? Bin ich dann überhaupt richtig bi? Ich
hatte damals schon das Gefühl, dass Sex nicht mit so viel Druck verbunden
sein sollte: Wie eine imaginäre Liste von Erfahrungen, die ich abhaken
muss, um gesellschaftliche Erwartungen zu erfüllen. Trotzdem ist es
schwierig, sich von diesen Erwartungen zu befreien.
In der Öffentlichkeit werde ich oft nicht als bisexuell, sondern als schwul
wahrgenommen. Neulich erst gratulierte mir eine Frau in einer Bar zur offen
gelebten Homosexualität. Wahrscheinlich, weil ich an dem Abend Eyeliner
trug. Sie hat gesehen, dass ich von der gesellschaftlichen Norm abwich, und
hat sofort geschlussfolgert, dass ich schwul sein muss. Auch innerhalb der
queeren Community ist die Akzeptanz für Bisexualität nicht immer da. Ich
hatte schon Dates mit Männern, die mir offen gesagt haben, dass sie von
Bisexuellen nichts halten, denn die könnten sich nicht entscheiden.
Weiblich gelesene bisexuelle Person haben mit ähnlichen Problemen zu
kämpfen. Bisexualität wird als „Phase“ abgestempelt, die Annahme ist, dass
frau sich nur ausprobieren will. Während Heteros ihnen vorwerfen, sich
einfach nur hervortun zu wollen, werden sie in queeren Spaces als
Heterosexuelle wahrgenommen, die nur schnuppern möchten.
Im Ergebnis verlieren wir das Vertrauen in uns selbst. Wie viele Schwänze
muss ich lutschen, damit ich weiß, dass ich wirklich bi bin? Mit vielen
Frauen muss ich geknutscht haben, damit man mir nicht vorwirft, nur
Partyspaß haben zu wollen? Bisexuelle Menschen leiden nicht nur unter den
Diskrimierungen ihrer homosexuellen Liebe, sondern auch darunter, dass
unsere Sexualität eigentlich immer zur Disposition gestellt wird. Zu schwul
für die Heten und zu Straight für die Gays.
Dass wir diese Diskriminierung von allen Seiten erfahren, liegt meiner
Meinung nach daran, dass wir als Bedrohung empfunden werden: Wir sind nicht
„die vom anderen Ufer“, führen aber die gleichen gesellschaftliche Kämpfe.
Aus [1][den männlichen Rollenbildern], in denen viele Hetero-Typen
feststecken, brechen wir aus. Wir sind der lebende Beweis dafür, dass
Sexualität fluide sein kann und nicht auf ein Geschlecht begrenzt sein
muss.
Betroffen sind viele. Laut einer [2][Studie] identifizieren sich immer mehr
und insbesondere junge Menschen als queer. Der Anteil der Bisexuellen
[3][stieg bei GenZ] im Vergleich zu Millennials um ganze 5 Pozentpunkte auf
9 Prozent. Der Anteil der Homosexuellen dagegen nur um einen. Das liegt
aber nicht daran, dass Bi-Sein gerade im Trend liegt. Vielmehr wird das
gesamtgesellschaftliche Klima immer akzeptierender, so dass die, die sich
sonst vielleicht nicht getraut hätten, ihre Bisexualität auszuleben, dies
[4][jetzt endlich tun können].
Man muss nicht dauernd zwei Schwänze im Mund und Brüste in der Hand haben,
um wirklich bi zu sein. Man ist auch nicht weniger bi, nur weil man sich
gerade in einer homosexuellen oder heterosexuellen Beziehung befindet. Es
ist einfach unsere Sexualität, und niemand kann uns vorschreiben, was wir
tun und was wir lassen sollen.
11 Oct 2023
## LINKS
[1] /Kritik-am-Buch-ueber-kritische-Maennlichkeit/!5950704
[2] https://www.ipsos.com/de-de/je-junger-desto-queerer-gen-z-weitaus-haufiger-…
[3] /Vorwuerfe-gegen-Rammstein/!5938572
[4] /Positiv-bleiben/!5956378
## AUTOREN
Maurice Conrad
## TAGS
Kolumne Änder Studies
Queer
Bisexualität
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Schwerpunkt LGBTQIA
Schwule
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