| # taz.de -- Freund*innenschaft: Besties als Fernbeziehung | |
| > Erst ignorierten sich Lada und Ivona im Schulbus, dann wurden sie vor | |
| > sieben Jahren beste Freundinnen. Bis heute in mittlerweile getrennten | |
| > Ländern. | |
| Bild: Lada, 22 | |
| Ivona war immer meine Komplizin. Die krasseste Aktion war wahrscheinlich | |
| die, als sie ihre Mutter überredet hat, meine Eltern anzurufen, um ihnen zu | |
| sagen, dass wir übers Wochenende mit ihr in die Berge fahren. Dabei bin ich | |
| stattdessen nach Berlin geflogen, um meinen Freund zu besuchen. Ich habe | |
| keine Ahnung, wie Ivona das hinbekommen hat. „Wehe du machst da irgendwas | |
| Dummes!“, hat sie mir vor meinem Abflug in [1][Belgrad] gesagt. | |
| Damals war ich 17, von dem Freund wussten meine Eltern nichts. Mittlerweile | |
| lebe ich mit ihm zusammen. Letzten Oktober bin ich nach Berlin gezogen, um | |
| Bühnen- und Kostümdesign an der Weißensee Kunsthochschule zu studieren. In | |
| meiner Heimatstadt wäre das nicht möglich gewesen. In Belgrad musst du die | |
| richtigen Leute kennen, um einen der wenigen Kunststudienplätze zu | |
| bekommen. Dort schauen sie außerdem mehr auf die handwerklichen Skills. | |
| Hier in Berlin zählt auch Kreativität. Die ganze Stadt strahlt das aus, ich | |
| finde das toll. | |
| Aber nach der Uni bin ich oft allein. Ich lerne zwar Leute kennen, aber | |
| irgendwie wird nie mehr als Smalltalk daraus. Ich vermisse Ivona und meine | |
| ganze Freundesgruppe. Sich nachmittags auf einen Kaffee treffen und dann | |
| irgendwann auf die Uhr schauen und merken, dass schon Abend ist. „Kommst du | |
| noch mit zu mir und dann kochen wir zusammen?“ Solche Sachen. | |
| ## | |
| Ivona und ich sind nicht so gut im chatten. „Wir müssen das echt mal | |
| lernen“, hat sie mir vor kurzem am Telefon gesagt, damit wir nicht die Nähe | |
| zueinander verlieren. Davor habe ich manchmal Angst, obwohl es eigentlich | |
| unvorstellbar ist. Mindestens alle zwei Wochen verabreden wir uns online | |
| zum gamen. Wir spielen League of Legends oder irgendein dummes Spiel wie | |
| Roblox. Dabei sprechen wir, drei, vier Stunden lang. Irgendwann spielen wir | |
| gar nicht mehr, sondern unterhalten uns nur noch. Wir kennen das noch aus | |
| der Pandemie. Damals haben wir irgendwie auch schon eine Fernbeziehung | |
| geführt, obwohl wir noch in der selben Stadt gewohnt haben. | |
| Vor kurzem war ich zu Besuch in Belgrad. Ich bin mit meinen Freunden zu den | |
| [2][Studierendenprotesten] gegangen. Sie sind dort jeden Tag, seit Monaten | |
| schon. Wenn ich in Berlin bin, habe ich manchmal ein schlechtes Gefühl und | |
| denke, dass ich eigentlich dort sein sollte, um mein Land zu verändern. | |
| Aber wenn ich dort bin, habe ich das Gefühl zu ersticken. In Belgrad leben | |
| zwei Millionen Menschen, doch für mich fühlt es sich manchmal an, als wären | |
| es nur 100. Und ich kenne sie alle. Mein letzter Besuch hat nur vier Tage | |
| gedauert. | |
| Ivona und ich hatten unseren ersten Streit: Ich habe sie nicht wie | |
| verabredet von der Arbeit abgeholt, denn ich hatte zufällig einen Freund | |
| getroffen und habe spontan einen Kaffee mit ihm getrunken. „Komm doch eben | |
| dazu“, hab ich ihr geschrieben. „Das ist eine halbe Stunde Fahrt!“, hat s… | |
| geantwortet. Ich bin schon zu sehr an die Berliner Distanzen gewöhnt und | |
| dachte: Ja, und? Später habe ich sie angerufen und ihr gesagt, dass ich sie | |
| unbedingt sehen möchte. Wir haben am Telefon geweint und uns gesagt, wie | |
| wichtig wir uns sind. Es war wie in einem kitschigen Film. Dann bin ich zu | |
| ihr gefahren und wir waren bis spät in die Nacht unterwegs. | |
| Protokoll: Marie Gogoll | |
| 8 Mar 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Marie Gogoll | |
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