| # taz.de -- Party statt politische Versammlung: Zoff um CSD in Dresden | |
| > Der CSD in Dresden soll künftig nicht mehr als Versammlung gelten, | |
| > sondern als Veranstaltung. Das hätte enorme Folgen für die | |
| > Organisator:innen. | |
| Bild: Das ist eine Demonstration: CSD in Dresden im Juni 2023 | |
| Dresden taz | Seit 30 Jahren wird der Christopher Street Day in Dresden mit | |
| einem dreitägigen Straßenfest gefeiert, das traditionell mit einer großen | |
| Demonstration durch die Landeshaupstadt endet. Die Dresdner | |
| Versammlungsbehörde will dem Straßenfest nun den Status als Versammlung | |
| aberkennen und es als Veranstaltung einstufen. Das Fest sei mehr Party als | |
| politische Versammlung, so die Meinung der Behörde. | |
| Verliert das [1][CSD-Fest] den Versammlungsstatus, müssten die | |
| Organisator:innen künftig rund 15.000 bis 20.000 Euro für die | |
| Straßensperrungen in der Dresdner Innenstadt bezahlen. Bei Versammlungen | |
| übernimmt die Stadt die Kosten. | |
| Entsprechend sauer ist Ronald Zenker vom Verein CSD Dresden. Ende September | |
| hatte die Versammlungsbehörde den Verein, der den Christopher Street Day in | |
| Dresden organisiert, in einem achtseitigen Schreiben über das Vorhaben | |
| informiert. Das Papier lese sich wie „ein homophober Text aus den achtziger | |
| Jahren“, sagte Zenker der taz. | |
| Die Versammlungsbehörde nennt in dem Papier mehrere Gründe, warum das | |
| CSD-Straßenfest keine Versammlung sei, sondern eine Veranstaltung. Die | |
| Programmpunkte des Festes zielten zum Beispiel nicht auf die „Teilhabe an | |
| der öffentlichen Meinungsbildung“, sondern seien „der Zurschaustellung | |
| eines szenetypischen Lebensgefühls“ zuzuordnen und damit | |
| „Unterhaltungssektor“. Bei der Veranstaltung gehe es nicht „um breite | |
| politische Debatten“. Das politische Thema werde als „eine Art | |
| Anheiz-Programm und zur Darstellung eines Zusammengehörigkeitsgefühls | |
| verwendet, um eine ausgelassene, vertraute Stimmung zu erzeugen“. | |
| ## CSD Dresden wirft Behörde Queerfeindlichkeit vor | |
| Die Imbiss- und Verkaufsstände lüden laut Versammlungsbehörde „zum | |
| Verweilen“ ein und sorgten für „Zerstreuung“ – so wie auf „jedem | |
| Straßenfest“. Darüber hinaus habe die CSD-Veranstaltung einen | |
| „kommerziellen Charakter“. Es herrsche „übergreifende Partystimmung“, | |
| politische Botschaften rückten in den Hintergrund. Rund um die Bühne habe | |
| es „keinerlei Transparente und Schilder“ gegeben. | |
| In dem Papier heißt es weiter, dass die Besucher:innen des CSDs „nicht | |
| überwiegend Angehörige der Szene“ seien, sondern „vergnügungswillige | |
| Einwohnende“ und Tourist:innen „auf der Suche nach einer Unterhaltung“. | |
| Eine „innere Verbundenheit in Bezug auf ein gemeinsames politisches | |
| Gedankengut“ sei nicht wahrzunehmen, schreibt die Versammlungsbehörde. | |
| „Wir können jedes einzelne Argument widerlegen“, sagte Zenker vom CSD | |
| Dresden der taz. Vor der Bühne habe zum Beispiel ein 20 Meter langes Banner | |
| mit der Aufschrift „Christopher Street Day“ gehangen, auf einer 80 | |
| Quadratmeter großen LED-Wand habe der Verein politische Statements gezeigt. | |
| „Wir hatten 23 Informationsstände von Vereinen, Parteien und Verbänden“, | |
| sagt Zenker, etwa von der Aidshilfe Dresden, der Awo Sachsen, Verdi, der | |
| SPD, FDP, Linken und Piratenpartei. | |
| Die Unterstellung, dass die [2][Teilnehmer:innen des CSDs] nur feiern | |
| würden, sei nicht nur „echt schräg“, sondern auch queerfeindlich. Zenker | |
| wirft der Dresdner Versammlungsbehörde vor, „keinesfalls unvoreingenommen | |
| bei der Bewertung unserer Versammlung“ herangegangen zu sein. | |
| ## Heftige Kritik an der Versammlungsbehörde | |
| Das Schreiben der Dresdner Versammlungsbehörde hat in der Landeshauptstadt | |
| eine heftige Debatte ausgelöst. Es „trieft vor Unwahrheiten und | |
| Queerfeindlichkeit“, sagte Oliver Strotzer, Vorsitzender der SPDqueer | |
| Sachsen. „Ich weiß nicht, auf welcher Veranstaltung die Verfasser:innen | |
| des Schreibens unterwegs waren, aber das Straßenfest des CSD-Dresden kann | |
| es nicht gewesen sein.“ Denn dann hätten sie die Infostände der SPDqueer | |
| und der anderen demokratischen Parteien nicht übersehen können, sagte | |
| Strotzer. | |
| Für ihn sei die Dresdner Versammlungsbehörde eine „Gefahr für unsere | |
| Demokratie“. Strotzer forderte die für die Behörde zuständige | |
| Ordnungsbürgermeisterin Eva Jähnigen (Grüne) dazu auf, den Vorgang | |
| „gründlich“ aufklären und mit den Verantwortlichen zu sprechen. Es könne | |
| nicht sein, dass „die eigene Gesinnung“ darüber entscheide, welche | |
| Veranstaltungen als Versammlungen eingestuft würden und welche nicht. | |
| Auch Robert Malorny von der Dresdner FDP-Fraktion versteht nicht, wie man | |
| auf die Idee kommen kann, dass es sich beim CSD-Straßenfest [3][nicht um | |
| eine politische Versammlung] handeln könnte. „Die Versammlungsbehörde hat | |
| sich mit ihrer Einschätzung von der offensichtlichen Realität verabschiedet | |
| und behindert mit den drohenden hohen Kosten wichtiges bürgerschaftliches | |
| Engagement in Dresden“, sagte er. | |
| Das Vorhaben der Versammlungsbehörde sei „ein Schlag ins Gesicht“ für alle | |
| politischen und zivilgesellschaftlichen Akteur:innen, die sich für die | |
| Rechte der queeren Community in Dresden einsetzten, teilte die | |
| stellvertretende Vorsitzende der Dresdner SPD Julia Hartl mit. „In einer | |
| Stadt, in der regelmäßig Rechten und Nazis der rote Teppich ausgerollt und | |
| die besten Plätze der Stadt zur Verfügung gestellt werden, kann es nicht | |
| sein, dass nun ausgerechnet eine grüne Bürgermeisterin versucht, dem CSD | |
| den Charakter einer Versammlung abzuerkennen“, sagte Hartl. Entweder habe | |
| Jähnigen ihren Geschäftsbereich nicht im Griff oder sie lege dem CSD | |
| „willentlich Steine in den Weg“. | |
| ## Ordnungsbürgermeisterin distanziert sich vom Schreiben | |
| Die Vorsitzende der Dresdner Grünen Agnes Scharnetzky fand weniger scharfe | |
| Worte. Sie habe „volles Vertrauen“ darin, dass Eva Jähnigen „konstruktive | |
| Lösungen unter der Wahrung des Grundsatzes der Gleichbehandlung“ entwickle. | |
| Eva Jähnigen, die Bürgermeisterin, der die Versammlungsbehörde unterstellt | |
| ist, hat sich von dem Schreiben distanziert. Es entspreche nicht ihrer | |
| Tonalität und ihrem Anspruch. Der Christopher Street Day sei eine wichtige | |
| politische Institution und gehöre zu einem vielfältigen und demokratischen | |
| Dresden, sagte sie. Weil der Versammlungscharakter des CSD-Festes „seit | |
| etlichen Jahren umstritten“ sei, wolle sie nun Klarheit schaffen – und „e… | |
| von der Versammlungsbehörde unabhängiges Rechtsgutachten“ zum | |
| Versammlungscharakter des CSD-Straßenfestes in Auftrag geben. | |
| Mitte Oktober treffen sich die Ordnungsbürgermeisterin und der Verein CSD | |
| Dresden zu einem Gespräch. „Die aktuelle Diskussion zeigt, wie vielfältig | |
| hier die Herausforderungen sind“, sagte Grünen-Politikerin Jähnigen. Sie | |
| betonte aber, dass sie für den nächsten CSD 2024 zuversichtlich sei. „Wir | |
| werden eine gute Lösung finden, die sowohl dem Versammlungsrecht Rechnung | |
| trägt, als auch den Wünschen des CSD-Teams entgegenkommt.“ | |
| Ronald Zenker vom CSD Dresden ist skeptisch, was das von Jähnigen geplante | |
| unabhängige Rechtsgutachten betrifft. „Die Frage ist, wie unabhängig ist | |
| das Rechtsgutachten wirklich?“ Falls das CSD-Straßenfest tatsächlich den | |
| Versammlungsstatus verlieren sollte, „werden wir die Stadt Dresden | |
| verklagen“, sagte Zenker. Das würde weit über die Grenzen Dresdens für | |
| Aufsehen sorgen. | |
| 6 Oct 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Rieke Wiemann | |
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