# taz.de -- Neue Ausstellung „The Great Repair“: Reparieren statt neu bauen | |
> Die Ausstellung „The Great Repair“ in der AdK Berlin plädiert für die | |
> sozial-ökologische Revolution im Städtebau. Ein Schlüssel dafür: mehr | |
> Reparatur. | |
Bild: Blick in die Ausstellung „The Great Repair“ in der Akademie der Küns… | |
Mit dieser Ausstellung habe man die altehrwürdige Institution aufgemischt, | |
sagt [1][Anh-Linh Ngo, Redaktionsleiter der in Berlin erscheinenden | |
Architekturzeitschrift Arch+] und einer der Kuratoren der Ausstellung „The | |
Great Repair“ („Die große Reparatur“). Gemeint ist die 1696 gegründete | |
Akademie der Künste (AdK) – und die Ausstellung, die Ngo gemeinsam mit fünf | |
weiteren Expert:innen aus dem Bereich der Architektur und Stadtforschung | |
in deren Ausstellungshallen am Hanseatenweg kuratiert hat, gibt sich gleich | |
eingangs Mühe, diesem Anspruch gerecht zu werden. Statt wie sonst üblich | |
den Zugang über die Haupttreppe zu führen, gelangt man in die Hallen im | |
ersten Stock nun quasi über die Hinterbühne – über ein funktionales und | |
keinesfalls repräsentatives Treppenhaus, sonst nur Mitarbeitenden der AdK | |
zugänglich. | |
Mit diesem kuratorischen Kniff richtet sich der Blick statt auf die | |
Architektur des Gebäudes auf dessen Bausubstanz, denn unversehens trifft | |
man hier auf die Beschriftung zu einem Exponat, auf dem man bereits steht: | |
„Der Boden entspricht nicht den heutigen DIN-Normen, aufgrund ihrer | |
Robustheit ist die Konstruktion aber gut gealtert und zeigt keine | |
erheblichen Schäden. Ein Eingriff ist nicht notwendig.“ | |
„The Great Repair“ ist eine von einem Vermittlungsprogramm und zwei | |
Arch+-Ausgaben gesäumte Ausstellung, die den Versuch wagt, das große | |
Projekt dringend anstehender gesellschaftlicher Transformationen aus | |
bereits existierenden (architektonischen, stadtplanerischen, | |
restauratorischen etc.) Praktiken abzuleiten. | |
Fallbeispiel AdK: Für die in den 2000er Jahren nötig gewordene Sanierung | |
des von [2][Werner Düttmann] und Sabine Schumann entworfenen, 1960 | |
fertiggestellten und unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes galt dem | |
Berliner Büro „Brenne Architekten“ die Prämisse, trotz notwendiger | |
technischer Eingriffe so wenig wie möglich an dessen Materialsubstanz zu | |
verändern. Einige Beispiele, wie dies „kreativ“ gelöst wurde, werden hier | |
im Treppenhaus gezeigt. | |
Der Bezug zur AdK endet für die Ausstellung damit aber auch schon | |
weitgehend. Vielmehr ist die Sanierung der Akademie nur ein Beispiel von | |
vielen in den anschließenden Ausstellungshallen, in denen es, angesichts | |
von [3][Ressourcenverschwendung und den insbesondere im Baugewerbe | |
exorbitant hohen CO2-Emissionen], ums vor allem bauliche Umdenken, | |
Anknüpfen, Umbauen, Innehalten geht, mal künstlerischer, mal | |
dokumentierender. | |
Die sozialökologische Revolution, so die These der Ausstellung, wird durch | |
Reparatur gelingen, jenseits grüner Wachstumsideen. Arbeiten und Exponate | |
von rund 40 Beteiligten – Architekturbüros, Künstler:innen, | |
Universitätsinstitute – sollen dabei nicht die Dringlichkeit notwendiger | |
systemischer Veränderungen illustrieren, sondern sind stets schon einen | |
Schritt weiter, probieren aus, erforschen, ermitteln, realisieren. | |
## Kontinuierliche Instandsetzung | |
Da ist das Modell eines Hauses in Tokio, das die Architekt:innen | |
Fuminori Nousaku und Mio Tsuneyama im Sinn einer „kontinuierlichen | |
Instandsetzung“ bewohnen und es so vor dem eigentlich programmierten Abriss | |
retteten – mit der Konsequenz, dass es für die einen wie eine | |
Dauerbaustelle aussehen mag, für andere ein Vorbild des Erhaltens und | |
ressourcensparenden Lebens darstellt. | |
Da ist das Beispiel der „Triemli-Türme“ in Zürich, dreier noch stehender | |
Hochhäuser aus den 1960er Jahren, deren Abrissbeschluss vor 20 Jahren | |
mittlerweile von der „Zürcher Arbeitsgruppe für Städtebau“ mit konkreten | |
Vorschlägen für eine Um- und Weiternutzung erfolgreich hinterfragt und der | |
Abriss zunächst aufgeschoben wurde. | |
Da ist das Video „Cars into Bicycles“ des Berliner Künstlerduos Folke | |
Köbberling & [4][Martin Kaltwasser], das den Umbau eines kaputten Autos in | |
ein funktionierendes Lastenfahrrad dokumentiert. Wie dies mit Stadtplanung | |
zusammenhängen kann, zeigt ein Projekt der Universität Luxemburg, bei dem | |
es um Ideen für die Umnutzung eines großen Gewerbegebiets geht, dessen | |
Bodenversiegelung nicht unwesentlich durch Parkplätze bewirkt wird. | |
## Radikaler Ausdruck der Selbstreparatur | |
Dass dies alles Transformationsideen sind, die das Systemische des Problems | |
– den „warenförmigen Zustand von Architektur“ – nur punktuell angehen | |
können, ist der Ausstellung durchweg bewusst. Ein Plakat mit dem Text des | |
„Global Moratorium on New Construction“ (2020), ein Aufruf der Architektin | |
Charlotte Malterre-Barthes zum weltweiten Unterlassen jeglicher | |
Neubautätigkeiten, legt hier als „radikalster Ausdruck der Selbstreparatur“ | |
die Latte des Visionären am höchsten. | |
Das von dem Architekturhistoriker Alexander Stumm 2022 initiierte | |
„Abriss-Moratorium“, das den Erhalt oder Umbau aller nach erfolgreicher | |
sozialökologischer Prüfung erfasster Bestandsgebäude fordert, bringt den | |
gestaltungspolitischen Geist der Ausstellung da schon eher auf den Punkt. | |
Am Ende des Parcours kann man es sich zudem zur weiteren Verteilung | |
mitnehmen, indem man es – diesen Witz darf man den Kurator:innen | |
durchgehen lassen – von einem Block abreißt. | |
2 Nov 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Oekonomie-und-Architektur-in-Berlin/!5741438 | |
[2] /Essay-zu-Architekt-Werner-Duettmann/!5760766 | |
[3] /Recycling-von-Haeusern/!5761378 | |
[4] /Nachruf-auf-Martin-Kaltwasser/!5890292 | |
## AUTOREN | |
Martin Conrads | |
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