# taz.de -- Rüstungstransporte im Hamburger Hafen: Gericht stoppt Volksbegehren | |
> Das Volksbegehren gegen Rüstungstransporte über den Hamburger Hafen darf | |
> nicht durchgeführt werden. Das hat das Verfassungsgericht entschieden. | |
Bild: Ob in den Containern Waffen sind? Über Hamburg wird so einiges an Rüstu… | |
BREMEN taz | Krieg und die damit gemachten Geschäfte sind in Hamburg vor | |
allem mit Blick auf den Hafen zu spüren. [1][Die „Volksinitiative gegen | |
Rüstungsexporte“] will deshalb ein Verbot dieser Geschäfte. Über 16.000 | |
Hamburger*innen haben die Initiative mit ihrer Unterschrift | |
unterstützt, doch jetzt ist das Anliegen Geschichte, zumindest in seiner | |
jetzigen Form: Das Verfassungsgericht hat das „Volksbegehren gegen den | |
Transport und Umschlag von Rüstungsgütern über den Hamburger Hafen“ | |
gestoppt. | |
Ende 2021 hatte die Initiative die Unterschriften vorgelegt. Sie verlangte | |
von Senat und Bürgerschaft, innerhalb eines Jahres eine Rechtsgrundlage zu | |
schaffen, die Transport und Umschlag von Rüstungsgütern über den Hafen | |
verbietet – und dann alles zu tun, um dieses Verbot durchzusetzen. Der | |
Senat übernahm das Vorhaben jedoch nicht. | |
Daher meldete die Volksinitiative zum 1. Mai 2022 das Volksbegehren an – | |
70.000 Unterschriften in drei Wochen sammeln war die Aufgabe für den | |
kommenden Herbst. Doch dazu kam es gar nicht: Denn kurz darauf bat der | |
Senat das Verfassungsgericht, das Ganze einmal zu prüfen. [2][Verhandelt | |
wurde im Juli], vergangenen Freitag verkündete das Gericht nun sein Urteil. | |
Es war der 1. September – der Tag, der in Deutschland als Antikriegstag | |
begangen wird. | |
Vor allem zwei Gründe haben zu der Entscheidung geführt: Hamburg fehle für | |
das angestrebte Transport- und Umschlagsverbot die erforderliche | |
Gesetzgebungskompetenz, die ausschließlich beim Bund liege, argumentiert | |
das Gericht. Und obwohl Bundesländer selbst über ihre Häfen entscheiden | |
dürfen, würde ein Verbot, „gegen den Grundsatz der sogenannten Bundestreue | |
verstoßen“. | |
## Hamburg geht regelhaft den Weg übers Verfassungsgericht | |
Ein Volksbegehren könne zudem schlicht nicht den Auftrag enthalten, ein | |
Gesetz zu verabschieden, heißt es im Urteil. Entweder wird ein bereits | |
ausformuliertes Gesetz zur Abstimmung gestellt, oder das Begehren | |
thematisiert eine Angelegenheit unterhalb der gesetzlichen Ebene, erklärt | |
Gerichtssprecher Kai Wantzen. | |
Volksentscheide haben eine bindende Wirkung. Wenn das Begehren in seiner | |
jetzigen Form Erfolg haben würde, müssten die Abgeordneten dem Gesetz | |
zustimmen – was nicht mit der Freiheit des Mandats vereinbar wäre. Wenn | |
dagegen ein Gesetz direkt abgestimmt wird, führe das zu einer | |
„unmittelbaren Änderung der Rechtslage“, sagt Wantzen, ohne noch einmal | |
durch die Bürgerschaft zu müssen. | |
Bei strittigen Initiativen geht Hamburg regelhaft den Weg über das | |
Verfassungsgericht. So wurde vor vier Jahren das [3][„Volksbegehren gegen | |
den Pflegenotstand“] gestoppt. Der Senat hatte damals auch | |
verfassungsrechtliche Bedenken angemeldet – und das Gericht hatte fehlende | |
Gesetzgebungskompetenz attestiert. Ebenfalls daran gescheitert ist auch | |
Bremen. Vor elf Jahren hatte das Bundesland in seinem Hafen den Umschlag | |
von Atombrennstäben verboten – [4][im vergangenen Jahr kassierte das | |
Bundesverfassungsgericht das Gesetz:] Der Bund sei zuständig. | |
Besser gemacht hatte es eine Initiatorin, die in Hamburg das Grundeinkommen | |
testen wollte. Die [5][Volksinitiative „Expedition Grundeinkommen“] hatte | |
einen konkreten ausformulierten Gesetzesentwurf vorgelegt. Zudem stellte | |
das Hamburgische Verfassungsgericht – entgegen der Auffassung des Senats – | |
fest, dass Hamburg sich auf Länderebene durchaus mit dem Thema befassen | |
dürfe. Dennoch stoppte das Gericht das Vorhaben: „Das Gesetz war zwar | |
ausgearbeitet, aber nicht widerspruchsfrei und nicht vollständig“, erklärt | |
Wantzen. | |
## Volksinitiative bezieht sich auf Hamburger Verfassung | |
„Wir sind im Recht“, waren sich die Initiator*innen gegen | |
Rüstungsexporte vor der Urteilsverkündung noch sicher. „Wir beziehen uns | |
auf die Präambel in der Hamburger Verfassung und auf das Friedensgebot im | |
Grundgesetz.“ In der Hamburger Verfassung steht: „Die Freie und Hansestadt | |
Hamburg hat als Welthafenstadt eine ihr durch Geschichte und Lage | |
zugewiesene, besondere Aufgabe zu erfüllen. Sie will im Geiste des Friedens | |
eine Mittlerin zwischen allen Erdteilen und Völkern der Welt sein.“ | |
Die Rüstungsexporte steigen derzeit, nicht zuletzt wegen des Krieges in der | |
Ukraine. Eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken im | |
Bundestag gibt Aufschluss über die [6][Güter, die im ersten Quartal 2023 | |
über den Hamburger Hafen ausgeführt wurden]: knapp 2.900 gepanzerte | |
Fahrzeuge oder Teile davon, 1.700 Revolver oder Pistolen, knapp 290 | |
Kriegsschiffe oder Teile davon – und zwei Artilleriewaffen. | |
„Mit der Volksinitiative wollen wir dieses zynische Geschäft beenden“, | |
schreiben die Initiator*innen als Reaktion auf das Urteil. „Anstatt | |
dieses Friedensanliegen aufzugreifen, hat der Senat die Überprüfung des | |
Volksbegehrens beantragt – einzig und allein zur Freude der | |
Rüstungsindustrie.“ Der Senat wittere ein „unzeitgemäßes und | |
unverhältnismäßiges Verbot“, so der Vorwurf an die Landesregierung. Frei | |
nach dem Motto: „Wir dürfen den armen Unternehmern ja nicht ihre Profite | |
wegnehmen!“ | |
Dabei belassen will es die Initiative nicht. „Die gesamte Hamburger | |
Friedensbewegung ist neu gefordert.“ Deshalb ist – wie immer – am Dienstag | |
Plenum: „um die Urteilsverkündung gemeinsam auszuwerten und zu beraten, was | |
wir aus der Gerichtsverhandlung für unser Wirken für einen zivilen | |
Hamburger Hafen machen“. | |
Die Linke bedauert die Entscheidung des Gerichts ebenfalls. „Tag für Tag | |
werden über den Hafen containerweise Rüstungsgüter exportiert, die auch in | |
Staaten von höchst zweifelhaftem Ruf verschifft werden“, sagt Sabine | |
Ritter, Co-Landessprecherin der Linken Hamburg. „Das muss aufhören!“ | |
4 Sep 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Hamburger-Volksini-ueber-Ruestungsexporte/!5851442 | |
[2] /Ruestungsexporte-ueber-den-Hamburger-Hafen/!5943562 | |
[3] /Volksbegehren-gegen-Pflegenotstand/!5593510 | |
[4] /Karlsruher-Entscheid-zu-Atomtransporten/!5825099 | |
[5] /Verfassungsgericht-urteilt/!5943673 | |
[6] https://dip.bundestag.de/vorgang/munitions-und-r%C3%BCstungsexporte-%C3%BCb… | |
## AUTOREN | |
Alina Götz | |
## TAGS | |
Hamburg | |
Verfassungsgericht | |
Hamburger Hafen | |
Rüstungsexporte | |
Waffenlieferung | |
Waffenhandel | |
Hamburg | |
Stadtland | |
Rüstungsexporte | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
Volksinitiative | |
Hamburger Hafen | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Verfassungsgericht stoppt Volksbegehren: Hamburg darf weiter klotzen | |
Die Volksinitiative für ein Bebauungsverbot von Grünflächen ist vor Gericht | |
gescheitert. Der Hamburger Senat hatte geklagt, wie gegen jede Initiative. | |
Hamburg blockiert Volksinitiativen: Digital könnte so viel besser sein | |
Bei Volksinitiativen will es Hamburg analog. Obwohl das gesetzlich anders | |
geregelt ist, sollen sie nur mit Zettel und Stift unterstützt werden | |
dürfen. | |
Deutsche Rüstungsexporte: Bombige Geschäfte | |
Die deutschen Rüstungsexporte steuern in diesem Jahr auf ein Allzeithoch | |
zu. Hauptverantwortlich dafür ist die militärische Unterstützung der | |
Ukraine. | |
Militäranalyst zur Offensive der Ukraine: „Schuld hat nicht nur der Westen“ | |
Der Militärexperte Franz-Stefan Gady berät Regierungen in den USA und | |
Europa. Er erklärt, welche Waffen die Ukraine in diesem Krieg braucht. | |
Rüstungsexporte über den Hamburger Hafen: Kein Tor zur friedlichen Welt | |
Gegen den Transport und Umschlag von Rüstungsgütern im Hamburger Hafen: Das | |
Landesverfassungsgericht verhandelt am Mittwoch über die Volksinitiative. | |
Hamburger Volksini über Rüstungsexporte: „Waffen sind keine Lösung“ | |
Die „Volksinitiative gegen Rüstungsexporte“ startet in die zweite Phase. | |
Sprecher Martin Dolzer zur Frage, ob es gerade die richtige Zeit dafür ist. |