# taz.de -- Hamburger Volksini über Rüstungsexporte: „Waffen sind keine Lö… | |
> Die „Volksinitiative gegen Rüstungsexporte“ startet in die zweite Phase. | |
> Sprecher Martin Dolzer zur Frage, ob es gerade die richtige Zeit dafür | |
> ist. | |
Bild: Haben das Volksbegehren eingereicht: Vertrauensleute Martin Dolzer, Monik… | |
Taz: Herr Dolzer, wie weit ist Ihre Volksinitiative “Stoppt die | |
Rüstungsexporte im Hamburger Hafen“? | |
Martin Dolzer: Wir haben die [1][erste Etappe geschafft] und 16.442 | |
Unterschriften eingereicht. Im März gab es dann eine [2][Anhörung im | |
Wirtschaftsausschuss der Bürgerschaft] mit einer intensiven Diskussion. | |
Weil die Bürgerschaft unsere Forderung nicht übernimmt, haben wir nun als | |
zweiten Schritt zum 1. Mai das Volksbegehren angemeldet. Das heißt, wir | |
müssen im Herbst in drei Wochen 70.000 Unterschriften sammeln. | |
Was ist Ihre Kernforderung? | |
Die Bürgerschaft soll ein Gesetz verabschieden, das den Transport und | |
[3][Umschlag von Rüstungsgütern] über den Hamburger Hafen verbietet. | |
Ist es nach dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine nicht ein richtiges | |
Anliegen zum ungünstigen Zeitpunkt? | |
Nein. Jeder Krieg bedeutet unendliches Leid und Zerstörung. Wir sind auf | |
der Welt mit vielen Kriegen konfrontiert und es ist keine Lösung, Waffen zu | |
schicken. Die Lösung muss immer ein diplomatischer Weg sein, die | |
Verständigung der Menschen, der Staaten. Das zeigt die Geschichte. Deshalb | |
ist es gerade jetzt eine wichtige Initiative. | |
Brauchen die Ukrainer nicht Waffen für Verteidigung? | |
Es gibt mehr als genug Waffen auf der Welt. Ich habe zehn Jahre | |
Kriegsverbrechen in der Türkei und im Mittleren Osten dokumentiert. Und die | |
Menschen, die von den Kriegen betroffen sind, sagen oft: Gut, dass du das | |
dokumentierst und in Europa bekannt machst. Wichtiger ist aber, | |
Rüstungsexporte zu stoppen. | |
Nun denken auch Friedensbewegte gerade, wir müssen der Ukraine mit Waffen | |
helfen. | |
Ich kann emotionale Herangehensweisen und Meinungsänderungen analytisch | |
nachvollziehen. Nur frage ich mich: Warum wird in vielen Medien in Bezug | |
auf Kriege das Bild so asymmetrisch gezeigt? Im Nordirak greift die Türkei | |
weitflächig an, da gibt es wieder Berichte von Chemiewaffen gegen die | |
kurdische Bevölkerung und Stellungen der Guerilla. Und da schreit niemand | |
auf, niemand fragt nach Waffen, damit die Menschen sich verteidigen. | |
Waffenlieferungen sind immer falsch, es muss Verhandlungslösungen geben. | |
Wie macht man Frieden? Frieden macht man über Kultur, über | |
Völkerverständigung. Das wissen wir aus unseren Erfahrungen nach dem | |
Zweiten Weltkrieg. | |
Da halfen amerikanische Panzer, Hitler zu besiegen. | |
Ja, und sowjetische, englische und französische. Aber damals ging es gegen | |
einen Faschismus, den ein Großteil der Bevölkerung Deutschlands mitmachte. | |
Um den niederzuschlagen, gab es Krieg. Und das war richtig. Momentan haben | |
wir geostrategische Konflikte, aber kein faschistisches Land, dass die Welt | |
erobern möchte. | |
Aber ein Land, das in Europa ein anderes angreift. Angenommen, die Ukraine | |
braucht Waffen, die aus den USA über Hamburgs Hafen kommen. Das wäre | |
verboten? | |
Wir wollen nicht, dass Waffen über Hamburgs Hafen transportiert werden. | |
Schauen wir uns die Position von Erich Vad an, dem ehemaligen Berater der | |
Regierung Merkel. Der sagt, die Lieferung von Waffen in diesen Krieg ist | |
unsinnig, weil es genau jetzt möglich ist, Frieden zu schließen, wenn alle | |
wollen. Momentan ist es die US-Regierung, die am wenigsten diesen Krieg | |
stoppen will. Weitet er sich aus, findet er in ganz Europa statt. Wir | |
wollen eine diplomatische Lösung. Im Sinne der Bevölkerung müsste die | |
Bundesregierung diese vorantreiben anstatt Waffenlieferungen. | |
Die SPD fragt laut Ausschussprotokoll, wie die Versorgung der Bundeswehr | |
gesichert ist, wenn keine Ausrüstung verschifft werden kann? | |
Die ist nicht auf den Hamburger Hafen angewiesen. Es gibt viele andere | |
Wege. Haben wir unser Anliegen durchgesetzt, können weitere Ziele folgen. | |
Beispielsweise, dass die Rüstungsbetriebe auf zivile Produktion umstellen. | |
Jeder Mensch möchte in Frieden leben, weil nur im Frieden ein | |
menschenwürdiges Leben möglich ist. Und das passiert nicht, wenn man | |
Staaten und Akteure aufrüstet und dann oftmals auch noch dafür sorgt, dass | |
es Konflikte untereinander gibt. Frieden entsteht ohne Rüstung, durch | |
Beachtung des Völkerrechts und dadurch, dass schrittweise alle Akteure zum | |
friedlichen Miteinander kommen. | |
Im Ausschuss war auch die Frage: Wie sollte die Bundesrepublik ihren | |
Verpflichtungen in der Nato nachkommen? | |
Es steht ja in keinem Nato-Vertrag, dass Rüstungsgüter über Hamburg | |
transportiert werden müssen. | |
Bremen wollte Atomtransporte verbieten. Da sagt das | |
[4][Bundesverfassungsgericht]: Das ist Bundessache. Ist das bei | |
Rüstungsexporten nicht genauso? | |
Nein. Nukleare Transporte sind im Grundgesetz anders geregelt. Da | |
entscheidet der Bund, dass sie stattfinden und über welchen Weg. Bei | |
Rüstungs-Transporten wird auf der Bundesebene nur entschieden, ob sie | |
stattfinden. Wir haben unseren Text ja mit Bedacht formuliert. Senat und | |
Bürgerschaft sollen eine gesetzliche Regelung finden. | |
Aber Senatsvertreter sahen das im Wirtschaftsausschuss anders: Laut | |
Grundgesetz sei Außenhandel und Kriegswaffenkontrolle Bundessache. | |
Es ist juristisch betrachtet falsch, zu sagen, das sei eindeutig. Es gibt | |
verschiedene Rechtsauffassungen und mehrere Möglichkeiten auf Landesebene | |
Rüstungstransporte zu verbieten. Gutachten belegen das. Also liegt es am | |
politischen Willen. | |
Findet Hamburgs Senat eine Volksinitiative fraglich, ruft öfter [5][das | |
Verfassungsgericht an]. Rechnen Sie damit? | |
Nach der Anhörung kann man leider davon ausgehen. So wird die | |
Volksgesetzgebung in Frage gestellt. | |
Das verzögert? | |
Sicher. Es werden über längere Zeit Papiere mit Rechtsauffassungen | |
ausgetauscht, bevor es zur Verhandlung kommt. | |
Die Grünen weisen auf die Ampel im Bund. Die plane eh ein schärferes Gesetz | |
für die Rüstungsexporte. Ist das keine Option? | |
Bis jetzt waren alle gesetzlichen Regulierungen derart zahnlose Tiger, dass | |
die meisten Rüstungsgüter nach Saudi-Arabien oder in die Türkei gehen, | |
obwohl dort die Menschenrechte und das Völkerrecht mit Füßen getreten | |
werden. | |
Gab es in der Initiative nach Beginn des Krieges Diskussion, ob das der | |
richtige Weg ist? | |
Wir haben das eingeordnet in die weltpolitische Lage. Auch die Weiteren | |
Kriege im Jemen, im Nordirak, in Syrien, in Mali und weiteren Ländern im | |
Blick denken wir: Jetzt ist unsere Initiative wichtiger denn je. | |
Die dritte Etappe wäre eine Volksabstimmung. Könnte es sein, dass sie die | |
verlieren? | |
Davon gehen wir bisher nicht aus. Regelmäßig lehnen 70 und 80 Prozent der | |
deutschen Bevölkerung Rüstungsexporte und Auslandseinsätze ab. | |
30 Apr 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Verbot-von-Ruestungsexporten/!5716175 | |
[2] https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/79212/protokoll_der_oeffen… | |
[3] https://ziviler-hafen.de/ | |
[4] /Reaktionen-auf-Atomtransport-Urteil/!5825078 | |
[5] /Gerichtsurteil-in-Hamburg/!5731252 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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