| # taz.de -- Verfassungsgericht urteilt: Kein Grundeinkommen für Hamburg | |
| > In Hamburg darf ein Volksbegehren für ein bedingungsloses Grundeinkommen | |
| > erstmal nicht durchgeführt werden. Das lässt sich aber korrigieren. | |
| Bild: Nun haben sie die Antwort: Das Volksbegehren darf in der jetzigen Fassung… | |
| Hamburg taz | Das Volksbegehren „Hamburg soll Grundeinkommen testen!“ darf | |
| nicht durchgeführt werden. Der Gesetzesentwurf der Volksinitiative | |
| „Expedition Grundeinkommen“ ist nicht mit höherrangigem Recht vereinbar. | |
| Der Entwurf sei missverständlich, Bürger*innen könnten nicht angemessen | |
| nachvollziehen, welche Konsequenzen die Forderungen der Initiative haben. | |
| In seiner Urteilsbegründung widerspricht das Gericht aber explizit dem | |
| Argument des rot-grünen Senats, Hamburg dürfe sich [1][auf Länderebene] gar | |
| nicht mit diesem Thema auseinandersetzen und nur der Bund sei dafür | |
| zuständig. | |
| „Das Volksbegehren wahrt nicht den Anforderungen, die sich aus dem | |
| Demokratieprinzip zum Schutz der Freiheit der Stimmberechtigten ergäben, | |
| sich für oder gegen den Vorschlag zu entscheiden“, urteilte das | |
| Hamburgische Verfassungsgericht am Mittwoch. Für Rainer Ammermann von der | |
| [2][Volksinitiative] ist das hingegen nicht die wichtigste Aussage des | |
| Urteils: „Das Gericht hat festgestellt: Ein Modellversuch zum | |
| bedingungslosen Grundeinkommen ist prinzipiell mit Landesrecht vereinbar“, | |
| sagt Ammermann. | |
| Die Initiative „Expedition Grundeinkommen“ war 2020 in Berlin gegründet | |
| worden. Sie will wissenschaftlich begleitete Modellversuche für das | |
| bedingungslose Grundeinkommen durchführen. Auch in Hamburg hatte sich | |
| daraufhin eine Unterstützer*innengruppe gebildet. | |
| ## Höchstens 40 Millionen Euro | |
| [3][Sie fordert,] dass in Hamburg mindestens 2.000 Personen eine monatliche | |
| Geldzahlung zur Verfügung gestellt werden soll – voraussetzungslos und ohne | |
| Bedürftigkeitsprüfung über einen Zeitraum von drei Jahren. Die Gesamtkosten | |
| dafür sollten bei höchstens 40 Millionen Euro liegen. Wie sie sich das | |
| Ganze konkret vorstellten, formulierten sie in einem Gesetzesentwurf. | |
| Nachdem sie für diese Forderung im ersten Schritt der Hamburgischen | |
| Volksgesetzgebung Anfang 2020 mehr als 10.000 Unterschriften von | |
| Unterstützer*innen an den Senat übergeben hatten, beantragten sie die | |
| Durchführung eines Volksbegehrens. Der Senat wollte sich zuvor das Ansinnen | |
| nicht zu eigen machen und lehnte eine Umsetzung ab. Zugleich äußerte er | |
| „erhebliche Zweifel“ an der Verfassungsmäßigkeit des Volksbegehrens und | |
| klagte entsprechend vor dem Verfassungsgericht. | |
| Der Senat bemängelte unter anderem, dass das Land Hamburg keine | |
| Gesetzgebungskompetenz für den Gesetzesentwurf habe – diese würde in | |
| Bundeskompetenz fallen. Dass diese Argumentation wackelig ist, hätte dem | |
| Hamburger Senat schon im März 2021 auffallen können. | |
| Die Berliner Kolleg*innen in der dortigen Senatskanzlei kamen damals zu | |
| dem Schluss, dass ein derartiges Volksbegehrens zulässig und insbesondere | |
| mit höherrangigem Recht vereinbar ist. Die Berliner Volksinitiative | |
| scheiterte jedoch letztlich, weil sie nicht genug Unterstützer*innen | |
| fand. | |
| Und so führte diese Argumentation am Mittwoch auch nicht dazu, dass das | |
| Gericht die Durchführung des Volksbegehrens dann ablehnte: Zwar handele es | |
| sich um Gesetzgebung auf dem Gebiet der öffentlichen Fürsorge, denn die | |
| potenzielle Bedürftigkeit der Teilnehmenden solle minimiert oder beseitigt | |
| werden. Der Bund könne hier also ohne Einbeziehung der Länder Gesetze | |
| erlassen. | |
| Indes: „Wenn Materien der öffentlichen Fürsorge nur Bürger*innen eines | |
| bestimmten Landes betreffen, ließen die bundesrechtlichen Vorschriften | |
| jedoch Raum für Landesgesetze, die ein Modellvorhaben zur Weiterentwicklung | |
| des Systems der sozialen Grundsicherung ermöglichen, ohne das bestehende | |
| System zu unterlaufen.“ | |
| Dass das Volksbegehren dennoch nicht durchgeführt werden darf, liegt am | |
| Gesetzesentwurf, der einen Verstoß gegen das Demokratieprinzip darstellt – | |
| da gebe es zu viele Widersprüchlichkeiten und Lücken. So werde es den | |
| Abstimmenden nicht ausreichend ermöglicht, die Auswirkungen des Vorhabens | |
| zu überblicken und die wesentlichen Vor- und Nachteile abzuschätzen. Die | |
| [4][Stimmberechtigten] müssten die Rahmenbedingungen des Versuchs und ihre | |
| Auswirkungen verstehen können. | |
| Unter anderem sei irreführend, dass von einem „bedingungslosen“ | |
| Grundeinkommen gesprochen werde – dabei enthalte der Entwurf Regelungen zu | |
| einer Einkommensanrechnung und zur Prüfung individueller Bedarfe. Auch | |
| würde er das falsche Bild erwecken, mit den monatlich 1.120 Euro für | |
| Erwachsene und 560 Euro für Minderjährige bestehe eine ausreichende | |
| Grundsicherung. Ebenfalls könnten sie nicht überblicken, ob der mit dem | |
| Modellversuch anvisierte Erkenntnisgewinn erreicht werden könnte. | |
| ## „Verloren und doch gewonnen“ | |
| Rainer Ammermann gibt sich deshalb zuversichtlich, einen neuen Anlauf | |
| nehmen zu können: „Für Hamburg hat uns das Gericht einen guten und | |
| detaillierten rechtlichen Rahmen vorgegeben. Es ist positiv, dass das | |
| Gericht die Anforderungen an die Ausgestaltung des Gesetzes präzisiert | |
| hat.“ | |
| Remo Klinger, Anwalt der Volksinitiative, sieht das Urteil positiv. Es habe | |
| ihnen für das weitere Vorgehen die nötige Anleitung an die Hand gegeben. | |
| „Wir haben verloren und doch gewonnen“, sagt er. Das Gericht habe die | |
| grundsätzlichen Bedenken an der Gesetzgebungskompetenz ausgeräumt. | |
| Joy Ponader, Mitgründerin der Expedition Grundeinkommen, will nun mit ihren | |
| Mitstreiter*innen prüfen, wie sie weitermachen wollen. „Allerspätestens | |
| zur Bundestagswahl möchten wir einen Volksentscheid in Hamburg. Daher | |
| bräuchten wir jetzt rasch einen neuen Gesetzentwurf und den zweiten | |
| Anlauf“, sagt Ponader. | |
| 12 Jul 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Nina Spannuth | |
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