# taz.de -- Verfassungsgericht stoppt Volksbegehren: Hamburg darf weiter klotzen | |
> Die Volksinitiative für ein Bebauungsverbot von Grünflächen ist vor | |
> Gericht gescheitert. Der Hamburger Senat hatte geklagt, wie gegen jede | |
> Initiative. | |
Bild: Noch jede Menge Platz zum Zubauen: Ochsenwerder im Hamburger Osten | |
Hamburg taz | Das Hamburgische Verfassungsgericht hat am Freitag die | |
Volksinitiative „Hamburgs Grün erhalten – Klimaschutz jetzt“ gestoppt. S… | |
darf ihr geplantes Volksbegehren nicht durchführen. Ziel der Initiative war | |
es, [1][die Ausweisung neuer Baugebiete auf Grün- und | |
Landwirtschaftsflächen zukünftig zu verbieten]. | |
Das Gericht urteilte nun, eine solche Festlegung sei nicht mit dem | |
Bundesrecht vereinbar. Das sehe bei der Bauleitplanung in den Ländern „eine | |
gerechte Abwägung aller privaten und öffentlichen Belange“ vor, so das | |
Landesverfassungsgericht. Dazu gehörten etwa die Wohnbedürfnisse und die | |
sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung, Belange des Umwelt- | |
und Naturschutzes, der Wirtschaft, der Verkehrsanbindung und der | |
Infrastruktur. | |
Die Volksinitiative hatte 2021 die nötigen 10.000 Unterschriften vorgelegt | |
und im Mai 2022 die Durchführung eines Volksbegehrens beantragt. Der | |
Hamburger Senat hatte den Gesetzesentwurf der Initiative daraufhin dem | |
Landesverfassungsgericht zur Prüfung vorgelegt, mit dem Ziel, die | |
Durchführung des Volksbegehrens für unzulässig zu erklären. Die Regierung | |
des Stadtstaats sah sich dadurch in ihrer Handlungsfreiheit übermäßig | |
eingeschränkt. Neue Stadtteile, wie Hamburg sie derzeit etwa in | |
Oberbillwerder plant, wären damit zukünftig ausgeschlossen gewesen. | |
Die Volksinitiative verfolge mit ihrer Vorlage das Ziel, die Ausweisung | |
neuer Baugebiete für bestimmte Flächen generell auszuschließen, hieß es in | |
der Urteilsbegründung. Damit gehe sie weit über ein städtebauliches Konzept | |
hinaus, das in Bebauungsplanverfahren nur als ein Belang unter vielen | |
abgewägt werden müsste. | |
## Wirkung zu weit in die Zukunft | |
Eine derart teilweise vorweggenommene Entscheidung für die Bauleitplanung | |
werde den Anforderungen des Abwägungsgebots nicht gerecht, so das Gericht. | |
Es schließe für eine Vielzahl unterschiedlicher Flächen im gesamten | |
Hamburger Stadtgebiet Entscheidungen der Bebauungsplanung für alle Zeiten | |
aus, obwohl die jeweils dafür maßgeblichen Belange „noch gar nicht bekannt | |
seien und auch gar nicht bekannt sein könnten“. | |
Die Linksfraktion in der Hamburger Bürgerschaft kritisierte die | |
Entscheidung: „Das Urteil des Verfassungsgerichts bedauere ich sehr“, | |
teilte ihr umweltpolitischer Sprecher Stephan Jersch mit. „Einerseits | |
werden entschiedene Maßnahmen für den Klimaschutz gefordert – darunter auch | |
der Stopp der Flächenversiegelung – andererseits wird dem Senat mit diesem | |
Urteil ein Freifahrtschein für weitere Umweltzerstörungen ausgestellt.“ Das | |
Urteil werde die Einhaltung der Pariser Klimaziele weiter erschweren und | |
„den Bulldozern Vorrang vor dem Naturerhalt geben“. | |
Für die Klägerseite begrüßte Grünen-Fraktionschef Dominik Lorenzen das | |
Urteil hingegen: „Wir brauchen beides – die Klimakrise erfordert einerseits | |
mehr Grün und Versickerungsmöglichkeiten, anderseits suchen viele | |
Hamburger*innen bezahlbaren Wohnraum und eine Bleibe für sich und ihre | |
Familien“, teilte er mit. „Mit Blick auf diesen Zielkonflikt war das | |
angemeldete Volksbegehren zu einseitig.“ Das Erreichen einer | |
„Netto-Null-Versiegelung“ sowie eine stetige Aufwertung von Grün- und | |
Naturflächen sei jedoch ausdrücklich das Ziel der Grünen Fraktion. | |
SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf schrieb: „Hamburg behält damit weiterhin | |
seine Handlungsfähigkeit im Sinne einer mit dem Nabu 2019 vereinbarten | |
nachhaltigen Stadtentwicklung. Damals hatte sich der ebenfalls rot-grüne | |
Vorgängersenat mit der vor allem vom Nabu getragenen Volksinitiative | |
„Hamburgs Grün erhalten“ geeinigt und damit einen Volksentscheid | |
abgewendet: 30 Prozent der Landesfläche sind seitdem vertraglich für die | |
Natur geschützt. | |
Auch der Direktor des Verbands norddeutsche Wohnungsunternehmen Andreas | |
Breitner meldete sich zu Wort: „Die sozialen Vermieter atmen auf. Die | |
Ausweisung neuer Baugebiete grundsätzlich zu untersagen, hätte nur | |
bedeutet, dass die Schaffung bezahlbaren Wohnraums fast unmöglich geworden | |
wäre“, ließ er mitteilen. | |
## Hamburgs Senat klagt alles weg | |
Hamburgs rot-grüner Senat hat bisher jede erfolgreiche Volksinitiative vor | |
dem Verfassungsgericht verklagt. Damit hat er verhindert, dass in dieser | |
Legislaturperiode ein einziges Volksbegehren tatsächlich stattgefunden | |
hätte. Schon 2020 hatte das Gericht eine Initiative zur [2][Abschaffung der | |
Schuldenbremse] in Hamburg kassiert. | |
Zwei Jahre später verbot es eine Volksabstimmung mit dem Ziel, | |
[3][Bürgerentscheide auf Bezirksebene für die Stadt verbindlich zu machen]. | |
In diesem Jahr sind bereits eine Initiative [4][gegen Rüstungstransporte | |
über den Hamburger Hafen] und eine [5][für ein Modellprojekt | |
Grundeinkommen] beim Gericht durchgefallen. Die Verfechter des | |
Grundeinkommens starten allerdings derzeit [6][einen neuen Anlauf], der die | |
rechtlichen Hinweise des Urteils mit aufnimmt. | |
Vor drei Wochen hat der Senat auch [7][gegen die Volksinitiative „Hamburg | |
enteignet“ Klage eingereicht]. Die strebt die Vergesellschaftung großer | |
Wohnungskonzerne an. Die Volksinitiative [8][„Schluss mit Gendersprache in | |
Verwaltung und Bildung“] hat die nötigen 10.000 Unterschriften im Juli | |
vorgelegt. Nun muss zunächst die Bürgerschaft über ihren Vorschlag beraten. | |
Hinweis der Redaktion: Wir haben diesen Text mehrfach um eintreffende | |
Stellungnahmen ergänzt. | |
8 Dec 2023 | |
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[1] /Volksini-startet-Unterschriftensammlung/!5795942 | |
[2] /Schuldenbremsen-Ini-soll-gebremst-werden/!5678628 | |
[3] /Direkte-Demokratie-in-Hamburg/!5830696 | |
[4] /Ruestungstransporte-im-Hamburger-Hafen/!5955074 | |
[5] /Verfassungsgericht-urteilt/!5943673 | |
[6] /Grundeinkommen-fuer-2000-Menschen/!5958338 | |
[7] /Klage-gegen-Volksinitiative/!5969618 | |
[8] /Hamburger-Anti-Gender-Volksinitiative/!5916175 | |
## AUTOREN | |
Jan Kahlcke | |
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