Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Luftfahrt in der Klimakrise: Der Traum vom grünen Fliegen
> Kraftstoffe, die nicht auf Erdöl basieren, gelten als Hoffnungsschimmer
> der Luftfahrt. Leider lösen sie nicht alle Ökoprobleme des Fliegens.
Bild: Soll demnächst mit 100 Prozent Agrokerosin über den Atlantik fliegen, B…
Berlin taz | Es klingt toll: trotz [1][Klimakrise] fliegen, in den Urlaub,
zu internationalen Konferenzen, zu weit entfernten Familienmitgliedern –
ohne die Atmosphäre zu belasten. Das wollen Airlines mit nachhaltigen
Kraftstoffen möglich machen, die nicht auf fossilen Energieträgern
basieren. Kann das klappen?
Hinter der Idee stecken unterschiedliche Technologien. Zum Beispiel
Agrokerosin. Die Branche spricht lieber von SAF, kurz für das englische
[2][Sustainable Aviation Fuel], oder von Biokerosin. Das heißt: Als Basis
für die Kraftstoffe dienen Pflanzen in verschiedensten Formen, zum Beispiel
Stroh, Klärschlamm, altes Speiseöl, aber auch eigens angepflanzte
Energiepflanzen wie Jatropha und Leindotter oder Algen.
Flugzeuge, die mit Agrokerosin fliegen, stoßen trotzdem das klimaschädliche
Treibhausgas Kohlendioxid aus – aber eben nur so viel, wie die Pflanzen
der Atmosphäre zu Lebzeiten entzogen haben. Das ist zumindest die Theorie,
die Praxis kann ganz anders aussehen. Kohlendioxid wirkt hoch in der Luft,
wo Flugzeuge es ausstoßen, stärker als am Boden, wo die Pflanzen es
aufgesogen haben. Und wenn zum Beispiel für den Anbau von Energiepflanzen
wertvoller Wald abgeholzt wird, ist der Klimaschaden enorm.
Bei der Produktion von Agrokerosin wird zudem Energie genutzt, die bisher
nicht nur auf erneuerbaren Quellen beruht. Es gibt also versteckte
Emissionen. Je nachdem, aus welchem pflanzlichen Material das Agrokerosin
besteht und wie es hergestellt wird, kann es sogar mehr schaden als nützen,
warnen Umweltschützer:innen immer wieder. Die beste Bilanz haben
Kraftstoffe aus Resten und Müll.
Noch dürfen Flugzeuge im kommerziellen Einsatz gar nicht ausschließlich mit
Agrokerosin laufen. Die internationale Standardisierungsorganisation ASTM
lässt dafür höchstens eine hälftige Beimischung zum fossilen Kerosin zu.
Einen ersten transatlantischen Testflug mit 100 Prozent SAF hat allerdings
die Fluggesellschaft Virgin Atlantic angekündigt. Im November soll eine
Boeing 787 von London nach New York fliegen.
Technisch sieht es also ganz gut aus mit dem pflanzenbasierten Flugbenzin.
Neben der Tatsache, dass es eben doch keine klimatische Nullbilanz
ermöglicht, gibt es aber noch ein Problem: den Preis. Die SAFs seien
momentan fünfmal so teurer wie fossiles Kerosin, hat etwa die Lufthansa
Ende Juli gewarnt. Die These, dass die nachhaltigen Kraftstoffe mit der
Zeit billig würden, nennt die Fluggesellschaft „dünn“.
Sie argumentiert: Biomasse sei eben nur begrenzt verfügbar. Pflanzlichen
Müll und Ackerflächen für neue Energiepflanzen gibt es eben nicht
unendlich, außerdem besteht gerade bei Letzteren immer eine Konkurrenz zu
Pflanzen für die Ernährung. Die Lufthansa stützt sich auf eine Studie der
Unternehmensberatung Bain. „Selbst nach 2050 wird SAF, so die Prognose,
noch etwa zwei bis viermal teurer sein als herkömmliches Kerosin.“ Deshalb
sind europäische Airlines auch unglücklich darüber, dass die
[3][Europäische Union] sie künftig zur Beimischung von nachhaltigen
Kraftstoffen zwingen will. Es geht allerdings erst mal kosmetisch los: 2025
sollen Flugzeug-Kraftstoffe 2 Prozent „grüne“ Kraftstoffe enthalten.
Neben Agrokerosin gibt es noch weitere Ansätze für nachhaltiges Flugbenzin.
Zum Beispiel synthetische Kraftstoffe, die aus Wasserstoff und Kohlendioxid
hergestellt werden können – unter Einsatz von sehr viel (hoffentlich
Öko-)Strom. Die sind allerdings noch teurer, kosten laut Lufthansa bis zu
zehnmal so viel wie fossiles Kerosin. Wie sich der Preis entwickeln wird,
ist laut der Airline zudem „völlig ungewiss“. Diese synthetischen
Kraftstoffe gibt es bisher nämlich nur in Labormengen.
Der [4][Traum vom grünen Fliegen] wird also vorerst genau das bleiben: ein
Traum. Das hängt auch damit zusammen, dass Fliegen gar nicht nur wegen des
Kohlendioxids aus dem fossilen Kerosin klimaschädlich ist. Noch stärker
fällt die Wirkung von Kondensstreifen und Stickoxiden ins Gewicht. Diese
Probleme lösen auch die alternativen Kraftstoffe nicht. Zum Klimaschutz im
Luftverkehr gehört also zwangsläufig: weniger fliegen.
29 Jul 2023
## LINKS
[1] /Schwerpunkt-Klimawandel/!t5008262
[2] /Erneuerbare-Treibstoffe-fuer-Flugzeuge/!5783596
[3] /Neue-Richtlinie-fuer-Flugzeugkraftstoffe/!5927581
[4] /Klimaneutralitaet-in-der-Luftfahrt/!5847481
## AUTOREN
Susanne Schwarz
## TAGS
Luftfahrt
Ökologie
Nachhaltigkeit
Schwerpunkt Klimawandel
Luftverkehr
Privatjet
Schwerpunkt Klimawandel
Flugzeug
Flugzeug
Schwerpunkt Klimawandel
Schwerpunkt Klimawandel
Luftfahrt
Klimaneutralität
Wacken
Schwerpunkt Klimasabotage
Schwerpunkt Klimawandel
Schwerpunkt Klimawandel
## ARTIKEL ZUM THEMA
Privatjetflüge aus Vergnügen: Superreiche reisen klimaschädlich
Offiziell reisen Superreiche oft „geschäftlich“ im Privatjet. Eine
Greenpeace-Studie zweifelt das an – und weist auf die hohen CO2-Emissionen
hin.
Mehr Flüge und teurere Tickets: Airlines machen Milliardengewinne
Fluggesellschaften fuhren 2023 27,4 Milliarden Dollar Profit ein. Nicht
genug, sagt die Branche. Dabei wird sie zumindest in Deutschland
subventioniert.
Neue Ermittlungen bei Boeing: Prüfberichte gefälscht
Beim Bau von Langstrecken-Jets wurden Verbindungen zwischen Tragfläche und
Rumpf nicht überprüft. Nicht zum ersten Mal ermittelt die US-Aufsicht.
Neues Problem bei Boeing 737: Jet verliert Triebwerk-Teile
An einer Boeing 737 löst sich die Abdeckung eines Triebwerks – in der Luft.
Der Jet muss umkehren. Es ist nicht der erste Vorfall bei dem
Flugzeugbauer.
Klimaschädlicher Verkehr: Kurzflüge sind out
Für Reisen innerhalb Deutschlands wählen viel weniger Menschen das Flugzeug
als noch vor der Pandemie. Das zeigen Daten des Statistischen Bundesamts.
Klimaschädliches Reisen: Fliegen wird teurer
Von Deutschland aus in die Welt zu jetten dürfte nächstes Jahr mehr kosten.
Der Grund: Die Bundesregierung erhöht die Abgabe auf Flugtickets.
Nachhaltige Luftfahrt: Airbus setzt auf Ökokerosin
Der Flugzeugbauer Airbus will künftig mit einem US-Start-up klimaneutrale
Treibstoffe produzieren. Sie sollen aus Ökostrom und Holzresten entstehen.
Verdrängte Flugscham: Das Blaue vom Himmel
Die Deutschen machen mehr Flugreisen als je zuvor. Um die Flugscham
abzumildern, erzählen Fluggesellschaften Märchen vom klimafreundlichen
Fliegen.
Lektionen der Woche: Ähm-Eis und Matsch
Wacken ist nicht Woodstock, Aktionäre sind gierig und Fußball nun
gleichberechtigt. Fünf Dinge, die wir diese Woche gelernt haben.
Airline-Lobbyismus beim Emissionshandel: Ganz schön dünne Luft
Auch Flugreisen werden Teil des EU-Emissionshandels. Doch ausgerechnet die
besonders klimaschädlichen Langstreckenflüge sind davon ausgenommen.
Klimaschutz in der Luftfahrt: Nur grünes Fliegen ist schöner
An diesem Montag startet die erste Produktion von CO2-neutralem Flugbenzin
in Deutschland. Zurück geht die Anlage auf eine Klimaschutzorganisation.
Erneuerbare Treibstoffe für Flugzeuge: Technisch machbar, aber noch teuer
Wasserstoff, Treibstoff aus Holz, Algen oder Reststoffen sind ein Thema in
der Luftfahrt. Sie werden als Kerosin-Ersatz durchgespielt und getestet.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.