Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Flüchtlingsgipfel der Union: „Die Luft brennt“
> Beim Flüchtlingsgipfel der Union sparen Lokalpolitiker*innen nicht
> mit Katastrophen-Rhetorik. Die Lage scheint drastisch in den Kommunen.
Bild: CDU-Chef Friedrich Merz spricht beim Geflüchtetengipfel: Jede Menge Ärg…
Berlin taz | Die Diagnosen sind dramatisch: „Die Luft brennt“, sagt einer.
„Das Land treibt auseinander“, ein anderer, „die Stimmung kippt.“ Oder:
„Wir schaffen das nicht mehr“. Die eingeladenen Lokalpolitiker*innen
sparen beim Flüchtlingsgipfel der Unionsfraktion nicht mit
Katastrophen-Rhetorik. Sie fürchten, die [1][hohen Belastungen durch
Aufnahme und Versorgung von Geflüchteten] könnten die Gesellschaft
überfordern.
CDU und CSU präsentieren das Gipfeltreffen am Donnerstagabend als Versuch,
solche Horrorszenarien abzuwenden. „Ohne Parteipolitik“, wie CDU-Chef
Friedrich Merz immer wieder betont. Trotz solcher Beteuerungen ist klar,
[2][dass der Union die Situation nicht ungelegen kommt]. Der Unterton an
diesem Abend: Die Ampelparteien SPD, Grüne und FDP seien verantwortlich für
die Probleme bei Flüchtlingsaufnahme und Unterbringung.
Tatsächlich scheint die Bundesregierung dem Thema bisher keine allzu große
Bedeutung beizumessen. Fast 200.000 Asylanträge gab es letztes Jahr, dazu
kamen noch einmal bis zu einer Million Geflüchtete aus der Ukraine. Viele
Kommunen sind an der Belastungsgrenze. Zwar gab es zwei offizielle
Flüchtlingsgipfel mit Bundesinnnenministerin Nancy Faeser (SPD) – einmal im
Oktober und einmal [3][im Februar] – [4][nur kam bei denen nicht viel
heraus]. Kein zusätzliches Geld für die Versorgung der Geflüchteten, keine
Strukturreform bei der Aufnahme. Die Kommunen ächzen unter der Belastung
weiter. Das greift die Union nun auf.
Dabei zeigt sich am Donnerstagabend aber schnell, dass der Einladung von
CDU und CSU hauptsächlich deren eigene Lokalpolitiker*innen
nachgekommen sind. Fast alle Wortmeldungen sind von Männern. Fast alle
stammen sie aus dem ländlichen Raum. Ein Bürgermeister aus dem Chiemgau
lädt alle Anwesenden im breiten bayerischen Dialekt zum Urlaub in seinen
Kreis ein.
## Bundespolitiker*innen erstaunlich leise
Die meisten, die sich zu Wort melden, fordern vor allem schnellere
Abschiebungen. Teils kippt das ins Ressentiments ab. Eine Landrätin aus der
Uckermark spricht über Kriminalität von „tschetschenischen Familien“ in
ihrem Kreis. Ein Bürgermeister aus dem Erzgebirge raunt, für die
Renovierung von Kitas sei kein Geld da, während für Flüchtlinge extra
Buslinien eingerichtet werden müssten.
Aber es gibt auch Wortmeldungen, die ohne rassistische Untertöne auskommen.
Ein Landrat aus Hessen beklagt: „Es fehlt der Wohnraum, das Personal, die
Erzieher und Lehrer.“ Und eine Bürgermeisterin aus Brandenburg wünscht sich
vor allem bessere Kommunikation durch Landes- und Bundesbehörden. Mehr Geld
und Unterstützung durch den Bund wollen sowieso alle, die sprechen.
Prominente Bundes- und Landespolitiker*innen der Union spielen an
diesem Abend nur eine kleine Rolle. CSU-Landesgruppenchef Alexander
Dobrindt darf kurz sein Mantra für besseren Schutz der Außengrenzen
wiederholen. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer spricht sich
während einer knappen Podiumsdiskussion dafür aus, [5][Fluchtursachen in
den Herkunftsländern entschiedener zu bekämpfen].
Auch CDU-Chef Friedrich Merz hält sich kurz. „Bestärkt“ fühle er sich, s…
er am Ende des Abends. Man wolle nun „lösungsorientiert“ weiterarbeiten.
Was genau das heißen soll, sagt er nicht. Und auch wie die Union als
Opposition im Bundestag überhaupt etwas für die Kommunen tun will, lässt
Merz offen.
## Offizielle Beratungen erst im Mai
Grüne, Linke und Zivilgesellschaft hatten schon im Vorfeld der
Veranstaltung kritisiert, dass die Union das Flüchtlingsthema für
Stimmungsmache nutze, ohne zu Lösungen beizutragen. Filiz Polat,
Migrationsexpertin der Grünen im Bundestag, sagte der taz am Donnerstag:
„Zur Belastungsprobe in der Flüchtlingspolitik wird immer mehr die Union.
Deren Dauerforderungen nach mehr Abschiebungen vergiften die Debatte auf
Kosten Geflüchteter.“ Polat fordert: „Es braucht auch Flexibilität: So
sollte endlich die Wohnverpflichtung in den Erstaufnahmeeinrichtungen
fallen.“ Dadurch könnten die Kommunen deutlich entlastet werden.
Die fluchtpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Clara Bünger,
sagte: „Statt die Situation der Kommunen zu nutzen, um Hass gegen
Schutzsuchende zu schüren, sollten sich FDP und Union lieber mit echten
Lösungen auseinandersetzen.“ Eine Möglichkeit wäre es etwa, allen
Flüchtlingen zu erlauben, außerhalb der Sammelunterkünfte nach eigenen
Wohnungen zu suchen.
Auch Tareq Alaows, flüchtlingspolitischer Sprecher von ProAsyl, sagte der
taz: „Flüchtlinge müssen alternative Wohnmöglichkeiten nutzen dürfen.“ …
„vorgefertigten Positionen“ der Union seien „Stimmungsmache gegen
Flüchtlinge“. Und Nini Delamond vom Bündnis Seebrücke sagte: „Die Kommun…
sind nicht überfordert, weil Menschen fliehen müssen. Die Kommunen sind
überfordert, weil seit Jahren unsere soziale Infrastruktur kaputtgespart
wurde.“
Das Bundesinnenministerium wollte die Unions-Veranstaltung am Donnerstag
nicht kommentieren. Man äußere sich grundsätzlich nicht zu Initiativen von
Parteien, teilte ein Sprecher mit. Die Bundesregierung will am 10. Mai
wieder zu einem offiziellen Gipfeltreffen mit den Kommunen zusammenkommen,
um über die Situation der Geflüchteten zu beraten.
31 Mar 2023
## LINKS
[1] /Unterbringung-von-Gefluechteten/!5924028
[2] /Unionspapier-zur-Migration/!5918751
[3] /Fluechtlingsgipfel-im-Innenministerium/!5912974
[4] /Fluechtlingsgipfel-von-Bund-und-Laendern/!5912880
[5] /Gefluechtete-im-Landkreis-Bautzen/!5919311
## AUTOREN
Frederik Eikmanns
## TAGS
Friedrich Merz
Flüchtlinge
Schwerpunkt Flucht
CDU/CSU
Geflüchtete
Integration
Schwerpunkt Flucht
Nancy Faeser
Schwerpunkt Flucht
Asylrecht
Schwerpunkt Flucht
Schwerpunkt Flucht
antimuslimischer Rassismus
Schwerpunkt Flucht
Nancy Faeser
## ARTIKEL ZUM THEMA
Diskussion um Aufnahme von Geflüchteten: Sicherer Hafen versandet
Lübeck schmückt sich damit, ein „sicherer Hafen“ für Geflüchtete zu sei…
Das Flüchtlingsforum hat daran seine Zweifel und fordert mehr Engagement.
Konferenz der Integrationsminister*innen: Teilhabe statt Grenzschutz
Der Bund müsse Integrationsmaßnahmen besser unterstützen, fordern die
Minister*innen der Länder. Dabei gehe es um mehr als Unterbringung.
Deutsch-österreichische Grenze: Kritik an Grenzkontrollen
Bundesinnenministerin Nancy Faeser verlängert die Kontrollen an der
Binnengrenze zu Österreich. Die Grünen und die Linkspartei kritisieren das
scharf.
Versorgung von Geflüchteten: Städtetag fordert Hilfen vom Bund
Es fehlen Wohnungen, Kita- und Schulplätze sowie Personal für die
Integration von Geflüchteten. Die Kommunen pochen auf mehr Geld vom Bund.
Deutsches Asylsystem: Faeser gegen Flüchtlings-Obergrenze
Innenministerin Nancy Faeser spricht sich dagegen aus, Asylansprüche zu
limitieren. Forderungen nach mehr Unterstützung für die Kommunen weist sie
zurück.
Tadschikischer Oppositioneller: Sieben Jahre Haft für Abgeschobenen
Trotz massiver Warnungen haben deutsche Behörden Abdullohi Shamsiddin nach
Tadschikistan ausgeliefert. Dort wurde er nun direkt verurteilt.
Am Ende der Balkanroute: Ein bisschen Normalität
Bei der Flucht in die EU landen viele Schutzsuchende im italienischen
Triest. Helfer dort geraten zunehmend unter Druck von der rechten
Regierung.
Unterkünfte für Geflüchtete in Hamburg: Bloß nicht noch mal Baumärkte
In Hamburg lobt man sich für die schnelle Bereitstellung von
Flüchtlingsunterkünften. Kritik gibt es jedoch an der Ungleichbehandlung
von Geflüchteten.
Geflüchtete aus der Ukraine: Krise, welche Krise?
Die Situation ähnelt der „Flüchtlingskrise“ von 2015. Doch die Debatte ü…
ukrainische Geflüchtete verläuft anders. Der Grund dafür ist Rassismus.
Flüchtlingsgipfel von Bund und Ländern: Flucht aus der Verantwortung
Der Flüchtlingsgipfel mit Nancy Faeser liefert nur dürftige Resultate. Der
Bund müsste sofort mehr Geld für Strukturen in die Hand nehmen.
Flüchtlingsgipfel im Innenministerium: Faesers Gipfel ohne echtes Ergebnis
Die Bundesinnenministerin hatte am Donnerstag zum Krisentreffen mit Ländern
und Kommunen geladen. Heraus kam dabei nicht viel, und die Kritik ist groß.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.