# taz.de -- Geflüchtete im Landkreis Bautzen: Für menschenwürdige Unterbring… | |
> Der Bautzner Landrat Witschas (CDU) bringt Geflüchtete fast nur in | |
> Sammelunterkünften unter. Vereine und Linken-Politiker wollen ihre Lage | |
> verbessern. | |
Bild: Unterstützer:innen fordern: Recht auf menschenwürdiges Asyl für Geflü… | |
LEIPZIG taz | Kaum ein Landkreis in Sachsen hat [1][so große Probleme bei | |
der Unterbringung von Geflüchteten] wie Bautzen. „Unsere Kapazitäten sind | |
nahezu erschöpft“, heißt es aus dem CDU-geführten Landratsamt. Das liegt | |
aber nicht daran, dass der erzkonservative Landkreis im Osten Sachsens mehr | |
Geflüchtete aufnehmen würde als andere – das macht er nicht –, sondern an | |
der Strategie des Landrats Udo Witschas. | |
Der CDU-Rechtsaußen, der spätestens [2][seit seiner verwerflichen | |
Weihnachtsbotschaft] bundesweit für seine Ressentiments gegenüber | |
Geflüchteten bekannt ist, bringt Asylsuchende überwiegend in | |
Sammelunterkünften unter. Eine dezentrale Unterbringung in Wohnungen lehnt | |
Witschas ab. Bei denjenigen Geflüchteten, die im Kreis Bautzen überhaupt in | |
Wohnungen leben, handelt es sich um vor allem um Menschen, die aus | |
medizinischen Gründen nicht in Sammelunterkünften unterkommen können. | |
Wie eine Umfrage der taz unter allen 13 sächsischen Landkreisen und | |
kreisfreien Städten zeigt, hat Bautzen die mit Abstand höchste Quote bei | |
der zentralen Unterbringung Schutzsuchender. 80 Prozent der 1.635 | |
Geflüchteten leben hier in Sammelunterkünften (Stand 31. Januar). Zum | |
Vergleich: Im angrenzenden Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge sind | |
30 Prozent der Asylbewerber:innen in Gemeinschaftsunterkünften | |
untergebracht, im Kreis Zwickau 36 Prozent, im Vogtlandkreis 13 Prozent, in | |
den Städten Dresden und Chemnitz je 21 Prozent. | |
[3][Witschas Strategie] hat zur Folge, dass sich die Unterbringung von | |
Geflüchteten auf nur wenige Orte im Landkreis konzentriert. Die acht | |
Sammelunterkünfte, in denen bis zu 400 Menschen zusammenleben, verteilen | |
sich auf die Städte Bautzen, Kamenz und Hoyerswerda. Hier und in fünf | |
weiteren Orten sind außerdem 340 Asylsuchende in Wohnungen untergebracht. | |
49 von 57 Kommunen im Landkreis Bautzen beherbergen gar keine Geflüchteten. | |
## Strategie Witschas funktioniert nicht | |
Dass die Strategie des Landrates nicht funktioniert, zeigte sich | |
insbesondere Mitte Dezember, als der Bautzner Kreistag gegen die Anmietung | |
eines leerstehenden Gebäudes in Hoyerswerda stimmte, das Witschas als | |
Sammelunterkunft für 200 Asylbewerber:innen nutzen wollte. Neben der | |
AfD, die die Aufnahme von Geflüchteten generell ablehnt, haben auch Teile | |
der SPD und Linken gegen die Anmietung gestimmt – weil sie eine dezentrale, | |
menschenwürdige Unterbringung in Wohnungen fordern. | |
Nach der Abstimmung teilte Witschas frustriert mit, nun auf kommunale | |
Gebäude ausweichen zu müssen, was er eigentlich habe vermeiden wollen. „Wir | |
haben aber derzeit nichts leerstehend vorrätig, worauf wir einfach | |
zugreifen könnten.“ Wenige Tage später sagte er in seiner | |
Weihnachtsbotschaft, dass er noch keine Lösung gefunden habe – er | |
Geflüchtete aber auf keinen Fall in leerstehenden Häusern oder Wohnungen | |
unterbringen wolle, weil das den sozialen Frieden gefährde. | |
Fragt man das Bautzner Landratsamt, warum Witschas so sehr auf | |
Sammelunterkünfte beharrt, antwortet eine Sprecherin: „Die Unterbringung in | |
Gemeinschaftsunterkünften ist bis zur Anerkennung die durch das Gesetz | |
vorgesehene Regelform.“ Auf den Hinweis, dass der Landkreis Bautzen | |
Geflüchtete ja aber trotzdem größtenteils in Wohnungen unterbringen könne �… | |
so wie viele andere Landkreise auch –, heißt es erneut, dass | |
Gemeinschaftsunterkünfte der „Grundsatz“ seien. | |
Darüber hinaus sei eine Unterbringung von Geflüchteten in Wohnungen | |
aufwendiger als in Sammelunterkünften, sagt die Sprecherin und verweist auf | |
die Kosten für die Ausstattung, das Herrichten der Wohnungen und die | |
Organisation der Betreuung. Sobald weniger als drei Personen je Wohnung | |
unterkämen, sei die dezentrale Unterbringung außerdem teurer. | |
## Freundlichere Aufnahmekultur gefordert | |
Der Verein „Willkommen in Bautzen“, der sich [4][seit Jahren für | |
Geflüchtete engagiert], kritisiert das Landratsamt für sein Kostenargument. | |
Auch vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels sollte Witschas „viel mehr | |
dafür tun, eine freundlichere Aufnahmekultur zu schaffen und nicht nur aus | |
der gegenwärtigen finanziellen Situation des Landkreises die Pflichtaufgabe | |
der Unterbringung so billig wie möglich zu lösen“, teilt Geschäftsführerin | |
Astrid Riechmann auf Anfrage mit. | |
„Im Heim, bei uns häufig noch weit ab vom Schuss und ohne Busverbindung, | |
bleiben die Menschen inaktiv und warten mehr oder weniger nur auf den | |
nächsten Bescheid.“ In Wohnungen gelinge Integration viel besser, und der | |
Landkreis habe aktuell ein „ausreichendes Wohnungsangebot“, sagt Riechmann. | |
Zusammen mit anderen Vereinen und Bündnissen hat der Verein „Willkommen in | |
Bautzen“ den Landrat Anfang Dezember in einem offenen Brief dazu | |
aufgefordert, mehr Geflüchtete dezentral unterzubringen. In Bezug auf die | |
knapp 3.000 Kriegsgeflüchteten aus der Ukraine, die im Landkreis Bautzen | |
fast alle in Wohnungen untergebracht sind, heißt es in dem Brief: | |
„Ukrainerinnen und Ukrainer, welche Anfang dieses Jahres Schutz bei uns | |
suchten, leben nun unter uns, als Nachbarn, als Freunde, als Mitmenschen. | |
Warum sollte dies nicht auch mit Asylsuchenden aus anderen Nationen | |
gelingen?“ | |
Silvio Lang, Kreisvorsitzender der Linken in Bautzen, kritisiert Witschas | |
Strategie der zentralen Unterbringung scharf. „Für alle Massenunterkünfte | |
gilt, dass durch die Belegung von vielen Menschen auf geringem Raum | |
Zustände entstehen, die maximal für kurze Zeit akzeptabel sind.“ Im | |
Gespräch mit der taz berichtet Lang von einer Unterkunft in Hoyerswerda, in | |
der die Zustände über einen längeren Zeitraum „miserabel“ gewesen seien. | |
„Das Dach war undicht, Wasser lief von den Wänden, es schimmelte, 50 | |
Menschen teilten sich eine Toilette“, sagt der Linken-Politiker. Inzwischen | |
wurde das Gebäude saniert und wird als Notunterkunft genutzt. | |
## Dezentrale Unterbringung als Lösung | |
Zusammen mit dem Kamenzer Linken-Stadtrat Alex Theile, der 2022 zur | |
Landratswahl in Bautzen gegen Witschas angetreten ist, plant er ein Treffen | |
mit allen Bürger- und Oberbürgermeister:innen des Kreises, um | |
Lösungen für eine menschenwürdige Unterbringung zu finden. „Wir möchten s… | |
fragen, wie viele Wohnungen sie für Geflüchtete zur Verfügung hätten. In | |
Bischofswerda zum Beispiel gibt es viel Leerstand“, sagt Lang. Er ist fest | |
davon überzeugt, dass eine dezentrale Unterbringung das Kapazitäten-Problem | |
im Landkreis lösen würde. | |
Die Idee für das Treffen hatten die beiden Linken-Politiker im Dezember, | |
nachdem Witschas mit anderen CDUlern einem Antrag der AfD zur Kürzung von | |
Integrationsleistungen für Geflüchtete zustimmte und wenige Tage später in | |
seinem Video gegen Schutzsuchende hetzte. „Wir haben überlegt, was wir tun | |
können, um die Situation für Geflüchtete zu verbessern“, sagt Lang. | |
Zu dem Treffen, das vermutlich Anfang April stattfinden soll, wollen Lang | |
und Theile auch die Kreistagsfraktionen bis auf die AfD einladen, | |
Vertreter:innen des Ausländeramtes sowie Vereine und Initiativen, die | |
Geflüchtete im Landkreis unterstützen. Landrat Witschas soll Lange zufolge | |
keine Einladung erhalten, „weil er im Dezember selbst gesagt hat, keine | |
Ideen für die Unterbringung zu haben“. | |
Vorher noch, am 7. März, trifft sich das Landratsamt mit den Initiativen | |
der Geflüchtetenhilfe, um mit ihnen über die dezentrale Unterbringung und | |
ihren offenen Brief zu sprechen. Neben der Ausländerbeauftragten Anna | |
Pietak-Malinowska, die zu dem Gespräch eingeladen hat, nimmt auch Jörg | |
Szewczyk daran teil. Er ist der erste Beigeordnete des Landkreises und | |
damit zuständig für das Ausländeramt Bautzens. Es gibt also noch Hoffnung, | |
dass sich die [5][Situation für Geflüchteten im Landkreis] künftig bessert. | |
6 Mar 2023 | |
## LINKS | |
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## AUTOREN | |
Rieke Wiemann | |
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