| # taz.de -- Die Beatsteaks in Bautzen: Hier ist schon Pogen politisch | |
| > Die Beatsteaks sind auf AJZ-Tour. In Bautzen zeigt sich, dass ein Konzert | |
| > ohne Statements politisch sein kann und wie vorsichtig Linke dort | |
| > agieren. | |
| Bild: Beatsteaks touren, Konzert in Bautzen | |
| BAUTZEN taz | Dass das Steinhaus in [1][Bautzen] ein umkämpfter Ort ist, | |
| würde man so rein optisch nicht meinen. Cremeweiß gestrichene Fassade mit | |
| hellblauen Fensterrahmen, innen hübsches Parkett und Kunst an den Wänden, | |
| große helle Besprechungszimmer, saubere Toiletten. Nach politischen | |
| Botschaften sucht man lange, [2][nirgends Graffiti], kaum Banner oder | |
| Aufkleber, wo sie nicht hingehören. | |
| Das Flair: eher Montessori-Grundschule als Autonomes Jugendzentrum. „Das | |
| Steinhaus hat eine Transformation hinter sich, die viele noch verdauen | |
| müssen“, sagt Lisa Wendler, 25 Jahre alt. Sie kennt die Einrichtung noch, | |
| wie sie einmal war: zugesprayte Backsteinfassade, alles ein bisschen | |
| kaputter. „Diese Sterilität nach dem Umbau sorgt dafür, dass auch die | |
| bürgerliche Mitte ihren Weg hierhin findet. Und hat gleichzeitig zur Folge, | |
| dass die Subkultur erst mal skeptisch ist“, sagt sie. Wäre das Steinhaus | |
| ein Mensch, es würde bloß nicht provozieren wollen. | |
| Während Wendler spricht, wuseln Kolleg:innen um sie herum, rufen sich | |
| über den Hof hinweg Anweisungen zu, im Hintergrund dröhnt der Soundcheck – | |
| denn heute findet hier eine Veranstaltung statt, die bestenfalls beide | |
| Gruppen anlockt. Mitte und Subkultur. Die Berliner Band Beatsteaks macht | |
| auf ihrer Tour durch ostdeutsche Jugendclubs Halt in Bautzen. | |
| Ungewöhnlicherweise steht da jetzt also ein Nightliner auf dem Parkplatz | |
| des Steinhauses, die knapp 400 Tickets waren sofort ausverkauft. | |
| ## Kein „Schutzraum für wenige“ | |
| Sie wolle „das Angenehme mit dem Nützlichen“ verbinden, hatte die Band | |
| vorab verkündet, und dort auftreten, „wo der Gegenwind besonders doll ist“. | |
| Nordhausen, Roßwein, Görlitz, Cottbus, Halberstadt zum Beispiel. Und eben | |
| Bautzen. Dass der „Gegenwind“ [3][in der 40.000-Einwohner-Stadt eher | |
| Tornadoqualitäten hat], hatte zuletzt der Wahlabend gezeigt. Die AfD, eh | |
| schon stärkste Kraft im Stadtrat, gewann noch zwei Sitze dazu und ließ | |
| sogleich wissen, sich zuallererst das Steinhaus vorknöpfen zu wollen. Man | |
| werde „einen ganz großen Blick auf die Finanzierung“ werfen, sagte | |
| AfD-Spitzenkandidat Ralph Nitschke noch in der Nacht zum Montag. | |
| Es ist nicht der erste Angriff auf das soziokulturelle Zentrum, in dem man | |
| Töpfern, Schach spielen, Yoga, Theater und Hausaufgaben machen oder einfach | |
| nur rumhängen kann. Erst Anfang des Jahres hatte die Fraktion des | |
| Bürgerbündnisses Bautzen (BBBz) im Kommunalparlament einen Antrag gestellt, | |
| dem Zentrum künftig 60.000 Euro Zuschuss zu streichen. Der Antrag hatte | |
| keinen Erfolg, Lisa Wendler, Netzwerkmanagerin im Steinhaus, wählt ihre | |
| Worte trotzdem mit Bedacht. „Wir waren über diesen Vorstoß erst mal | |
| überrascht, wussten aber auch: Wir finden da eine Lösung, man kann über | |
| alles sprechen.“ Oberste Devise des Steinhauses sei die Transparenz, allen | |
| immer offen zu kommunizieren, in welche Projekte welche Gelder fließen, | |
| sich nicht angreifbar machen: „Wir haben nichts zu verstecken, wir machen | |
| nur unsere Arbeit.“ | |
| Der ehemalige Geschäftsführer des Steinhauses hatte in einem Interview mal | |
| gesagt, dass seine Einrichtung „nicht aus einer ideologischen Bewegung nur | |
| Schutzraum für wenige“ sein solle. Das sei auch immer noch so, sagt Lisa | |
| Wendler, denn anders als in Großstädten, wo man sich in seine Kieze | |
| zurückziehen könne, kenne in Bautzen nun mal jeder jeden, „und da entsteht | |
| natürlich Reibung, wenn die Leute sagen, ihr seid ja nur ein Ort für die | |
| und die“. Als das Steinhaus vor ein paar Jahren die AfD zu einem Wahlforum | |
| einlud, war der Aufschrei in der linken Szene groß. | |
| ## Bloß nicht die Fronten verhärten | |
| Aber mit wem zu reden und mit wem nicht, sei eine Frage, die sich alle | |
| kulturellen Zentren gerade stellen müssen, „weil da so viel dranhängt“. W… | |
| sie damit meint: Die Fronten bloß nicht noch weiter verhärten, man ist ja | |
| schon gefährdet genug. So ist beispielsweise der „Happy Monday“ in Bautzen, | |
| an dem sich das Steinhaus wie viele andere Vereine beteiligt, explizit kein | |
| Gegenprotest zu den Montagsdemonstranten, sondern eine kulturelle | |
| Veranstaltung, bei der alle einfach Spaß haben sollen. Die | |
| Zivilgesellschaft in Bautzen, sie balanciert. | |
| Auch die Beatsteaks geben auf der Bühne später kein einziges politisches | |
| Statement ab. Die Band hatte vorab gesagt, dass die Konzerte in den AJZs | |
| keine „Wir sind mehr“-Veranstaltungen sein sollen, kein „Wir gegen die | |
| anderen.“ Es gehe auch darum, Menschen in die Jugendzentren zu locken, die | |
| vorher vielleicht Berührungsängste hatten. | |
| In Görlitz beispielsweise habe sich ein Herr erkundigt, warum da so ein | |
| Auflauf wäre vor dem „kleinen Laden“ und dann gesagt „Ach, ich wollte hi… | |
| ja immer mal hin, hab mich aber nicht getraut“, erzählt Peter Baumann, | |
| Gitarrist der Band vor der Show im Backstage. Ihr Gefühl nach einem halben | |
| Dutzend Konzerten in den ostdeutschen AJZs: Niemand da macht Dienst nach | |
| Vorschrift, alle sind „wahnsinnig engagiert“. Trotz Morddrohungen, | |
| eingeschlagener Fensterscheiben, und der konstanten Sorge vor gekürzten | |
| Fördermitteln. | |
| Die schon seit über einem Jahr geplante Tour sei auf ungute Art „perfektes | |
| Timing“, darüber könne man sich natürlich nicht freuen, „aber irgendwie … | |
| bisschen doch“, sagt Schlagzeuger Thomas Götz. „Man kam sich zumindest | |
| etwas weniger blöd vor zu Hause auf dem Sofa beim Beobachten der | |
| Wahlergebnisse.“ | |
| Um die Wahlergebnisse soll es vor Publikum dann aber nicht gehen. Die | |
| Beatsteaks geben ein Konzert, wie es überall hätte stattfinden können, | |
| versprechen bloß am Schluss, dass es dieses Mal keine 28 Jahre dauern wird, | |
| bis sie zurückkommen. Als ersten Song spielen sie „Traumschiff“, eine neue | |
| Single vom demnächst erscheinenden Album „Please“. „Some trouble is comi… | |
| some trouble might go“, heißt es da in den Strophen, und im Refrain: „Don�… | |
| give up, don’t give up, don’t give up, no, don’t give up, now, don’t gi… | |
| up.“ Es klingt ein bisschen wie eine Beschwörung. Nach einer guten halben | |
| Stunde in dem kleinen Saal tropft der Schweiß von der Decke, Brillen | |
| beschlagen, es ist unglaublich heiß und unglaublich ausgelassen. | |
| ## Der süßeste Moshpit ever | |
| Die Crowd ist text- und moshpitsicher bei Klassikern wie „Hand in Hand, | |
| „Cut off the top“ und „I don’t care as long as you sing“. „Detracto… | |
| einen weiteren neuen Song, streut die Band ohne Ansage in der Mitte ein. | |
| Während „Gentleman of the year“ dreht Frontmann Arnim Teutoburg-Weiß eine | |
| ausgiebige Runde durchs Publikum, begrüßt gefühlt jeden Gast einzeln. | |
| Der Altersschnitt war „so 35“, schätzt Anna Lina im Anschluss. Sie ist 16 | |
| Jahre und heute mit ihrer Freundin Charlotte, 15, hier. „Aber cool, mit | |
| Leuten, die ein bisschen älter sind abzuhängen, ist ein neuer Einfluss“, | |
| sagt sie und lacht. Beide haben sich beim Konzert verausgabt, dabei aber | |
| „neue Kraft gesammelt“. Denn seit der Wahl geht es ihnen „beschissen“, … | |
| machen sich Sorgen, dass „was schiefgehen könnte und das Steinhaus nicht | |
| mehr das ist, was es mal war“. Anna Lina macht hier am liebsten Siebdruck | |
| oder trifft Freunde, die Einrichtung bedeutet ihr „übel viel“. Charlotte | |
| kommt meistens für Konzerte und findet gut, dass so viele lokale Bands sich | |
| dort ausprobieren können. | |
| Charlie, ebenfalls 15, ist mit ihrem Vater aus dem 50 Kilometer entfernten | |
| Zittau gekommen, es ist schon ihr zweites gemeinsames Beatsteaks-Konzert. | |
| Die Schülerin engagiert sich im Bündnis „Zittau ist bunt“, das sich jeden | |
| zweiten Montag den rechtsextremen Montagsdemonstranten gegenüberstellt. Sie | |
| weiß aus ihrer aktivistischen Arbeit genau, wie schwierig es ist, große | |
| Bands in die kleinen Städte zu holen und findet es „sehr wichtig“, dass | |
| sich Acts wie die Beatsteaks auch außerhalb von Dresden und Leipzig blicken | |
| lassen. | |
| Kurz politisch wurde es auf der Bühne dann doch, allerdings nicht bei den | |
| Beatsteaks, sondern davor. Das Chemnitzer Duo Tränen spielte spontan als | |
| Vorband und animierte das Publikum während ihres Songs „Duell der Letzten“ | |
| zur „Wall of love“. „Das ist der süßeste Moshpit ever“, rief Sängeri… | |
| Dolyn von der Bühne herunter. „Klein, aber engagiert. So wie die linke | |
| Szene in Sachsen.“ | |
| 24 Jun 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Leonie Gubela | |
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