# taz.de -- Unterkünfte für Geflüchtete in Hamburg: Bloß nicht noch mal Bau… | |
> In Hamburg lobt man sich für die schnelle Bereitstellung von | |
> Flüchtlingsunterkünften. Kritik gibt es jedoch an der Ungleichbehandlung | |
> von Geflüchteten. | |
Bild: Hier sollen bis zu 1.500 Geflüchtete unterkommen: Postbank-Zentrale in d… | |
HAMBURG taz | 200 Geflüchtete aus der Ukraine ziehen am 3. April in die | |
alte Postbank-Zentrale im Hamburger Büroviertel City Nord. Sie sollen dort | |
wohnen, bis es für sie eine längerfristige Unterkunft gibt. In nur drei | |
Monaten hat es die Stadt geschafft, das leer stehende Bürogebäude so | |
herzurichten, dass darin Menschen leben können. | |
Es wirkt, als laufe bei der Unterbringung Geflüchteter vieles reibungsloser | |
als noch während der großen Fluchtbewegung der Jahre 2015/16, als Menschen | |
monatelang [1][in Messehallen, Tennishallen oder aufgegebenen Baumärkten | |
ausharren mussten]. Anfang des Jahres hatte das städtische | |
Sozialunternehmen Fördern & Wohnen (F&W) einen der „Mundsburg | |
Tower“-Wohntürme im innenstadtnahen Stadtteil Uhlenhorst mit 133 Wohnungen | |
gekauft, um dort Geflüchtete unterzubringen. Auch zwei Hotels hat das | |
Unternehmen erworben. Gleich nach dem Beginn des Ukrainekrieges hatte die | |
Stadt unkompliziert Hotels zur Unterbringung von Kriegsflüchtlingen | |
angemietet. | |
Um aus einem alten Bürogebäude Wohnraum zu schaffen, brauche es vieles, | |
erklärt Gabriele von Stritzky, Bereichsleiterin bei F&W, bei einem | |
Pressetermin vor Ort: Fußböden müssen ausgetauscht und Jalousien an den | |
Fenstern angebracht werden. Weil das Bürogebäude nicht über ausreichende | |
Sanitärräume verfügt, wurden davor Duschcontainer aufgestellt. | |
Obwohl eine Woche vor dem Bezugstermin noch nicht alles fertig ist, zeigen | |
sich von Stritzky und Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer (SPD) entspannt: | |
Die Prozesse zur Unterbringung der Geflüchteten hätten sich | |
professionalisiert. Man habe aus der Erfahrung von 2015/16 viel gelernt. | |
„Wir sind viel besser vorbereitet und kennen die Stellschrauben und | |
Knackpunkte“, fügt Arne Nielsson, Sprecher der Geschäftsführung von F&W | |
hinzu. | |
„Ich glaube, dass wir schneller geworden sind“, sagt von Stritzky. Abläufe | |
und Prozesse aus 2015/16 habe man ganz schnell wiederbeleben können. Die | |
Vernetzung insgesamt sei besser: Zwischen F&W und der Sozialbehörde gebe es | |
„engmaschige Besprechungen“. Die Hamburger Sozialbehörde sieht das ganz | |
ähnlich: „Strukturen von damals wurden nicht eingestampft“, sagt der | |
Sprecher der Behörde Wolfgang Arnhold. | |
„Anders als in den Jahren 2015/ 2016 gab es keinen zeitlichen Vorlauf“, | |
sagt Arnhold. Er hebt hervor, dass die Stadt nach dem Angriff Russlands auf | |
die Ukraine sehr schnell habe reagieren müssen. Da aufgrund der | |
Coronapandemie viele Hotels leer standen, [2][boten sich diese als schnelle | |
Lösung an.] | |
Auch aus der Flüchtlingshilfe kommen lobende Worte, was die schnelle | |
Reaktionsfähigkeit der Stadt betrifft: „Da machen die eine gute Arbeit. Die | |
Hallen haben sie schnell versucht, leer zu machen“, sagt Manfred Ossenbeck | |
vom Bündnis Hamburger Flüchtlingsinitiativen. Seit März werden keine | |
Turnhallen mehr zur Unterbringung Geflüchteter benötigt. | |
Wenig Lob kommt dagegen von der Opposition. Nach 2015/16 habe man | |
Unterkünfte für Asylsuchende erneut abgebaut, kritisiert Carola Ensslen, | |
Fachsprecherin der Linksfraktion für Flucht und Migration. So kam es auch | |
2022/23 dazu, dass die Stadt zu Beginn des Angriffs auf die Ukraine erneut | |
Menschen in Hallen und Zelten habe unterbringen müssen. Das sei zwar | |
nachvollziehbar, denn irgendwie müssten die Menschen ja untergebracht | |
werden, räumt sie ein. Dennoch sehe sie hier keine Verbesserung zu 2015/16. | |
Ensslen bemängelt auch, dass viele Geflüchtete bereits seit 2015 | |
durchgängig in öffentlichen Unterkünften leben. Für sie habe sich die | |
Situation nicht gebessert. | |
„Es kommt darauf an, wer kommt“, sagt Ensslen dann und bringt damit die | |
Kritik auf den Punkt, die auch Manfred Ossenbeck teilt. Er sieht große | |
[3][Defizite in der Gleichbehandlung Geflüchteter]. | |
## Ungleichbehandlung beim Sommerfest | |
Ossenbeck erzählt vom Sommerfest der Bürgerschaft 2022, das stehe für ihn | |
exemplarisch für die [4][Ungleichbehandlung]. Die Bürgerschaftspräsidentin | |
Carola Veit lud damals nur geflüchtete Kinder aus der Ukraine ein. „Die | |
Geflüchteten aus anderen Staaten sorgen sich, dass sie hinten runterfallen, | |
wenn es zum Beispiel um den Zugang zu Sprachkursen geht.“ | |
„Ich will niemandem sein Bemühen absprechen“, betont Ossenbeck. Dennoch | |
beobachte er weiterhin eine Überforderung der Bürokratie. Das Amt für | |
Migration sei weiterhin langsam in der Bearbeitung von Anträgen. Dort habe | |
sich die Situation nicht verbessert. Außerdem hätten viele Geflüchtete | |
weiterhin das Problem, dass ihre Abschlüsse nicht anerkannt würden, auch | |
jene aus der Ukraine. | |
Ossenbeck lobt viele Arbeitgeber, die sich im Vergleich zu 2015 entspannter | |
zeigten und Menschen auch ohne die Anerkennung ihrer Abschlüsse einstellen. | |
Die Arbeitgeber lernten schneller als die Regierung, meint er. | |
In die neu geschaffene Unterkunft in der City Nord ziehen ebenfalls | |
ausschließlich Geflüchtete aus der Ukraine. Auch ein Zeichen der | |
Ungleichbehandlung? Schließlich kommen täglich etwa gleich viele | |
Geflüchtete aus anderen Staaten in Hamburg an. | |
Die Sozialbehörde erklärt die Belegpraxis mit rechtlichen Gegebenheiten: | |
Die Interimsstandorte seien einfach ausgestattet und hätten keine Küchen, | |
erklärt Sprecher Arnhold. Menschen mit anerkanntem Schutzstatus hätten | |
hingegen das Recht in einer Folgeunterbringung zu leben, wo sie die | |
„Möglichkeit der Selbstversorgung durch Küchen“ haben. | |
Es gehe in der City Nord nur um das Allernötigste. „Als Maßnahme zur | |
Gefahrenabwehr gemäß dem Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und | |
Ordnung können wir schnell Wohnflächen bereitstellen, sodass Menschen ein | |
Dach über dem Kopf erhalten.“ | |
Insgesamt 900 Menschen sollen im Laufe der Zeit in der City Nord | |
unterkommen. Die restlichen 600 Plätze sollen als Reserve für den Notfall | |
frei bleiben. So plant es die Stadt. Es soll nicht erneut dazu kommen, dass | |
Menschen in Turnhallen oder Baumärkten leben müssen. | |
3 Apr 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Chaos-bei-der-Fluechtlingsunterbringung/!5235351 | |
[2] /Fluechtlingsunterkuenfte-in-Hotels/!5840419 | |
[3] /Gefluechtete-aus-der-Ukraine/!5859774 | |
[4] /Ungleichbehandlung-von-Gefluechteten/!5857593 | |
## AUTOREN | |
Mona Rouhandeh | |
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