# taz.de -- Studie zu Rassismus in der Polizei: Mehr als nur Einzelfälle | |
> Lange wurde über die Polizeistudie gestritten, seit zwei Jahren | |
> geforscht. Nun liegen erste Ergebnisse vor – die teils bedenklich sind. | |
Bild: Polizeistreife bei strömendem Regen | |
BERLIN taz | Es war ein wochenlanges Politikum. Hitzig war im Jahr 2020 | |
über eine [1][Studie zu Rassismus in der Polizei gestritten worden]. Zuvor | |
waren rechtsextreme Polizeichats aufgetaucht, SPD-Chefin Saskia Esken | |
attestierte der Polizei latenten Rassismus. Die SPD und Opposition | |
forderten daraufhin eine Studie ein, der damalige Innenminister Horst | |
Seehofer (CSU) lehnte sie ab. Am Ende stimmte der CSU-Mann doch zu – aber | |
nur ausgeweitet zur [2][allgemeinen Arbeitssituation bei der Polizei]. | |
Nun gibt es erste Ergebnisse der sogenannten „Megavo“-Studie, der | |
Zwischenbericht liegt der taz vor. Und er gibt nur zum Teil Entwarnung. | |
Seit März 2021 hatte ein Forschungsteam um die [3][Strafrechtsprofessorin | |
Anja Schiemann] von der Deutschen Hochschule der Polizei teilnehmende | |
Beobachtungen in 26 Dienststellen absolviert, Expert:innen befragt und | |
Onlinefragebögen an alle Polizeibehörden bundesweit verschickt. Exakt | |
50.825 Fragebögen kamen zurück, was eine Rücklaufquote von 16 Prozent | |
bedeutet – und damit die bisher größte Stichprobe in der Polizeiforschung. | |
Einzig Hamburg und Baden-Württemberg verweigerten eine Teilnahme – | |
[4][Personalräte hatten davon eine Stigmatisierung befürchtet]. | |
Als Motiv der Berufswahl erklärten die meisten Befragten das | |
Gemeinschaftsgefühl und die vielen Tätigkeitsoptionen in der Polizei. Mit | |
ihrer Arbeit zeigt sich die Mehrheit zufrieden. Als Belastungen wurden | |
unplanbare Dienstzeiten, ein Mangel an Ausstattung und Personal sowie die | |
weitere Strafverfolgung durch die Justiz benannt. Auch Gewalt wurde | |
beklagt. So erklärten zehn Prozent der Befragten, schon mehr als drei Mal | |
körperliche Gewalt mit höherem Verletzungsrisiko erfahren zu haben. | |
Abgefragt wurden auch die Einstellungen der Polizist:innen – was an die | |
Ursprungsidee der Studie anknüpft. Hier ordnen sich die meisten Befragten | |
auf einer Links-rechts-Skala mittig ein, mit Tendenz nach rechts. Bei den | |
abgefragten Einstellungen orientierten sich die Forscher:innen an den | |
bekannten Autoritarismus- und „Mitte“-Studien aus [5][Leipzig] und | |
[6][Bielefeld]. Und hier zeigen die Polizeikräfte zumindest bei | |
Muslim:innen und Wohnungslosen eine höhere Ablehnung als die | |
Gesamtbevölkerung. | |
## Höhere Ablehnung von Muslimen und Wohnungslosen | |
Auch die Zustimmung zu einzelnen Aussagen lassen aufhorchen. So stimmten 15 | |
Prozent der befragten Polizist:innen voll oder eher dem Satz zu, dass | |
Demokratie „eher zu faulen Kompromissen“ führe. Ebenso viele erklärten, es | |
lebten „zu viele Ausländer“ in Deutschland. 21 Prozent fanden ganz oder | |
eher, Asylsuchende kämen nur hierher, „um das Sozialsystem auszunutzen“. | |
Und 17 Prozent fühlten sich ganz oder eher „durch die vielen Muslime | |
manchmal wie ein Fremder im eigenen Land“. | |
Ein geschlossenes, menschenfeindliches Weltbild sehen die Forscher:innen | |
indes nur bei einer „sehr kleinen Gruppe“ von unter einem Prozent der | |
befragten Polizist:innen. Gleichzeitig betonen aber auch sie, dass es „mehr | |
als nur Einzelfälle“ seien, die Einstellungen zeigten, die „kaum mit den | |
Leitbildern der Polizei in Einklang zu bringen“ seien. | |
## Viele Polizist:innen äußerten sich indifferent | |
Als problematisch wird auch der große Graubereich von 40 Prozent der | |
Befragten bezeichnet, der sich in Teils-teils-Angaben flüchtete, statt klar | |
demokratische Positionen zu vertreten. Zudem berichteten etliche Befragte | |
auch von internem Fehlverhalten. So erklärten 42 Prozent, dass sie im | |
Dienst sexistische Äußerungen erlebten. Ein Drittel notierte | |
diskriminierende, ausgrenzende oder rassistische Aussagen. | |
Endgültige Ergebnisse will die Studie bis Ende August 2024 vorlegen. | |
Schiemann hatte zu Studienbeginn [7][im taz-Interview betont], dass ihre | |
Forschung unabhängig sei, auch wenn das Projekt vom Innenministerium | |
gefördert wird. Auch der Zwischenbericht soll dem Ministerium nur vorgelegt | |
worden sein, ohne dass dieses zuvor Einfluss nahm. Seehofer hatte in der | |
damaligen Diskussion bereits betont, dass für ihn klar sei, dass [8][99 | |
Prozent der Polizeikräfte verfassungstreu seien]. | |
3 Apr 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Studie-zu-Rassismus-in-der-Polizei/!5720286 | |
[2] /Seehofers-Untersuchung-zur-Polizei/!5737149 | |
[3] /Forscherin-ueber-Seehofers-Polizeistudie/!5757823 | |
[4] /Umfrage-zu-Einstellung-und-Motivation/!5866222 | |
[5] /Autoritarismus-Studie-der-Uni-Leipzig/!5894202 | |
[6] /Studie-ueber-rechtsextreme-Einstellungen/!5777677 | |
[7] /Forscherin-ueber-Seehofers-Polizeistudie/!5757823 | |
[8] /Studie-zu-Rassismus-in-der-Polizei/!5720286 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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