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# taz.de -- Polizeigewalt in Deutschland: Das Dunkelfeld aufhellen
> Eine unabhängige Studie zeigt: Die wenigsten von Gewalt Betroffenen
> stellen eine Anzeige. Zurück bleiben resignierte Opfer.
Bild: Kann man so nicht stehen lassen: Protest in Berlin in Solidarität mit de…
Es ist eine Diskussion in der Dauerschleife. Immer wenn die Polizei wieder
Schmerzgriffe gegen die Letzte Generation verübt, wenn sie Demonstrierende
rabiat verhaftet oder Menschen bei Einsätzen gar zu Tode kommen – dann wird
wieder hitzig über Polizeigewalt diskutiert. Zu Recht. Nur haben sich in
dieser Diskussion längst alle Seiten eingemauert: Für die einen sind all
das Einzelfälle, für die anderen zeigen sie ein strukturelles Problem. Was
stimmt, weiß man nur leider nicht, denn lange Zeit fehlte dazu jegliche
Empirie – auch weil dies Polizei und konservative Politik lange
verweigerten.
Erinnert sei, wie vehement sich der frühere Innenminister Seehofer und die
SPD vor drei Jahren über eine Polizeistudie stritten. Dabei ist klar:
Natürlich braucht es eine solche, um endlich Klarheit zu bekommen. Umso
verdienstvoller ist es, [1][dass ein Team um den Kriminologen Tobias
Singelnstein] nun eine unabhängige Studie vorlegt.
Der bedenkliche Befund: Das Dunkelfeld der Polizeigewalt bleibt hoch, und
Betroffene haben kaum Chancen, gegen Übergriffe anzukommen. Klar ist: Die
Polizei ist befugt, in bestimmten Situationen Gewalt anzuwenden. Aber dass
etwas im Argen liegt, lässt sich schon an den wenigen Zahlen ablesen, die
nun vorliegen. Da wäre etwa [2][der jüngste Zwischenbericht der
Polizeistudie], die Seehofer doch noch in Auftrag gab und wo selbst dort
von „mehr als nur Einzelfälle(n)“ die Rede ist, in denen Polizist:innen
problematische Einstellungen aufzeigten.
Oder da sind die 2.790 Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzungen im Amt
aus dem Jahr 2021. Zu Anklagen kam es fast nie, am Ende gab es gerade mal
27 Verurteilungen – ein Prozent der Fälle. Und: Laut der
Singelnstein-Studie stellten überhaupt nur 9 Prozent der von Gewalt
Betroffenen eine Anzeige. Die allermeisten Fälle von Polizeigewalt bleiben
damit unsichtbar.
Die Gründe liegen auf der Hand. Polizist:innen sind nach Gewaltfällen
oft nicht identifizierbar, Kollegen sagen nicht gegeneinander aus, und vor
Gericht wird den Beamten eher geglaubt. Betroffene resignieren da schon von
vornherein und verzichten auf Anzeigen – auch, um nicht Gegenanzeigen zu
kassieren. Eine fatale Spirale: Denn zurück bleiben Gewaltopfer, die
oftmals lange Zeit an den Folgen leiden. Und denen am Ende nur Ohnmacht
bleibt.
## Polizeibeauftragte können helfen
Das Dunkelfeld der Polizeigewalt aufzuhellen, kann daher nur ein Anfang
sein. Gut ist, dass die meisten Länder inzwischen eine
Kennzeichnungspflicht haben; auch die Bundespolizei soll folgen. Auch
Polizeibeauftragte könnten helfen – als Anlaufstelle für von Gewalt
Betroffene und Intervenierende bei strukturellen Problemen in der Behörde.
Zudem muss gesichert sein, dass bei Vorwürfen Kollegen nicht gegen direkte
Kollegen ermitteln dürfen.
Vor allem aber muss der Wandel von innen kommen – und hier hilft sogar die
Dauerschleifendebatte. Denn sie mahnt die Polizei, sich immer wieder zu
erinnern, dass ihre Gewalt angemessen und die Ausnahme bleiben muss. Dass
Deeskalation und Kommunikation, wo immer möglich, das oberste Gebot sein
sollten. Und dass Gewaltausbrüche und Fehler intern offen thematisiert
werden müssen. Das sollten für eine moderne, demokratische Polizei
Selbstverständlichkeiten sein.
16 May 2023
## LINKS
[1] /Studie-zu-Polizeigewalt/!5935084
[2] /Studie-zu-Rassismus-in-der-Polizei/!5923557
## AUTOREN
Konrad Litschko
## TAGS
Polizeigewalt
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Forschung
Horst Seehofer
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Schwerpunkt Rassismus
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