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# taz.de -- Umweltfreundlicher Verkehr: Binnenschiffe sind nicht die Lösung
> Gütertransport auf Flüssen und Kanälen entlastet die Straßen und ist
> klimafreundlicher als LKW-Verkehr. Die Schiffe stoßen aber viel
> Schadstoff aus.
Bild: Schöner Job: Binnenschiff auf der Weser in Bremen
Bremen taz | Vertreter der Häfen Hamburg und Braunschweig fordern, der Bund
solle sich stärker für die Binnenschifffahrt einsetzen. Die Schiffe seien
ein entscheidender Verkehrsträger für Norddeutschland. [1][Hafen Hamburg
Marketing (HHM)] bezeichnete das Binnenschiff als „Hoffnungsträger“
nachhaltigen Transports. Doch die These vom umweltfreundlichen Binnenschiff
ist zumindest fragwürdig.
HHM reagierte auf eine Prognose des Bundesverkehrsministeriums, die davon
ausgeht, dass der Anteil des Binnenschiffs Verkehrsaufkommen stagnieren
werde. Damit werde das Potenzial der Binnenschifffahrt unterschätzt und
Chancen für die Entlastung der Straßen wie den Klimaschutz vertan,
kritisieren die Industrie- und Handelskammer Braunschweig und Hafen Hamburg
Marketing.
Betrachtet man nur den Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase, ist das
Binnenschiff tatsächlich klimafreundlicher als der LKW. [2][Laut dem
Umweltbundesamt haben Lastwagen im Jahr 2021 ganze 118 Gramm Kohlendioxid
pro Tonnenkilometer in die Luft geblasen], während die Binnenschifffahrt
gerade einmal 33 Gramm pro Tonne und gefahrenen Kilometer ausstieß.
Doch der Treibhausgasausstoß allein qualifiziert nicht zum
umweltfreundlichen Verkehrsmittel. Derselben Quelle zufolge stießen
Binnenschiffe 2021 im Vergleich zu LKWs fast doppelt so viele
gesundheitsschädliche Stickoxide aus und ähnlich viel Feinstaub. Allerdings
ist bei letzterem der Abrieb von Reifen und Bremsen nicht berücksichtigt.
## Das Problem alte Diesel
Die schlechten Stickoxid-Werte der Schiffe liegen zum einen daran, dass sie
mit Schiffsdiesel betrieben werden und zum anderen am Alter der Schiffe und
Motoren. Deshalb gibt es Bestrebungen, Binnenschiffe auf alternative
Antriebe umzurüsten. „Aktuelle Forschungen und Projekte attestieren dem
Verkehrsmittel ein hohes Innovationspotenzial im Bereich der alternativen
Kraftstoffe“, heißt es in der Pressemitteilung von HHM.
Ein Beispiel dafür sind Elektroantriebe. Benjamin Friedhoff,
Wissenschaftler am DST Entwicklungszentrum für Schiffstechnik und
Transportsysteme in Duisburg, warnt jedoch, dass ein Elektroantrieb bei
schwerer Ladung bislang nicht wirtschaftlich sei.
Zum einen wäre eine Batterie mit der nötigen Kapazität, um ein
Gütermotorschiff über größere Distanzen auch gegen den Strom antreiben zu
können, extrem teuer, zum anderen wären die Batterien sehr schwer, wodurch
die Schiffe Probleme mit dem Tiefgang bekommen können, vor allem bei
Niedrigwasser.
Friedhoff zufolge könnten hybride Antriebe eine Zwischenlösung sein, bei
denen die Schiffe zwei bis drei Stunden emissionsfrei fahren könnten und
zudem im Hafen keinen Landstrom benötigten, um die Systeme an Bord zu
versorgen. Langfristig könnten auch Brennstoffzellen und Motoren mit
klimaneutralen Kraftstoffen eine Rolle spielen. Jedoch seien diese
Technologien noch in einem frühen Entwicklungsstadium, was zu hohen Kosten
und Hürden bei der Zulassung führe.
Ein existierender alternativer Kraftstoff ist LNG (Liquefied Natural Gas).
Seine Verbrennung setzt viel weniger CO2, Feinstaub und Stickoxide frei als
Schiffsdiesel. Zudem kann man es zur Stromerzeugung auf dem Schiff nutzen.
In den Häfen von Hamburg, Bremerhaven und Brunsbüttel kann bereits heute
Flüssigerdgas gebunkert werden.
Doch auch das hat mehrere Haken: In den Förderländern wird es häufig durch
umweltbelastendes Fracking gewonnen. Darüber hinaus besteht LNG zum größten
Teil aus Methan, dessen Treibhauswirkung mindestens 25-mal so hoch ist wie
die von CO2. Beim Schiffstransport nach Deutschland aber auch beim Einsatz
als Treibstoff entweicht ein Teil davon.
„Durch diesen sogenannten Methanschlupf gelangt unverbranntes Methan in die
Atmosphäre, wodurch der Vorteil von Gas sehr schnell wieder aufgehoben
ist“, bestätigt [3][Burkhard Lemper vom Institut für Seeverkehrswirtschaft
und Logistik (ISL) Bremen.] Durch technologischen Fortschritt bei der
Motorenentwicklung werde der Methanschlupf aber geringer.
Eine Alternative böte Ammoniak – sei es als Treibstoff, sei es als Träger
für den schwer zu transportierenden Wasserstoff. „Es ist jedoch sehr
giftig“, kommentiert Lemper.
## Die Bahn ist besser
Der Umstieg auf andere Antriebsarten und die Umrüstung der Schiffe ist sehr
teuer. Auch wird es sich nie rechnen, die teilweise 70 Jahre alten Schiffe
umzurüsten. Flottenerneuerungen sind zwar laut Lemper immer wieder in der
Diskussion, doch das scheitere meistens an den hohen Kosten, die von der
Binnenschifffahrt allein nicht getragen werden könnten.
[4][Dazu kommt, dass massiv in die Wasserstraßen investiert werden müsste].
Schleusen müssten neu gebaut oder vergrößert, Brücken höhergelegt werden.
„Momentan fahren die Schiffe auf vielen Flüssen und Kanälen nur mit zwei
Lagen Containern übereinander, da sie sonst nicht unter den Brücken durch
passen würden“, sagt Lemper.
[5][Nicht einfacher wird die Schifffahrt dadurch, dass die Sommer trockener
geworden sind und die] Flüsse weniger Wasser führen. Forderungen, im
Gegenzug etwa die Elbfahrrinne zu vertiefen, stoßen auf den Widerstand von
Umweltschützern, denn der Oberlauf der Elbe ist auf weiten Strecken noch
naturnah und im übrigen Teil eines Biosphärenreservats.
Und dabei sind Binnenschiffe nicht einmal so umweltfreundlich wie die Bahn.
Im Güterverkehr stieß diese laut Umweltbundesamt 2021 gerade einmal knapp
die Hälfte an Treibhausgasen sowie nur einen Bruchteil der Stickoxide und
des Feinstaubes im Vergleich zu Binnenschiffen aus.
5 Apr 2023
## LINKS
[1] /Chinas-Beteiligung-an-Hafenterminal/!5887132
[2] https://www.umweltbundesamt.de/themen/verkehr-laerm/emissionsdaten#tremod
[3] https://www.isl.org/de
[4] /Flussausbau-fuer-den-Klimaschutz/!5781593
[5] /Notstand-der-Fluesse/!5882861
## AUTOREN
Stina Reichardt
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