# taz.de -- UN-Organisation IMO über Schifffahrt: Klimaneutral bis etwa 2050 | |
> Schifffahrtsverbände haben sich verpflichtet: Keine CO2-Emissionen mehr | |
> bis 2050. Nun folgt die UN-Organisation IMO mit einem Beschluss. | |
Bild: Schiffe treiben den weltweiten Handel an, sind aber extrem klimaschädlich | |
London/Hamburg dpa | Im Kampf gegen die Klimakrise muss die Seeschifffahrt | |
weltweit ihre Treibhausgasemissionen bis etwa 2050 auf Null reduzieren. Das | |
sieht ein Beschluss vor, auf den sich die Mitglieder der | |
[1][Weltschifffahrtsorganisation IMO] am Freitag nach langen Beratungen in | |
London geeinigt haben. Auf dem Weg dahin gibt es Zwischenziele mit Marken | |
für die Jahre 2030 und 2040. | |
Außerdem sieht der neue Klimaschutz-Fahrplan der IMO einen Preis für den | |
Ausstoß von Treibhausgasen wie CO2 ab 2027 und globale Standards für | |
klimafreundliche Treibstoffe vor. | |
Die IMO ist eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen und setzt | |
weltweit verbindliche Regeln für die Schifffahrt. Die bisherige | |
Klimastrategie der IMO sah bis 2050 nur ein 50-Prozent-Ziel vor. | |
Klimaneutralität des Sektors wurde erst zum Ende des Jahrhunderts | |
angestrebt. | |
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) sprach von einem „großen Tag | |
für das Klima und die Seeschifffahrt“. Der Londoner IMO-Beschluss sei | |
„insbesondere mit Blick auf die diversen nationalen Interessen ein | |
Riesenerfolg, der auch auf den Einsatz Deutschlands und der EU | |
zurückzuführen ist“. | |
## Unmögliches möglich machen | |
Der Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Reeder (VDR), Martin | |
Kröger, sagte in Hamburg: „Es ist ein historischer Tag für die | |
Schifffahrt.“ Mit Blick auf viele verschiedene Länder und Weltregionen mit | |
unterschiedlichen Interessen sei „das Unmögliche möglich gemacht“ worden. | |
„Alle haben anerkannt, dass es keine Alternative zur Klimaneutralität | |
gibt.“ | |
Konkret heißt es der neuen IMO-Klimastrategie: „Die Treibhausgas-Emissionen | |
des internationalen Seeverkehrs sollen so bald wie möglich ihren | |
Höchststand erreichen und bis zum oder um das Jahr 2050 herum, das heißt in | |
der Nähe des Jahres 2050, unter Berücksichtigung der unterschiedlichen | |
nationalen Gegebenheiten auf Null reduziert werden.“ | |
Bis 2030 beziehungsweise 2040 gibt die IMO eine Verringerung der jährlichen | |
Emissionen um mindestens 20 Prozent beziehungsweise mindestens 70 Prozent | |
vor, wobei 30 Prozent beziehungsweise 80 Prozent angestrebt würden – | |
jeweils im Vergleich zu 2008. | |
Der Verzicht auf ein fixes Ziel für 2050 gilt als Formelkompromiss, der | |
eine Einigung überhaupt erst möglich gemacht hat. „In den langen | |
IMO-Verhandlungen in den vergangenen Tagen wurde schnell klar, dass einige | |
Länder aufgrund ihrer geografischen Lage oder schwierigeren | |
wirtschaftlichen Bedingungen nicht das gleiche Tempo einschlagen wollen und | |
können wie etwa die Mitgliedstaaten der Europäischen Union und die USA“, | |
heißt es beim VDR. | |
## Große Chance verpasst | |
„Um Bedenken der Entwicklungsländer zu adressieren, sollen deshalb nun beim | |
Zeitpunkt des Erreichens der Klimaneutralität kleinere Abweichungen möglich | |
sein.“ | |
Der Umweltverband Nabu kritisierte derweil, die IMO habe eine große Chance | |
verpasst. „Die beschlossenen Minderungsziele entsprechen weiterhin nicht | |
dem 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens“, sagte | |
Nabu-Bundesgeschäftsführer Leif Miller in einer Mitteilung. „Jetzt ist es | |
umso wichtiger, dass ein [2][internationaler CO2-Preis] für die Schifffahrt | |
schnell angegangen und umgesetzt wird.“ | |
Eine solche Bepreisung unterstützt auch die IMO, wobei zunächst offen | |
bleibt, welches Instrument dabei zum Einsatz kommen soll. Denkbar wäre eine | |
direkte Klimasteuer auf CO2-Emissionen oder alternativ ein System, bei dem | |
Emittenten Rechte zum Ausstoß klimaschädlicher Gase nachweisen müssen und | |
damit handeln können. | |
Ein solches System sieht etwa die EU künftig auch für den | |
Schifffahrtssektor vor. Laut IMO soll der „Preismechanismus für maritime | |
Treibhausgasemissionen“ 2025 beschlossen werden und 2027 in Kraft treten. | |
„Noch vor einem Jahr hätte man die bloße Idee, bis 2027 einen globalen | |
Emissionspreis-Mechanismus und einen globalen Standard für | |
umweltfreundliche Kraftstoffe einzuführen, für eine Phantasie gehalten“, | |
hieß es bei der dänischen Containerreederei Maersk. | |
## Ein Flickenteppich regionaler Systeme | |
„Zusammen mit dem ehrgeizigen Ziel, bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu | |
erreichen, ist diese Einigung von London ein deutliches Signal an die | |
Schifffahrtsbranche und die Hersteller von Kraftstoffen: Die Zeit für | |
Investitionen ist jetzt, und damit verbundene Risiken sind beseitigt.“ | |
Der Reederverband pocht dabei auf schnelle Planungssicherheit. „Deswegen | |
brauchen wir schnell Klarheit, wie eine Emissions-Bepreisung der IMO im | |
Detail aussehen wird und wie bereits existierende Bepreisungsmodelle wie | |
etwa das EU-Emissionshandelssystem in eine solche internationale Maßnahme | |
integriert werden“, sagte Kröger. | |
„Wir können uns in der weltweit fahrenden Schifffahrt und für einen | |
[3][wirkungsvollen Klimaschutz] keinen Flickenteppich regionaler Sonderwege | |
leisten. Und wir wollen auch nicht doppelt für die gleichen Emissionen | |
zahlen.“ | |
7 Jul 2023 | |
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