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# taz.de -- Umweltverein darf nicht klagen: Bürokratie oder Blockade?
> Ein Umweltverein kann nicht gegen das LNG-Terminal in Brunsbüttel klagen,
> weil das Kieler Umweltministerium einen Bescheid falsch erstellt hat.
Bild: Bereits in Betrieb: Das schwimmende LNG-Terminal „Höegh Gannet“ am K…
Neumünster taz | Ein Kopf, schwarz auf gelbem Grund, der bis zum Haaransatz
mit einer Gasmaske bedeckt ist – dieses einigermaßen martialische Logo
wählten die Mitglieder der „Bürgerinitiative [1][gegen CO2-Endlager“], als
sie im Mai 2009 ihren Verein gründeten. Damals wollten sie verhindern, dass
in Nordfriesland Kohlendioxid im Boden verpresst wird.
Inzwischen ist der Verein landesweit aktiv und hat [2][laut Homepage rund
3.000 Mitglieder.] Thematisch befassen sich die Aktiven um den Vorsitzenden
Reinhard Knof zurzeit vor allem mit dem LNG-Terminal in Brunsbüttel. Doch
zuletzt geriet die Arbeit ins Stocken: Dem Verein fehlte eine Anerkennung
des Umwelt- und Energiewendeministeriums.
Die braucht es aber, um in Anhörungsverfahren eine Stimme zu haben oder um
rechtliche Schritte einzuleiten. Knof sah die Initiative ausgebremst: „Die
notwendige Anerkennung wird vom Minister und beiden
Staatssekretär:innen beharrlich verweigert“, sagt er. Das Ministerium
unter der Leitung des Grünen Tobias Goldschmidt ist sich auf Nachfrage der
taz keiner Schuld bewusst – will aber trotzdem „zum Zwecke der
Rechtsklarheit“ nachbessern.
Das deutsche Vereinswesen ist eine Sache für sich, das musste die
Bürgerinitiative erfahren: „Ich musste mich auch erst mal reinarbeiten“,
sagt Reinhard Knof.
Die erste Hürde ist der Eintrag im Vereinsregister beim örtlichen
Amtsgericht. Die Anerkennung als e.V., eingetragener Verein, bringt
Vorteile – steuerlich, aber auch rechtlich, denn ein Verein gilt als
juristische Person, die Klagen führen darf. Jede Änderung in der Satzung
des Vereins muss beim Gericht angezeigt werden.
Für Umweltorganisationen besteht aber eine zweite Hürde: Damit sie in der
Gesetzgebung mitreden und Klagen gegen politische Entscheidungen erheben
dürfen, brauchen sie eine Anerkennung nach dem
„Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz“, einem seit 2003 geltenden Bundesgesetz.
Eigentlich sind die Hürden dafür nicht sonderlich hoch: Die Gruppe muss
laut ihrer Satzung „ideell und nicht nur vorübergehend vorwiegend die Ziele
des Umweltschutzes fördern“, mindestens drei Jahre bestehen und fachlich
wie personell so aufgestellt sein, dass sie in der Lage ist, an
Genehmigungsverfahren mitzuwirken.
Auf die Bürgerinitiative gegen CO2-Endlager treffen die Voraussetzungen
eigentlich zu – dennoch klappte es nicht mit der notwendigen Anerkennung,
berichtet Knof. An dem bürokratischen Hin und Her der vergangenen Jahre
hätte „[3][Franz Kafka] seine helle Freude gehabt“.
Das Problem liegt in der Historie des Vereins. Da er als regionale
Bürgerinitiative mit einem eng umrissenen Thema entstand und dann seine
Aufgabe auf andere Regionen und Themen ausweitete, passte er mehrfach seine
Satzung an und hinterlegte das entsprechend im Registergericht. Die
Anerkennung nach dem Bundesgesetz, die Basis für die Mitwirkung ist, muss
jeweils auf der Basis der aktuellen Satzung erfolgen. Doch das Ministerium
hat nur die Satzung von 2018 anerkannt, nicht die von 2021. „Man fragt
sich, ob das nur eine bürokratische Panne ist oder ob eine gezielte
Verzögerung dahintersteckt“, sagt Reinhard Knof.
Weder noch, heißt es aus dem Ministerium. Die Bürgerinitiative gegen
CO2-Endlager sei bereits seit 2017 als landesweit tätige Umweltvereinigung
anerkannt und habe seitdem die Möglichkeit, Rechtsbehelfe auf der Grundlage
des Umweltrechtsbehelfsgesetzes einzulegen. „Jene erste Anerkennung
umfasste bereits das gesamte Gebiet von Schleswig-Holstein einschließlich
der dazugehörigen Gebiete der Nord- und Ostsee und berücksichtigte damit
die landesweite Tätigkeit des Vereins“, sagt Ministeriumssprecher Matthias
Kissing.
## Neuer Bescheid angekündigt
Das sei für die geänderte Satzung von 2018 bestätigt worden. Die neuste
Satzungsänderung, die die Initiative 2021 beschloss, enthält nach der Sicht
der juristischen Abteilung des Ministeriums „lediglich kleine, rein
redaktionelle Anpassungen“, die „keine Änderungen in der Sache ergeben“.
Doch die falsche Jahreszahl im Anerkennungs-Schreiben habe bereits Folgen
gehabt, berichtet Knof. Denn dadurch sei der Verein nicht in der Lage
gewesen, fristgerecht in das Widerspruchsverfahren gegen das schwimmende
[4][LNG-Terminal bei Brunsbüttel] einzutreten: „Uns ist von Seiten des
Gerichts die kostenpflichtige Ablehnung unserer Klage angedroht worden“,
sagt der Vereinsvorsitzende. „Unser Anwalt hat uns abgeraten,
weiterzugehen.“
Das soll künftig anders werden. In der Antwort auf die Anfrage der taz
verspricht das Ministerium nun, der „Bürgerinitiative einen neuen
Anerkennungsbescheid unter Bezugnahme auf die Satzungsänderung 2021 zu
erteilen“.
21 Jun 2023
## LINKS
[1] /CO2-Verpressung-unter-dem-Meer/!5909292
[2] https://keinco2endlager.de/ueber-uns/
[3] /Franz-Kafka/!t5012755
[4] /Umweltverbaende-gegen-LNG-in-Brunsbuettel/!5840899
## AUTOREN
Esther Geißlinger
## TAGS
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