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# taz.de -- Niedrigwasser am Rhein: Auf dem Trockenen
> Ein Binnenschiffer kann seine „Sardana“ nicht voll beladen, ein Hafenchef
> warnt vor abreißenden Lieferketten. Unterwegs auf Deutschlands
> wichtigster Wasserstraße.
Bild: Transportweg und Nadelöhr beim immer häufiger auftretenden Niedrigwasse…
Mit 5,6 Knoten, das sind etwas mehr als zehn Stundenkilometer, schiebt sich
die „Sardana“ von Wesel aus langsam den Rhein hinauf in Richtung Duisburg.
Auf der Brücke grüßt Eigner Xander Kleine bestens gelaunt per Handschlag.
Der 45-Jährige stammt aus Terneuzen im Südwesten der Niederlande und trägt
ein rosafarbenes Hemd zur hellen Hose. Mit seiner Piloten-Sonnenbrille
erinnert er eher an einen Kreuzfahrtkapitän. Strahlend weiß und blau
glänzend präsentiert sich die knapp 85 Meter lange und zehn Meter breite
„Sardana“.
Auf den nach wochenlanger Dürre braun gefärbten Wiesen am Ufer sind
grasende Kühe zu sehen – die Industrieanlagen und Kraftwerke des
Ruhrgebiets werden erst in einer Stunde in Sicht kommen. Doch schon auf den
ersten Blick wird klar, wie sehr Deutschlands größter Fluss unter der
massiven Trockenheit der letzten Monate leidet: Sand und breite
Schotterstreifen an den Ufern machen deutlich, dass der Rhein eigentlich
viel mehr Wasser führen sollte. Der Strom hat sich in ein enges Bett
zurückgezogen.
In Duisburg ist der Rhein-Pegel Ruhrort im August auf einen
Rekord-Tiefststand von 1,51 Meter gefallen. Zwar zeigen die roten Ziffern
der in einem Turm am Fuß der Friedrich-Ebert-Brücke untergebrachten
Digitalanzeige mittlerweile wieder einen Stand um zwei Meter an. Die
nutzbare Fahrrinne ist damit etwa 2,50 Meter tief, denn der Pegel zeigt
nicht etwa die tiefste Stelle des Flusses an, sondern die Höhe des
Wasserspiegels über dem Pegelnullpunkt.
Allerdings: Mit 1.600 Tonnen voll beladen benötigt ein Binnenschiff wie die
„Sardana“ hier eine Tiefe von 3,20 Meter, um manövrieren zu können, erkl�…
Kapitän Kleine.
## 32 Zentimeter am Pegel Kaub
Der für die Schifffahrt entscheidenste Pegel liegt jedoch bei Kaub zwischen
Bingen und Koblenz. Bei [1][Niedrigwasser] orientieren sich die
Binnenschiffer:innen daran, um zu berechnen, wie viel sie laden
dürfen, um den Rhein trotzdem auf der ganzen schiffbaren Länge befahren zu
können. Mitte August zeigte dieser Pegel Kaub nur noch ganze 32 Zentimeter
an – und bremste die Schifffahrt so massiv aus.
Dabei ist der Rhein die wichtigste Wasserstraße Deutschlands. Binnenschiffe
fuhren 2021 über 195 Millionen Tonnen Güter durch Deutschland – das sind
immerhin fünf Prozent der gesamten Transportleistung. In
Nordrhein-Westfalen mit seiner starken Chemie- und Stahlindustrie kommen
mehr als 20 Prozent aller Güter auf dem Wasser an oder gehen ab. Fällt der
Pegel noch drastischer als vor einem Monat, könnten Lieferengpässe große
Teile der westdeutschen Wirtschaft gefährden. Schließlich sind die
Lieferketten wegen der Coronapandemie, der Schließung der Häfen in China
und des russischen Angriffs auf die Ukraine ohnehin schon angespannt.
## Die Sorgen des Hafen-Chefs
Den extrem niedrigen Wasserstand kann auch Markus Bangen in seinem hellen
Büro nicht übersehen. Der 49 Jahre alte Jurist ist Vorstandsvorsitzender
der [2][Duisburger Hafen AG] – und damit Herr über 21 Hafenbecken, neun
Containerterminals, 130 Krananlagen und 200 Kilometer Gleise, die sich über
eine Fläche von 1.550 Hektar erstrecken – das sind umgerechnet mehr als
2.100 Fußballfelder. Durch die großen Glasfronten blickt Bangen auf den
Vinckekanal, der den Rhein mit dem Ruhrorter Freihafen verbindet – und auch
hier signalisieren meterhohe helle Streifen, wie hoch das Wasser eigentlich
stehen müsste.
„Die Binnenschifffahrt ist das logistische Rückgrat der Stahlindustrie, der
Chemieindustrie, der Raffinerien der Ölindustrie“, erklärt Bangen, der seit
22 Jahren für die Hafen AG arbeitet. Ein extremes Niedrigwasser wie in
diesem Jahr erschwere die Produktion nicht nur im riesigen
[3][Thyssenkrupp]-Stahlwerk in Duisburg, warnt der Hafen-Chef.
Nachschubprobleme dürfte es auch an den Chemiestandorten von Bayer in
Leverkusen und bei BASF im rheinland-pfälzischen Ludwigshafen geben.
„In der schlimmsten Phase im August konnten Massenguttransporter nur 30 bis
40 Prozent ihrer eigentlichen Transportkapazität laden“, sagt Bangen. Rund
300 Firmen haben sich rund um seine Verwaltung angesiedelt. „Ölinsel“,
„Stahlinsel“ und „Schrottinsel“ heißen die Hafenbereiche. Selbst der
Umschlag relativ leichter Container sei um „10 bis 15 Prozent“
zurückgegangen – haushoch türmen sie sich direkt neben dem
Verwaltungsneubau kilometerlang in Dutzenden Reihen.
## An Bord der „Sardana“
An Bord des Binnenschiffs „Sardana“ dagegen ist von diesen Warnungen und
Sorgen wenig zu spüren. 2005 hat Xander Kleine den Pulvertransporter in
China bauen und ihn dann mit einem Hochseeschiff nach Europa bringen
lassen. Ein Jahr später ist das Schiff in Betrieb gegangen. Heute sei das
millionenschwere Investment „besser als neu“, sagt Kleine stolz. Auf dem 16
Jahre alten Schiff ist kein Millimeter Rost zu sehen.
In der Binnenschifffahrt wird ein Mann wie Kleine, der selbst ein Schiff
besitzt und es auch fährt, Partikulier genannt. Schifffahrt hat in seiner
Familie Tradition: Schon seine Eltern und Großeltern seien Binnenschiffer
gewesen, und der Vater seiner Großmutter habe noch ein Segelschiff
besessen. „Ich wollte nie etwas anderes werden als Binnenschiffer“, sagt
Kleine, der zusammen mit seiner Freundin und zweiköpfiger Besatzung auf der
„Sardana“ lebt. Schon mit 21 habe er sein Rheinpatent in der Tasche gehabt.
Die „Sardana“ hat Kleine nicht von der Stange gekauft – technische Details
wie den eher bei Hochseeschiffen typischen Wulstbug habe er selbst
bestimmt, erzählt der Niederländer. Propellergondeln und Bugstrahlruder
machen das Schiff überraschend wendig, und eine besondere Lackierung
verringert den Wasserwiderstand und spart damit Treibstoff.
Zwar hat jeder der beiden 800 PS starken MTU-Schiffsdiesel, auf die Kleine
als „german quality“ schwört, selbst bei vorsichtiger Fahrt 42 Liter in der
Stunde verbraucht, bis die „Sardana“ von Amsterdam und Gouda kommend den
Südhafen Walsum in Duisburg ansteuert. Energieeffizient ist der Transport
auf dem Wasser trotzdem: Nach Angaben des Umweltbundesamts verbraucht ein
Schiff pro Tonnenkilometer knapp 70 Prozent weniger Treibstoff als ein
schwerer Lastwagen – und stößt auch entsprechend weniger Treibhausgase aus.
## 600 Tonnen fehlen an Bord
In Duisburg wird die „Sardana“ Zement für die Niederlande laden. Wegen des
Niedrigwassers wird Kapitän Kleine aber nur knapp 1.000 statt der möglichen
1.600 Tonnen an Bord nehmen können.Dieses Problem trifft die gesamte
Binnenschifffahrt: Der Ölkonzern Shell hat schon Mitte August erklärt,
wegen des fehlenden Rheinwassers die Kapazität seines „Energie- und
Chemieparks Rheinland“ im Süden Kölns reduzieren zu müssen. Ende August hat
die Großbank Credit Suisse sogar ihre Inflationsprognose für die Schweiz
von 2,3 auf 2,9 Prozent angehoben. Grund sei „die Trockenheit in Europa,
welche die Kosten für den Transport von Ölprodukten über den Rhein in die
Höhe getrieben“ habe.
Nachdenklich blickt deshalb auch Ocke Hamann von der [4][Niederrheinischen
Industrie- und Handelskammer] (IHK) auf den Pegel Ruhrort. „Schauen sie
sich das Schiff dort an“, ruft er auf der Duisburger Friedrich-Ebert-Brücke
und deutet auf einen Kohlentransporter. „Normalerweise müssten Kohleberge
aus dem Schiff herausschauen“ – jetzt sind nur klein wirkende Häufchen an
Bord.
Dabei sei die Bedeutung der Binnenschifffahrt kaum zu unterschätzen:
„Allein in NRW hängen in den Chemieparks, bei Thyssenkrupp etwa 58.000 gut
bezahlte, tariflich abgesicherte Arbeitsplätze unmittelbar von der
zuverlässigen Belieferung durch Binnenschiffe und damit vom Rhein ab“, sagt
der für Transport und Logistik zuständige IHK-Geschäftsführer – und
indirekt seien es noch einmal knapp 180.000.
„Nehmen Sie einfach den Betrieb dort drüben“, sagt Hamann und deutet von
der Brücke auf die Anlagen des Chemieproduzenten Venator auf der linken
Rheinseite, die natürlich auch per Schiff beliefert werden. Dort wird
Titandioxid hergestellt, der Stoff gebe Waschmittel seine weiße Farbe
ebenso wie Zahnpasta und Lippenpflegestiften – wer die erwerbe, habe auch
einen Schiffstransport im Einkaufskorb. „In ganz vielen Produkten steckt
ein Stück Binnenschiff“, betont Hamann.
Was den IHK-Geschäftsführer Hamann ebenso sorgt wie Hafenchef Bangen: Die
Phasen extremen Niedrigwassers dauern immer länger. „So tiefe Wasserstände
hat es so früh im Jahr noch nie gegeben“, warnt Bangen. Niedrigwasser gab
es auf Deutschlands wichtigster Wasserstraße, über die mehr als 70 Prozent
aller deutschen Binnenschiff-Transporte laufen, zuletzt im [5][Dürrejahr
2018]. „Damals lag der Tiefststand des Pegels Ruhrort bei 1,53 Meter“, sagt
Hamann. „In diesem Jahr waren wir schon bei 1,51 Meter – und das nicht wie
üblich im September oder Oktober, sondern schon im August.“ Das Kieler
Institut für Weltwirtschaft hat ausgerechnet, dass das damalige
Niedrigwasser der Bundesrepublik etwa 0,4 Prozent der Wirtschaftsleistung
gekostet hat.
„Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg“ habe sich der Stahlgigant
Thyssenkrupp vor vier Jahren auf „Force Majeure“, also höhere Gewalt,
berufen müssen, um eine Drosselung seiner Produktion zu begründen, sagt
IHK-Geschäftsführer Hamann. Der Chemieriese BASF musste wegen des damaligen
Niedrigwassers eine Gewinnwarnung herausgeben.
## Unternehmen versuchen vorzusorgen
Beide Unternehmen versuchen deshalb vorzusorgen. Bei Stahlhersteller
Thyssenkrupp beobachtet ein „Arbeitsstab Niedrigwasser“ die Lage auf dem
Rhein kontinuierlich. Schon vor der Dürre in diesem Sommer hat der Konzern
deshalb damit begonnen, die Lagerbestände am Stahlwerk im Ruhrgebiet
auszubauen – also eigene Bestände rechtzeitig vom Hafen in Rotterdam nach
Duisburg zu bringen. BASF arbeitet mit einem Frühwarnsystem, das bis zu
sechs Wochen im Voraus vor Niedrigwasserphasen warnt. Das Unternehmen
entwickelte nach den Problemen im Jahr 2018 zusammen mit der Reedereisparte
der Häfen und Güterverkehr Köln AG ein Spezialschiff, das auch bei extrem
niedrigem Wasser Rohstoffe in das Werk in Ludwigshafen bringen kann.
Staatlich gefördert wird der Neubau von Schiffen nicht. Das
Bundesministerium für Digitales und Verkehr unterstützt lediglich die
„nachhaltige Modernisierung von Binnenschiffen“, heißt es. Dazu zählen
emissionsärmere Antriebssysteme, eine Digitalisierung der
Informationstechnik und der notwendige Umbau, um ein Schiff
niedrigwassergängig zu machen. Klar ist: Um in den immer längeren
Trockenperioden trotzdem noch wirtschaftlich zu bleiben, müssen die
Unternehmen selbstständig Lösungen finden.
Dennoch dürfte nach der Gewinnwarnung 2018 auch das Risiko-Controlling des
Chemieriesen alarmiert gewesen sein, warnt Hafenchef Bangen. Nicht umsonst
laufe Antwerpen mit seinem auch für Hochseeschiffe tauglichen Hafen gerade
deutschen Standorten wie Ludwigshafen den Rang ab, sei „der Antwerpener
BASF-Standort beeindruckend gewachsen“. Mit anderen Worten: Werde die
Zuverlässigkeit der Binnenschifffahrt nicht gesichert, drohe Produktion aus
der Bundesrepublik abzuwandern. „Niedrigwasser betrifft längst nicht nur
die Binnenschifffahrt“, sagt auch IHK-Geschäftsführer Hamann. „Das ist ein
Industriethema“, mahnt er – unzuverlässige Versorgungsketten seien eben ein
massiver Standortnachteil.
Sowohl Thyssenkrupp als auch BASF unterschrieben vor drei Jahren einen
Aktionsplan Niedrigwasser Rhein, den das Bundesverkehrsministerium
vorlegte. Eine wichtige Rolle spielt darin der Rheinausbau, etwa unter dem
Punkt „Abladeoptimierung am Mittel- & Niederrhein beschleunigen“. Begründet
wird der Eingriff damit, dass die Binnenschifffahrt die klimafreundlichste
Art des Gütertransports ist. Tatsächlich schnitt das Binnenschiff 2020 mit
31 Gramm CO2-Äquivalenten pro Tonnenkilometer im Vergleich zu 111 Gramm
durch Lkw deutlich besser ab. Der jetzige Verkehrsminister Volker Wissing
(FDP) kündigte nach einem Spitzengespräch zwischen Industrie und Politik
Ende August eine „Beschleunigungskommission“ an, die den Rheinausbau
erleichtern soll.
Doch die geplanten Baumaßnahmen belasten das Ökosystem enorm. Die
Umweltverbände BUND und Nabu sprechen sich gegen eine Rheinvertiefung aus.
„Die alte Idee, die Fahrrinne zu vergrößern, um immer größere Schiffe
fahren zu lassen oder auch bereits heute für den Rhein überdimensionierte
Schiffe weiter betreiben zu können – das wird mittelfristig nicht tragen“,
sagt Klaus Markgraf-Maué von der [6][Nabu-Naturschutzstation Niederrhein].
„Wenn man das Problem gesamtheitlich betrachtet, geht kein Weg daran
vorbei, zu akzeptieren, dass die Schiffbarkeit des Rheins abnimmt.“ Die
Zukunft der Wasserstraße liege in Schiffen, die den Möglichkeiten und
Grenzen des Rheins angepasst sind.
Die deutschen Sorgen um das Niedrigwasser, um zum Zerreißen gespannte
Lieferketten und um ein mögliches Negativimage der Binnenschifffahrt als
immer unzuverlässiger werdender Verkehrsträger kann Binnenschiffer Xander
Kleine auf der „Sardana“ nicht verstehen. „Wenn man will, kann man
unheimlich viel optimieren“, sagt der Kapitän. Schritt für Schritt hat er
deshalb vier weitere kleinere Schiffe in Fahrt gebracht, die jeweils
zwischen 350 und 700 Tonnen Ladung aufnehmen können.
Die könnten auch dort fahren, wo die große und tiefe „Sardana“ bei
Niedrigwasser nicht mehr hinkomme, erklärt er – und zeigt auf seinem Handy
ein per Drohne aufgenommenes Video, auf dem die „Sardana“ als Verband mit
zwei seiner längsseits festgemachten kleinen Schiffe zu sehen ist. „So kann
ich auch bei Niedrigwasser fast die gleiche Tonnage transportieren wie bei
normalem Wasserstand“, erklärt er.
Was er aber nicht verstehe, sagt Kleine: „Warum werden nicht die Untiefen
des Rheins ausgebaggert? Das wäre eine sehr preiswerte Lösung, die dafür
sorgt, dass dort schwerer beladene Schiffe fahren können“, argumentiert der
Kapitän. Und überhaupt: Warum bauen die Deutschen keine Staustufen, keine
großen Schleusen in den Rhein?“, fragt sich Kleine. Dann könnten dort
Schiffe fahren, die doppelt so viel Ladung transportieren – und das würde
„sehr viel Treibstoff und damit Energie sparen und so das Klima schützen“,
argumentiert der Schiffseigner.
Allerdings: Der Rhein ist neben einer Wasserstraße eben auch ein Ökosystem.
„Der Bau von Staustufen würde aus dem Fließgewässer eine Aneinanderreihung
von Stehgewässern machen“, warnt Naturschützer Markgraf-Maué. Mit einem
„guten ökologischen Zustand“, wie es die EU-Wasserrahmenrichtlinie für al…
europäischen Gewässer anstrebt, habe das nichts mehr zu tun. „Der Rhein
wäre dann kein Fluss mehr“, sagt er.
Wirtschaftsvertreter wissen, dass Staustufen gegen den Widerstand von
Naturschützer:innen und Politik gerade am Niederrhein nicht
durchsetzbar sind: „Wir müssen die Schiffe dem Rhein anpassen, nicht
umgekehrt“, hat Nordrhein-Westfalens neuer Verkehrsminister [7][Oliver
Krischer] (Grüne) erst vor wenigen Tagen klargemacht. Hafenchef Bangen hält
Staustufen deshalb für „unrealistisch“. Und IHK-Geschäftsführer Hamann
bringt stattdessen eine „Abwrackprämie für Binnenschiffe“ ins Gespräch.
Über die Frage, ob sich sein Geschäft überhaupt noch lohne, kann Kapitän
Kleine auf der Brücke trotzdem nur lachen. Während er die „Sardana“ von
einem bequemen Ledersessel aus nicht mit einem Steuerrad, sondern per
Joysticks über den Rhein lenkt, sagt er das Zauberwort der
Binnenschifffahrt in Deutschland: „Kleinwasserzuschlag“. Der bedeute,
erklärt Kleine, dass bei Niedrigwasser das geringere Transportvolumen nicht
zu Lasten der Schiffseigner gehe. Da alle Rheinschiffe aktuell weniger
laden könnten, fährt jedes Schiff eben öfter hin und her. Die Kosten dafür
tragen die Auftraggeber, also Unternehmen wie Thyssenkrupp oder BASF.
Mit anderen Worten: Aktuell können sich Partikuliere und Reedereien vor
Aufträgen kaum retten. Nicht kontraktgebundene Eigner können sich ihre
Kund:innen wegen der riesigen Nachfrage aussuchen. Außerdem entfallen
kostenfressende Wartezeiten. „Ich arbeite seit Monaten so viel, wie es
erlaubt ist“, sagt Kleine.
Dass das Geschäft Geld abwirft, sieht man dem Wohnbereich von Kleine und
seiner Freundin im Heck der „Sardana“ an: Es schaut alles sehr komfortabel
aus, wie ein Zuhause an Land.
„Natürlich verdient meine Firma Geld. Aber Sie dürfen die ganze Arbeit
nicht vergessen, die dahintersteht“, sagt Kleine: „Einen Achtstundentag
habe ich derzeit so gut wie nie.“ Dazu kommen natürlich eingeschränkte
soziale Kontakte – mal eben Freunde besuchen ist trotz Elektroauto an Deck
von Industriehäfen wie Walsum aus nicht so einfach, sondern bisweilen eine
„Herausforderung“. „Wir haben ja uns“, sagt Kleines Freundin dazu. „U…
allein sind wir auch nicht: Es ist ja auch immer die Besatzung mit an
Bord.“
12 Sep 2022
## LINKS
[1] /Probleme-mit-Rhein-und-Spree/!5871915
[2] https://www.duisport.de/
[3] https://www.thyssenkrupp.com/
[4] https://www.ihk.de/niederrhein/
[5] /Niedrigwasser-in-deutschen-Gewaessern/!5550128
[6] https://www.nabu-naturschutzstation.de/de/
[7] https://www.land.nrw/landeskabinett/oliver-krischer
## AUTOREN
Andreas Wyputta
Gina La Mela
## TAGS
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Rhein
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Schwerpunkt Klimawandel
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