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# taz.de -- Reaktionen auf Dürresommer in Klimakrise: Echt? Zwei und zwei sind…
> Noch ein Dürresommer. Und dabei ist vor allem eines erstaunlich: Wie
> erstaunt wir über die Zustände sind.
Bild: Echt jetzt: Rhein bei Bingen Anfang August
Irgendwas ist bei mir mächtig schiefgelaufen. Ich bin ein privilegierter
alter weißer Mann. Ich lebe in Berlin. Ich bin Journalist. Ich schreibe
seit 30 Jahren über Umweltpolitik. Und ich bin trotzdem kein Zyniker. Aber
letzte Woche telefonierte ich mit meinem Kollegen Bill in Texas. Wir
sprachen über die Hitze in den USA und Europa, die [1][Unwetter], die
Fluten und Brände. Und immer wieder schlich sich der Teufel des „Haben wir
es Euch nicht schon lange gesagt?“ in unser Gespräch.
Das wirklich Erstaunliche an diesem wieder einmal heißen [2][Dürresommer]
ist ja: Wie erstaunt alle über diese Zustände sind. Ja, wir haben in der
Schule alle in Physik und Chemie geschlafen, aber dieses „Nichtwissenwollen
und dann überrascht die Augen reiben“ ist schon bemerkenswert.
Wie jetzt? Wenn man die Atmosphäre mit Treibhausgase aufheizt, wird es
immer wärmer? Wirklich? Warmes Wasser dehnt sich aus und überflutet die
Strände? Was? Je heißer und trockener es wird, desto weniger Regen
bewässert unsere Felder? Echt jetzt? Wenn es nicht mehr regnet, werden
selbst große Flüsse zu Kinderplanschbecken? Huch! In der Dürre können auch
in Deutschland Wälder brennen? Und selbst Schweizer Qualitätsgletscher
schmelzen ab, wenn die Sonne glüht? Unglaublich: Starkregen löst das
Problem nicht, sondern führt nur zu Überschwemmung? Zwei und zwei sind
wirklich vier? Wenn wir das mal gewusst hätten!
Ein bisschen Ignoranz, schön und gut, das hilft durchs Leben. Aber das hier
war Realitätsverweigerung mit gespieltem Erstaunen. Früher gab es für die
große Mehrheit keinen Klimawandel, dann war er kein Problem, dann wollten
wir uns lieber anpassen, und vor allem bloß nicht übertreiben und auf
keinen Fall Panik machen! Klimakrise war in diesem Denken weit weg und
etwas für Opfer: arme Länder, arme Leute, arme Schweine. Plötzlich sind es
auch wir reichen Länder, wir reichen Leute und unsere reichen Kuscheltiere,
denen der Boden unter den Füßen brennt.
Ob Wirtschaft, Euro, Flüchtlinge oder Krieg: Immer gab es in den letzten
Jahren eine dringendere Krise. Die gute Nachricht der letzten Sommer, wenn
ich das mal zynisch sagen darf, ist aber: Erdüberhitzung – und bisher sind
es ja „nur“ 1,2 Grad – gehört jetzt auch dazu. Man kann sie nicht mehr
wegdrücken. Wir hätten es nicht nur wissen können. Wir wussten es. Da muss
man gar nicht so überrascht Sondersendungen im Fernsehen ansetzen oder von
„Jahrhundertfluten“ reden, die in zwei Jahren wiederkommen.
Gewöhnt euch dran, ruft der Metaphern-Zyniker in mir: Das sind heiße Eisen,
die wir mit brennender Sorge sehen. Es kommen stürmische Zeiten, wo uns das
Wasser bis zum Hals stehen wird. Wer deprimiert durch den trockenen Rhein
marschiert, für den ist jeder Sonnentag ein echter Niederschlag. Und ich
wollte meinen Job eigentlich nie so wörtlich nehmen, wie er jetzt aussieht.
Als Rufer in der Wüste.
2 Sep 2022
## LINKS
[1] /Flutkatastrophe-in-Pakistan/!5877386
[2] /Wetterbilanz-des-Sommers-2022/!5878382
## AUTOREN
Bernhard Pötter
## TAGS
Schwerpunkt Klimawandel
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