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# taz.de -- Hohenzollernstreit um Geschichte im NS: Adel, Nazis und kein Widers…
> Haben die Hohenzollern eingesehen, dass ihnen bei ihrer Geschichte keine
> weiteren Restitutionen zustehen? Eine Veranstaltung in Berlin lässt
> zweifeln.
Bild: Georg Friedrich Prinz von Preußen (Mitte im Bild) am Donnerstag (9.3.) i…
Georg Friedrich Prinz von Preußen hat sich einen besonderen Tag zur
offiziellen Verkündung seiner Klagerücknahme ausgesucht. Denn an einem 9.
März, nämlich 1888, starb auch Kaiser Wilhelm I. Dieser wird von
Konservativen gern als Verkörperung „altpreußischer“ Tugend im Gegensatz
zur Dekadenz und politischen Erratik der späteren wilhelminischen Ära
angeführt. Was indes „altpreußische Tugend“ genau ist und worin ihr
Gegenwartswert liegen soll, es bleibt zumeist unklar.
Ein ähnliches Narrativ scheint auch die Veranstaltung im Haus der
Bundespressekonferenz am Donnerstag zu leiten. Eingeladen hatte Prinz von
Preußen und gleich zu Anfang klargestellt, es handele sich hier um ein
„Historikerpodium“, also keine Pressekonferenz im eigentlichen Sinne.
Sein Urgroßvater, Kronprinz Wilhelm (1882–1951), stand zuletzt im Zentrum
einer Historikerdebatte, in der es darum ging, wie stark das gestürzte
deutsche Kaiserhaus und der deutsche Hochadel in die Machtergreifung der
Nazis involviert waren. Die Hohenzollern-Erben stritten dies ab, da sie im
Sinne des Ausgleichsleistungsgesetzes von 1994 ansonsten unwürdig wären,
Restitutionen für die Enteignungen durch die Sowjetische
Militäradministration zu erhalten.
Da [1][die Beweislage beim braunen Kronprinzen zuletzt immer erdrückender
wurde], soll nun offensichtlich sein zweitältester Sohn Louis Ferdinand
(1907–1994), der Großvater des heutigen Hohenzollern-Chefs Georg Friedrich,
in Stellung gebracht werden. Louis Ferdinand stand mit dem
nationalkonservativen Widerstand gegen Hitler lose in Verbindung.
Nach dem Zweiten Weltkrieg avancierte Louis Ferdinand im Westen dann zur
liberalkonservativen Identifikationsfigur. Antonia Podhraski von der TU
Chemnitz, ehemals Hilfskraft bei Frank-Lothar Kroll, arbeitet an einer
Dissertation zu ihm und trug dazu in der Berliner Bundespressekonferenz
vor. Podhraski kam nach fast einer Stunde zu Wort. Auch sie hatte im Sinne
der Hohenzollern-Legenden eher Erwartbares zu bieten.
## Rechtsextrem, doch zu beschränkt?
Zuvor wiederholte Lothar Machtan („Der Kronprinz und die Nazis“) seine von
der Historikerzunft größtenteils kritisierten Ergebnisse einer [2][vom
Hause Hohenzollern co-finanzierten Studie zum Kronprinzen]. Auch Machtan
kam nicht umhin, dem Kronprinzen eine rechtsextreme Gesinnung zu
attestieren. Er hält ihn aber intellektuell für zu eingeschränkt, als dass
er beim Aufstieg der Nazis eine größere Rolle hätte spielen können.
Eine Interpretation, die offenbar der vor Gericht schlummernden
Resititutionsauseinandersetzung geschuldet war. Machtan plädierte nun für
ein „Zu den Quellen selbst“. Sein Dossier aus fast 1.500 Dokumenten zur
politischen Aktivität von „Wilhelm Kronprinz“ ist seit Donnerstag auf der
Website der Familie Preußen hochgeladen.
Machtan bekräftigte [3][in Berlin seine Behauptung, Wilhelm sei „zu keiner
Zeit ein Aktivposten der großen Politik in Deutschland] gewesen“, eher eine
„Trumpfkarte“, mit der „Brüning, Papen, Schleicher“ sowie „deren
Erbschleicher Hitler“ zwar „gepokert“ hätten, aber „nie in der
Öffentlichkeit“.
Peter Brandt, der Vierte auf dem von den Hohenzollern zusammengestellten
Podium, widerspricht da immerhin. Er hält es für „plausibler“, dass der
prominente Wahlaufruf des Kronprinzen für Hitler bei der
Reichspräsidentenwahl 1932 den Nazis doch „eher genutzt“ habe, die
gestürzte kaiserliche Preußen-Familie also der Zerschlagung der Republik
und der Etablierung des Faschismus nun doch eher Vorschub geleistet habe.
## Neuer Fokus
Doch nun, da Georg Friedrich von Preußen angekündigt hat, seine Klagen
fallen zu lassen, ist die Frage: Wo will er hin? Dass er vor Gericht
zurückziehen will, wird weithin auf seine mangelhaften Erfolgsaussichten
zurückgeführt. Ehe eine Unwürdigkeit juristisch festgestellt worden wäre,
wollte man sich, so der Anschein, lieber aus der Affäre ziehen. Und
stattdessen den Fokus auf weniger braun belastete Mitglieder der
historischen Hohenzollern-Familie lenken.
Sehr deutlich wird dieser geschichtspolitische Impetus bei Schlie, der in
seiner Anmoderation behauptet, „das Ausland“ schaue genau auf die Offenheit
der Restitutionsdebatte, die „ein Maßstab für unser Meinungsklima“ sei.
Eine interessante Wendung, war es doch die „Hohenzollern“-Seite, [4][die
kritische Wissenschaftler:innen und Journalist:innen mit
juristischen Verfahren überzog], um sie einzuschüchtern.
Schlie erwähnt auch Stephan Malinowski, um dessen Genealogie eines
kontinuierlichen (geschichts-)politischen Engagements der Hohenzollern über
drei Generationen zur Debatte zu stellen: Kaiser Wilhelm, der Kronprinz und
eben Prinz Louis Ferdinand, der in den USA zum Umkreis des Antisemiten
Henry Ford gehört habe. Podhraski sekundierte sogleich, bei Louis Ferdinand
und Ford sei es um Motorisierung und Modernisierung gegangen, nicht um
Antisemitismus.
Doch darum geht es auch Malinowski nicht. Der in Edinburgh lehrende
Historiker, [5][der für sein Buch „Die Hohenzollern und die Nazis“ den
Deutschen Sachbuchpreis 2022] erhielt, zielt vielmehr auf die
geschichtspolitische Inszenierung Louis Ferdinands als „nach 1945
omnipräsente Figur“ ab, „die den Nationalsozialismus von jeher als Übel
erkannt und frühzeitig“ dem Widerstand nahegestanden „haben wollte“. Als
Symbolfigur der von ihm als „Dönhoffismus“ gelabelten „adligen
Großerzählung […], in der Hitler angeblich von Beginn an als […]
lächerliche Figur und Verbrecher erkannt worden“ wäre.
## Neuauflage der rechten Großerzählung
Um eine Revitalisierung dieser, in bildungskonservativen wie in Kreisen der
vulgären Rechten gängigen Großerzählung geht es jetzt womöglich. Kaum
adressiert an diesem Vormittag im verschneiten Berlin wurde der eigentliche
Streitgegenstand: [6][die nun fallen gelassenen
Restitutionsforderungen]. Neben den unters Ausgleichsleistungsgesetz
Fallenden gibt es nämlich noch andere Güter, deren Provenienz strittig ist.
Stichworte wären hier „Arisierung“ und „Raubkunst“ sowie legales Eigen…
der Familie Preußen, das an staatliche Museen verliehen ist. Während die
Klagen liefen, war bei den Pressestellen mancher betroffenen
Regierungsbehörden in Brandenburg und Berlin deutlich die Angst vernehmbar,
Leihverträge könnten nicht verlängert werden.
Davon will man aufseiten des Leihgebers nichts wissen, betont, dass man
Leihgaben „auch künftig auf Wunsch zur Verfügung stellen“ werde. Verweist
aber auch auf Sicherheitsvorkehrungen in staatlichen Ausstellungsräumen,
mit denen es wohl nicht überall zum Besten bestellt sei.
Sowie auf die in Familienbesitz befindliche Burg Hohenzollern bei
Hechingen, „eines der beliebtesten privaten Museen Deutschlands“. Ob
manches bislang in Berlin oder Brandenburg gezeigte Ausstellungsstück in
Zukunft nur noch auf der Zollernalb zu sehen sein wird? Man wird es sehen.
Es wäre im Zweifel zu verschmerzen.
10 Mar 2023
## LINKS
[1] /Historiker-Malinowski-ueber-Hohenzollern/!5818046
[2] /Der-Kronprinz-und-sein-Biograph/!5791016
[3] /Hohenzollern-und-Nationalsozialismus/!5628218
[4] /Rechtstreitigkeiten-mit-Adelsfamilie/!5776970
[5] /Deutscher-Sachbuchpreis-2022/!5858451
[6] /Nachfahren-der-deutschen-Kaiser/!5920861
## AUTOREN
Konstantin Sakkas
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