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# taz.de -- Unionspapier zur Migration: Altes Thema, neuer Sprengstoff
> Nach internem Streit will die Unionsfraktion über ein Positionspapier zur
> Migration abstimmen. Es scheint, ein Kompromiss ist gefunden. Erst
> einmal.
Bild: Serap Güler will beim Chancenaufenthaltsrecht der Bundesregierung nicht …
Berlin taz | Bei der CDU ist ein altbekanntes Thema zurück – nicht nur,
wenn Friedrich Merz oder Jens Spahn in Talkshows auf den Putz hauen. Knapp
1.000 versammelte Parteimitglieder, bei einer [1][Regionalkonferenz in
Münster] gerade nach den größten Herausforderungen für Deutschland gefragt,
nannten zwar auch Themen wie „Klimawandel“ und „Digitalisierung. Aber am
Ende stach „Migration“ groß und fett aus der entstandenen Wortwolke hervor.
Auch in der Bundestagsfraktion der Union stand das Thema zuletzt immer
wieder auf der Tagesordnung. Dass die Ampel verschiedene Gesetze dazu auf
den Weg gebracht hat, war nur der Anlass. Schnell war klar: In der Fraktion
hat das Thema, das die Gemeinschaft von CDU und CSU 2018 an den Rand der
Spaltung gebrachte hatte, weiterhin enormes Konfliktpotenzial. Und das
liegt nicht nur an der CSU.
Auch zwischen eher konservativen und eher liberalen
Christdemokrat*innen ist es höchst umstritten. Wobei es neben der
Inhalte oft auch um den Ton geht, in dem die Debatte geführt werden soll –
also darum, wie populistisch es bei der CDU zugehen darf. Und [2][natürlich
spielt die AfD eine Rolle], die mit ihrer Hetze gegen Geflüchtete und
Migrant*innen erstarkte und der CDU am rechten Rand Stimmen abnimmt.
Wofür aber die Partei im Jahr 2023 beim Thema Migration wirklich steht? Das
ist unklar.
## Merz will Konflikt in Fraktion abräumen
Partei- und Fraktionschef Merz versucht nun, den Konflikt in der Fraktion
abzuräumen. Zerstrittenheit kommt in der Bevölkerung nicht gut an. Und ist
auch keine gute Grundlage, wenn man Oberbürgermeister und
Landrätinnen für Ende März medienwirksam quasi zu einem alternativen
Flüchtlingsgipfel einlädt, 700 Leute insgesamt. Deshalb sollen die
Abgeordneten an diesem Dienstag über ein Papier ihres geschäftsführenden
Vorstands beraten.
Der Titel: „Für Humanität und Ordnung in der Asyl- und Flüchtlingspolitik�…
Darin bekennt sich die Union zum Grundrecht auf Asyl und zur Genfer
Flüchtlingskonvention. Doch dann geht es vor allem darum, die Zahl der
ankommenden Flüchtlinge zu senken. „Damit Deutschland seiner humanitären
Verantwortung gerecht werden kann, muss irreguläre Migration begrenzt und
durch wirksame Maßnahmen spürbar verringert werden“, heißt es.
Dazu sollen die EU-Außengrenzen dichter gemacht, die europäische
[3][Grenzschutzagentur Frontex ausgebaut], Asyl-Entscheidungszentren an den
EU-Außengrenzen eingerichtet werden. Bis es ein gemeinsames Asylsystem
gibt, um das in der EU seit Langem erfolglos gerungen wird, sollen
Kontrollen auch an den deutschen Grenzen und Transitzonen möglich sein, in
denen sich „Asylbewerber ohne Bleibeperspektive“ während eines
beschleunigten Verfahrens aufhalten müssen.
Zudem wird die Schaffung einer Bundesagentur für Einwanderung gefordert,
die den [4][Zuzug von ausländischen Fachkräften] regeln soll. Das Bundesamt
für Migration und Flüchtlinge soll nur noch für Asylbewerber*innen
zuständig sein. So will die Union beides strikt voneinander trennen. Auch
heißt es: „Ein Spurwechsel oder gar eine ‚Wahlfreiheit‘ zwischen
Asylverfahren und Erwerbsmigration ist grundsätzlich nicht mehr notwendig.“
## Streit in Fraktion längst entbrannt
Diese Formulierung dürfte bewusst gewählt worden sein. Sie lässt
unterschiedliche Deutungen zu. Dass die Union ganz grundsätzlich gegen
einen Spurwechsel ist, für die einen. Für die anderen: Dass dies erst
zukünftig gilt. Und damit könnte man jetzt langjährig geduldeten und gut
integrierten Flüchtlingen ein Aufenthaltsrecht und einen Zugang zum
Arbeitsmarkt ermöglichen. Wie es die CDU in NRW und Niedersachsen
befürwortet. Doch an dieser Frage hatte sich im Dezember ein massiver
Streit in der Fraktion entzündet.
[5][Das Chancenaufenthaltsrecht], das die Bundesregierung da im Bundestag
zur Abstimmung gestellt hatte, sieht genau diese Möglichkeit vor. Die
Fraktionsspitze wollte die Abgeordneten auf ein Nein einschwören. Doch 19
von ihnen fanden das Vorhaben „sinnvoll und pragmatisch“, wie sie
schriftlich erklärten – und enthielten sich. Ex-Gesundheitsminister
Herrmann Gröhe, Serap Güler, die frühe NRW-Integrationsstaatssekretärin und
Bundestagsvizepräsidentin Yvonne Magwas waren dabei.
19 Abgeordnete, das sind nur zehn Prozent der Fraktion. Aber ihr Ausscheren
ließ sich auch so verstehen, dass sie nicht bereit sind, alles mitzumachen.
Wieder stand die Fraktion beim Thema Migration zerstritten da. Um die Lage
zu beruhigen, wurden drei fraktionsoffene Sitzungen angesetzt, in denen die
Abgeordneten mit Expert*innen diskutieren. Die erste zum Thema Migration
hat bereits stattgefunden. Auch das Positionspapier soll die Fraktion einen
– und das scheint auch gelungen zu sein.
Von den 19 Abweichler*innen jedenfalls ist kaum Kritik zu hören. Sie
scheinen eher der Ansicht zu sein, etwas bewirkt zu haben. Öffentlich
äußern wollen sich die meisten nicht. Nur Hermann Gröhe, der selbst dem
Fraktionsvorstand angehört, sagte der taz: „Das ist eine
Positionsbeschreibung in Inhalt und Sprache, die geeignet ist, von der
Union in großer Gemeinsamkeit vertreten zu werden.“ Ausgespart in dem
Papier ist unter anderen [6][das Staatsbürgerschaftsrecht]. Auch dazu kommt
bald ein Gesetzesvorstoß der Ampel, eine fraktionsoffene Sitzung am
Dienstagabend soll neuen Konflikten vorbeugen.
13 Mar 2023
## LINKS
[1] /Regionalkonferenz-der-CDU-in-Muenster/!5921151
[2] /Politikwissenschaftler-ueber-10-Jahre-AfD/!5913279
[3] /Europas-Grenzschutz/!5900923
[4] /Strategie-der-Ampel-gegen-Personalluecken/!5910108
[5] /Debatte-um-Chancenaufenthaltsrecht/!5899875
[6] /Integrationsbeauftragte-ueber-Einbuergerung/!5895499
## AUTOREN
Sabine am Orde
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