# taz.de -- Regionalkonferenz der CDU in Münster: Eine Partei sucht die Zukunft | |
> Die CDU will sich ein neues Grundsatzprogramm geben, in vier | |
> Regionalkonferenzen wird die Basis beteiligt. Das hat auch was von | |
> Motivationscamp. | |
Bild: CDU-Politiker Carsten Linnemann gibt bei der Regionalkonferenz den Animat… | |
MÜNSTER taz | An diesem Abend muss Carsten Linnemann immer wieder den | |
Animateur geben. „Jetzt müssen Sie ihre Handys rausholen“, sagt er. Dann | |
fordert er das Publikum auf, den QR-Code an den Stühlen zu scannen und | |
Werte einzugeben, die es mit dem „C“ im Namen der Partei verbindet. Doch | |
erst mal tut sich nicht viel. „Ja komm, jetzt machen Sie schon mit“, sagt | |
Linnemann da und läuft ein bisschen über die Bühne. | |
Dann tauchen die ersten Worte auf dem großen Screen hinter ihm auf. | |
Nächstenliebe steht da, Vielfalt, Zusammenhalt. Andere kommen hinzu: | |
Menschenwürde, Tradition, Familie, Leitkultur, konservativ; so geht es | |
weiter. Manche werden größer, weil sie von vielen eingetippt werden, am | |
Ende stechen drei Begriffe fett markiert hervor: Nächstenliebe, | |
Zusammenhalt, Respekt. | |
Die CDU hat an diesem Freitag Abend in das Messe- und Congresszentrum in | |
Münster zu ihrer zweiten Regionalkonferenz geladen. Die erste hat am Abend | |
zuvor in Pforzheim in Baden-Württemberg stattgefunden. In zwei Wochen sind | |
zwei weitere im Norden und im Osten geplant. So soll die Basis an der | |
Erarbeitung des neuen Grundsatzprogramms beteiligt werden. Das Interesse | |
hier in NRW scheint groß. Tausend Stühle hat die Partei aufstellen lassen, | |
nur wenige davon bleiben leer. Im Publikum dominieren zwar, wie so oft bei | |
der CDU, ältere Männer, doch auch viele Frauen und junge Leute sind | |
gekommen. | |
Nun war die CDU nie eine Programmpartei, und das wird sich auch unter | |
[1][ihrem neuen Vorsitzenden Friedrich Merz] nicht ändern. Entscheidend war | |
immer die Macht und ein gewisser Pragmatismus beim Regieren. Und dennoch | |
braucht die CDU dringend dieses neue Grundsatzprogramm – nicht nur, weil | |
das alte von 2007 ist und damit auf die heutige Zeit nicht mehr passt. | |
Nach den 16 Jahren Kanzlerschaft von Angela Merkel war die CDU inhaltlich | |
ausgelaugt, wusste selbst nicht mehr, wofür sie steht und wohin sie will. | |
Auch das hat zu der dramatischen Niederlage bei der letzten Bundestagswahl | |
und dem Gang in die Opposition geführt. Und so geht es bei dem ganzen | |
Prozess natürlich auch darum, diese Wahlniederlage hinter sich zu lassen – | |
mit der ganzen Erschütterung und Depression, zu der diese geführt hat. | |
## Linnemann tigert über die Bühne | |
Mit Merz will die CDU den Sprung in die Zukunft schaffen – und zurück an | |
die Macht. Das neue Grundsatzprogramm soll 2024 zur Europawahl fertig sein | |
und die CDU dann auch in die nächste Bundesatgswahl tragen. Und so liegt es | |
nicht nur an Linnemann, der mit Headset ausgestattet über die Bühne tigert | |
und das Publikum animiert, dass diese Regionalkonferenz auch etwas von | |
einem Motivationscamp hat. | |
Linnemann, trotz seiner 45 Jahre ein bürschchenhafter Typ, hat lange die | |
Mittelstandsvereinigung der CDU geleitet. Seit Merz Parteichef ist, ist er | |
einer seiner Stellvertreter und leitet die Kommission für das neue | |
Grundsatzprogramm. Jetzt lotst er Parteimitglieder aus dem Publikum an die | |
Mikrofone im Saal, sie sollen ihre Begriffe erklären. Ein Mann sorgt sich | |
um den gesellschaftlichen Zusammenhalt, ein anderer betont die Würde des | |
Menschen im Umgang mit den vielen Geflüchteten aus der Ukraine. | |
Doch weit mehr als die Basis sprechen an diesem Abend die Funktionär*innen. | |
Erst eröffnet [2][Generalsekretär Mario Czaja] die Konferenz, dann hält | |
Ministerpräsident Hendrik Wüst ein Grußwort, die Kölner | |
Bundestagsabgeordnete Serap Güler, stellvertretende Leiterin der | |
Programmkommission, erklärt den Prozess der Programmwerdung. Später hält | |
Parteichef Merz eine Rede und beantwortet einige Fragen aus dem Publikum. | |
Mit Linnemann auf der Bühne sind [3][drei Politiker*innen aus NRW], | |
die bei der Programmarbeit Fachgruppen leiten. Zehn Fachgruppen gibt es | |
insgesamt, in jeder sitzen 13 Personen, zwei davon sind Basismitglieder. | |
3.600 Mitglieder, sagt Güler, hätten sich dafür beworben. Die anderen | |
sollen über die Regionalkonferenzen einbezogen werden und auch über eine | |
Mitgliederbefragung, die am Mittwoch startet. | |
Das Ziel: Herausfinden, welche Schwerpunkte die Partei aus Sicht ihrer | |
Mitglieder künftig setzen soll. Siebzehn Fragen insgesamt sollen die | |
Parteimitglieder in der Umfrage beantworten. Darunter: Was muss man tun, um | |
die Energieversorgung in Deutschland nachhaltig zu sichern? Was benötigen | |
Familien heute am dringendsten? Was sind die wichtigsten Maßnahmen, um den | |
Arbeits- und Fachkräftemangel in Deutschland zu bekämpfen? Wie soll sich | |
Deutschland ganz generell im Umgang mit Asyl- und Schutzsuchenden | |
verhalten? | |
## Zum Thema Klimawandel ist nicht viel zu hören | |
In Münster ist schnell klar, was die Parteimitglieder am meisten umtreibt. | |
Als Linnemann sie für eine zweite Wortwolke fragt, was die größten | |
Herausforderungen seien, vor denen Deutschland steht, sticht am Ende vor | |
allem ein Begriff heraus: Migration. Dazu kommen, etwas kleiner, | |
Klimawandel und Digitalisierung. Jeder sei vom Klimawandel betroffen, sagt | |
ein Mann aus Bonn, der wenig später am Saalmikrofon steht. Jeder könne | |
seinen Beitrag leisten. „Aber die CDU muss auf den Menschen setzen und | |
nicht auf Verbote.“ | |
Ina Scharrenbach, Heimatministerin in NRW, Vorsitzende der Fachkommision | |
„Moderner Staat“ und eine der drei, die mit Linnemann auf der Bühne stehen, | |
spricht lieber von „Klimaanpassung“. Das sei Schutz für Menschen, Tiere, | |
Natur. Der Bundestagsabgeordnete Thomas Jarzombek von der Fachkommison | |
„Aufstieg“ betont die Bedeutung von grünem Wasserstoff und die Chancen, die | |
im CCS liegen, der Speicherung von CO2 in der Erde. Er sagt: „Dem | |
Klimawandel mit Innovationen begegnen, nicht mit Verboten.“ Viel mehr ist | |
von der CDU zum Thema Klimawandel an diesem Abend nicht zu hören. | |
Auf der Bühne steht auch Karl-Josef Laumann, Arbeits- und Sozialminister | |
aus NRW und stellvertretender Leiter der Fachkommission Soziale Sicherung. | |
Ihn treiben vor allem die Themen Rente und Pflege um. Eine Lösung für das | |
Rentenproblem zu finden, sei „nicht einfach“, sagt Laumann. Für ihn aber | |
sei klar, dass „die Zusatzversorgung nicht im Bereich der Freiwilligkeit | |
bleiben“ könne. Sprich, dass es neben der gesetzlichen Rentenversicherung | |
ein verpflichtende andere geben muss. | |
Auch Merz wird später betonen, dass die CDU sich eine Programmatik zur | |
Rente noch erarbeiten muss. Zum Thema Migration sagt auf dem Panel niemand | |
etwas, auch holt Linnemann dazu keinen ans Mikrofon. Merz wiederholt in | |
seiner Rede vor allem, dass man die Bereiche Asyl und Zuwanderung klar | |
voneinander trennen muss. | |
Nach drei Stunden, nach vielen Einspielern und noch mehr Beiträgen, fasst | |
Linnemann sein Ziel noch einmal zusammen: „Wenn man jeden von Ihnen um drei | |
Uhr nachts weckt“, sagt er, dann solle jeder drei bis fünf Dinge aufzählen | |
können, für die die CDU stehe. Dann ist mit der Animation für diesen Abend | |
Schluss. | |
11 Mar 2023 | |
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## AUTOREN | |
Sabine am Orde | |
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