| # taz.de -- Juristin über Fachkräftemigration: „Migration wird männlich ge… | |
| > Beim geplanten Gesetz zur Fachkräfteeinwanderung seien die Bedarfe von | |
| > Frauen nicht ausreichend berücksichtigt, sagt Juristin Sina Fontana. | |
| Bild: Wer mehr Frauen als Fachkräfte gewinnen will, muss auch Aspekte wie Kind… | |
| taz: Frau Fontana, Expert*innen sagen, Deutschland brauche jährlich | |
| 400.000 Arbeitskräfte aus dem Ausland – mindestens. Diese Woche will das | |
| Kabinett ein [1][neues Gesetz zur Fachkräfteeinwanderung beschließen]. Wird | |
| Deutschland damit attraktiver? | |
| Sina Fontana: Das Gesetz geht diese Aufgabe an, es gibt aber noch mehr | |
| Potenzial, zum Beispiel mit Blick auf Frauen. Damit meine ich sowohl Frauen | |
| als Fachkräfte als auch Frauen und Kinder, die zusammen mit Fachkräften | |
| nach Deutschland kommen. Deren Bedürfnisse sollten im Gesetz noch stärker | |
| berücksichtigt werden. | |
| Aber das Gesetz macht doch gar keine Unterschiede zwischen Männern und | |
| Frauen. | |
| Grundsätzlich sind Frauen mitgemeint, das Gesetz differenziert da nicht. | |
| Trotzdem können bestimmte Vorschriften sich eher zugunsten oder eher | |
| zulasten von Frauen auswirken. | |
| Das klingt sehr abstrakt. Haben Sie ein konkretes Beispiel? | |
| Nehmen wir mal einen zentralen Aspekt der sogenannten Chancenkarte: Mit | |
| einem Punktesystem soll es künftig möglich sein, dass Fachkräfte auch ohne | |
| Arbeitsvertrag zur Jobsuche nach Deutschland kommen. Punkte gibt es etwa | |
| dafür, wenn die betreffende Person höchstens 35 Jahre alt ist – also noch | |
| lange in die Rentenkasse einzahlen kann. Das ist aber nun genau das Alter, | |
| in dem meist auch die Kindererziehung stattfindet – und [2][die wird immer | |
| noch vorwiegend von Frauen gemacht]. Das heißt: Frauen haben unter | |
| Umständen schlechtere Chancen auf die Chancenkarte. | |
| Wie ließe sich das besser machen? | |
| [3][Wir vom Juristinnenbund schlagen vor], die Altersgrenze bei | |
| nachgewiesener Unterbrechung der Erwerbstätigkeit zur Kinderbetreuung um | |
| zwei Jahre anzuheben. Wenn man schon eine Gesetzesreform macht, könnte man | |
| übrigens auch gleich auf Geschlechtergerechtigkeit in der Sprache achten. | |
| Im Migrationsrecht ist durchgängig von „dem Ausländer“ die Rede. | |
| Ist das nicht Wortklauberei? | |
| Erstens [4][gibt das Grundgesetz Geschlechtergerechtigkeit vor]. Diesem | |
| Auftrag sollte man als Staat auch sprachlich gerecht werden. Dessen | |
| ungeachtet wird Arbeitsmigration immer noch sehr männlich gedacht. Außer es | |
| geht um „typische“ Frauenberufe wie Pflege oder Erziehung – also die | |
| Entlastung von Care-Aufgaben durch Migrantinnen. | |
| Sie haben Frauen als mitziehende Angehörige genannt. Wie ist da die | |
| Situation? | |
| Die Politik hat inzwischen begriffen, dass es für ein Einwanderungsland | |
| essentiell ist, auch die Familie von Fachkräften mitzudenken. Der Nachzug | |
| von Ehepartner*innen und minderjährigen Kindern ist grundsätzlich | |
| möglich, nicht nur für Fachkräfte. Für Inhaber*innen der Blauen Karte – | |
| also für zuwandernde Akademiker*innen – soll es jetzt weitere | |
| Erleichterungen geben, etwa beim Wohnraum. Bereits heute müssen | |
| Ehepartner*innen von Blaue-Karte-Inhaber*innen nicht schon vor der | |
| Einreise Deutschkenntnisse nachweisen. | |
| Die sind aber doch wichtig, um hier anzukommen, oder? | |
| Natürlich. Gleichzeitig ist der Zugang zu Sprachkursen in den | |
| Herkunftsländern nicht immer einfach. Man könnte auch sagen: Die Frauen | |
| sollen diese Sprachfähigkeit durch einen schnellen Zugang zu einem | |
| Integrationskurs möglichst zügig hier vor Ort erwerben. | |
| Wir reden über Akademiker*innen. Der Fachkräftemangel in Deutschland | |
| erstreckt sich inzwischen aber längst auch auf Menschen mit | |
| Berufsausbildung. | |
| Je einfacher man es für Familien macht, desto attraktiver ist man als Land. | |
| Das Gesetz und auch die politische Debatte zielen durchaus darauf, auch | |
| unterhalb des Akademikerniveaus gezielt anzuwerben. Insofern wäre es | |
| sinnvoll, Erleichterungen auch auf diese Gruppe auszuweiten. Familien haben | |
| ein Bedürfnis, zusammen zu sein. Nur wenn das unkompliziert möglich ist, | |
| werden Menschen auch langfristig herkommen und bleiben. | |
| 27 Mar 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Fachkraefte-aus-dem-Ausland/!5907189 | |
| [2] /Fehlende-Arbeitskraefte/!5911229 | |
| [3] https://www.djb.de/presse/stellungnahmen/detail/st23-08 | |
| [4] https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_3.html | |
| ## AUTOREN | |
| Dinah Riese | |
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