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# taz.de -- Professor über Fachkräftezuwanderung: „Verwaltungsabläufe sind…
> Ausländische Arbeitskräfte sollen leichter nach Deutschland kommen
> dürfen. Ein Problem bleibe der bürokratische Flaschenhals, sagt Hans
> Vorländer.
Bild: Fast zwei Millionen Arbeitsplätze sind hierzulande nicht besetzt
Fast zwei Millionen Arbeitsplätze sind hierzulande nicht besetzt. Viele
Firmen und Verwaltungen finden nicht genug neue Leute. Auch deshalb will
die Bundesregierung mehr Arbeitskräfte aus Nicht-EU-Staaten einwandern
lassen. Kann [1][der neue Gesetzentwurf dabei helfen]?
Er mag in der Tat Erleichterungen bringen. Eine entscheidende Veränderung
in diesem Gesetzentwurf zur Fachkräfteeinwanderung ist, dass ein Dogma
wegfällt. Ausländische Bewerber müssten ihre heimischen Berufsabschlüsse
dann hierzulande nicht mehr als gleichwertig mit deutschen Qualifikationen
anerkennen lassen. Künftig kommt es stärker auf die praktische
Berufserfahrung an.
Halten Sie es für sinnvoll, die Gleichwertigkeit ausländischer Abschlüsse
mit deutschen beiseite zu legen?
Heute ist es sehr umständlich und langwierig, die Zertifikate über die
Gleichwertigkeit auszustellen. Das liegt daran, dass sich die
Ausbildungssysteme vieler anderer Staaten stark von unseren unterscheiden.
Wird nicht die Qualität der Arbeit leiden, wenn der Standard sinkt?
Nein, nicht unbedingt. Weiterbildung on the job ist dann notwendig. Zudem
hat der Arbeitgeber ja selbst ein Interesse daran, bei der Einstellung
darauf zu achten, dass die zukünftigen Beschäftigten eine den
[2][Anforderungen entsprechende Arbeit] leisten können.
Auch Deutschkenntnisse sollen in Zukunft nicht mehr so wichtig sein.
Teilweise können sie beispielsweise durch gute Englischkenntnisse ersetzt
werden. Allerdings müssen wir sicherstellen, dass die Einwanderer dann
Deutsch lernen, wenn sie hier sind. Dabei geht es nicht nur um die
Alltagssprache, sondern auch um die Fachsprache, die sie am Arbeitsplatz
brauchen.
Auch der neue Gesetzentwurf verlangt, dass Bewerberinnen und Bewerber in
der Regel einen Arbeitsplatz in Deutschland nachweisen müssen, bevor sie
einwandern dürfen. Ist diese Hürde nicht zu hoch?
Nein, das halte ich für eine realistische Bedingung. Mit Smartphones und
Videocalls können hiesige Arbeitgeber und ausländische Bewerber
mittlerweile leicht Kontakt aufnehmen. Vor der Einreise hier einen
Arbeitsplatz in Aussicht zu haben, entspricht oft der geübten Praxis. Bund
und Länder, deutsche Botschaften und Konsulate, Industrie- und
Handelskammern oder auch Unternehmen suchen ja gezielt nach Arbeitskräften.
Außerdem sind die Möglichkeiten, zur Suche eines Arbeitsplatzes nach
Deutschland zu kommen, 2020 durch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz
gestärkt worden. Sie werden jetzt noch weiter ausgebaut.
Eine Ausnahme bildet die geplante Chancenkarte [3][mit dem neuen
Punktesystem]: Unter anderem für ihre Qualifikation, Berufserfahrung und
Deutschkenntnisse bekommen die Bewerberinnen und Bewerber Punkte
gutgeschrieben. Ab einer bestimmten Anzahl dürfen sie dann auch zur
Jobsuche einreisen. Eine gute Sache?
Prinzipiell ist das eine Möglichkeit, die Attraktivität der
Arbeitsplatzsuche in Deutschland zu erhöhen. Aber ich fürchte, es ist sehr
aufwändig und bildet eventuell einen Flaschenhals. Enormer bürokratischer
Mehraufwand könnte den Erfolg verhindern.
Sie kritisieren, dass die Einwanderungsverwaltung wie bisher überfordert
und deshalb zu langsam sein werde. Wo liegt das Problem?
Ein Beispiel: Bewerber erhalten drei von sechs nötigen Punkten, wenn sie
während der vergangenen sieben Jahre eine mindestens fünfjährige
Berufstätigkeit ausgeübt haben. Ein einfacher Lebenslauf wird nicht
ausreichen, um das zu belegen. Also müssen die ausländischen Beschäftigten
Nachweise über ihre Ausbildung und Berufserfahrung beibringen. Etwa die
deutschen Botschaften und Konsulate im Ausland müssen diese Zertifikate
überprüfen und nach Deutschland übermitteln. Hierzulande müssen die
Ausländerbehörden diese und weitere Informationen in Punkte übersetzen. Die
Verwaltungsabläufe dafür sind bisher nicht klar. Es fehlt an
Datenverarbeitung und Personal. Die Anerkennung der Gleichwertigkeit von
Berufsabschlüssen fällt zwar weg, aber es kommen neue Prüfpflichten hinzu.
Fachleuten zufolge brauchen wir rund 400.000 Zuwanderer pro Jahr, um im
kommenden Jahrzehnt unseren Bedarf an Beschäftigten zu decken. Kann das
neue Gesetz einen Beitrag leisten?
Das wissen wir heute noch nicht. Daneben wird aber auch an anderen Vorhaben
gearbeitet. So wird die sogenannte Westbalkan-Regelung entfristet und
erweitert werden. Augenblicklich dürfen 25.000 Arbeitskräfte ohne formale
Qualifikation jährlich unter anderem aus Albanien, Bosnien und Serbien nach
Deutschland kommen. Eventuell soll das auch auf andere Staaten wie Tunesien
analog angewendet werden.
Augenblicklich kommen wieder viele Flüchtlinge übers Mittelmeer. Die EU
lässt vor allem Italien und Griechenland mit dem Problem allein. Könnte
eine verstärkte Arbeitseinwanderung nach Deutschland den Druck
beispielsweise aus Afrika etwas mildern?
Das kann sein, und es ist auch beabsichtigt. Außerdem könnten
Migrationsabkommen mit einzelnen Staaten wie Tunesien oder Ghana aus
irregulärer Migration reguläre Erwerbseinwanderung machen. Aber das ist ein
längerfristiger Prozess.
Bisher gibt es die Zuwanderung aus EU-Staaten, das Asyl für politisch
Verfolgte und die Arbeitskräfte-Einwanderung aus Drittstaaten. Wäre es
nicht an der Zeit, einen vierten Kanal zu öffnen? Deutschland könnte sagen,
wir nehmen jedes Jahr beispielsweise 20.000 Leute aus Mali, 10.000 aus
Ghana, 10.000 aus dem Irak, und so weiter. Sie dürften kommen ohne
Voraussetzungen.
Das ist eine Idee, wie es sie bei Kontingentierungen oder dem
Aufnahmeprogramm aus Afghanistan praktiziert wird. Begründungen für solche
Einwanderungen aus humanitären Gründen wären beispielsweise Bürgerkriege
oder der Klimawandel. Das kann unter bestimmten Voraussetzungen ausgeweitet
werden.
25 Apr 2023
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## AUTOREN
Hannes Koch
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