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# taz.de -- Erwerbstätige in Deutschland: Mehr Migration bringt uns voran
> In Zeiten des Fachkräftemangels sollten wir froh sein über alle
> Migrant*innen, die sich nach Deutschland durchschlagen, sagt unsere
> Autorin.
Bild: Die Hoffnung trügt, dass viele PflegerInnen darauf warten würden, in De…
Schon lange ist klar, dass heute Erwerbsfähige fehlen. Das Nürnberger
Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) prognostizierte schon
2005 in einer [1][Studie], dass die Zahl der Erwerbsfähigen ab 2020 sinkt
und diese Lücke bis 2050 auf etwa 12,3 Millionen anwächst.
Bisher liegt das Institut richtig, und diese Treffsicherheit ist kein
Wunder. Denn die Kinder, die heute arbeiten sollen, waren ja damals schon
geboren. Ebenso war klar, dass der spärliche Nachwuchs nicht reichen würde,
um die vielen Babyboomer zu ersetzen, die jetzt in Rente gehen.
In seiner damaligen Studie hat das IAB übrigens berücksichtigt, dass
Deutschland schon seit Jahrzehnten ein Einwanderungsland ist – und daher
angenommen, dass jährlich etwa 200.000 Erwerbsfähige zuziehen. Trotzdem, so
war die Prognose, würden 2050 etwa 12,3 Millionen Berufstätige fehlen.
Schon seit Jahren sind also zwei Fakten überdeutlich: Deutschland benötigt
dringend Zuwanderung – und zugleich wird der Zuzug gar nicht reichen, um
den Schwund an Erwerbsfähigen auszugleichen.
## Um jeden Preis nach Deutschland?
Es ist daher etwas seltsam, dass [2][Deutschland Flüchtlinge abwimmelt]
oder jahrelang nicht arbeiten lässt. Stattdessen sollte man eigentlich froh
sein über jeden Migranten, der sich nach Deutschland durchschlägt. Doch in
der Bundesrepublik hält sich die Fiktion, dass es nützliche und unnütze
Migration geben könnte.
Eher [3][unwillkommen sind Flüchtlinge], weil sie sich eigenmächtig auf den
Weg machen. Sie sind nicht „angeworben“ worden, was den Verdacht nährt, sie
könnten sich nicht in die deutsche Wirtschaft integrieren. [4][Gewünscht
sind hingegen „Fachkräfte“], die anderswo auf der Welt ausgebildet wurden
und dann hier passgenau eingesetzt werden sollen.
Wie jedoch schon diverse Gesundheits- und Wirtschaftsminister feststellen
mussten, trügt die Hoffnung, dass weltweit ganz viele PflegerInnen oder
IT-Spezialisten händeringend darauf warten würden, in Deutschland
anzuheuern. Es ist ein enormer Schritt, dauerhaft seine Heimat zu
verlassen. Daher sollte man sich auf jene Menschen konzentrieren, die dazu
bereit sind – also die Flüchtlinge.
## Zuzug schließt die Lücken nicht
Es mag zynisch wirken, den ökonomischen Nutzen von Flüchtlingen
hervorzuheben. Schließlich ist es ein Menschenrecht, sich anderswo in
Sicherheit zu bringen, wenn zuhause Gefahr droht. Aber die Erfahrung zeigt,
dass moralische Argumente kaum Wirkung zeigen. Sonst würden wir Menschen in
Not bereitwilliger aufnehmen und schneller integrieren.
In der schnöden Realität nützt es auch den Flüchtlingen, an den
ökonomischen Eigennutz der Deutschen zu appellieren.
Trotzdem bleibt das Problem, dass der Zuzug allein die Lücken auf dem
Arbeitsmarkt gar nicht schließen kann. Also wird sich die Gesellschaft
rigoros fragen müssen, welche Tätigkeiten gebraucht werden – und welche
nicht. Diese Frage ist bisher nie gestellt worden, weil es immer genug
Arbeitskräfte gab. Daher ist auch noch nicht klar, wie die Antwort
ausfallen wird.
Aber die Corona-Zeit mag eine erste Orientierung bieten. Damals fiel auf,
dass die „systemrelevanten“ Jobs nicht unbedingt jene sind, die viel
Prestige genießen und weit oben in der Hierarchie angesiedelt sind.
Gebraucht wurden stattdessen PflegerInnen, LKW-FahrerInnen und die
Bediensteten im Supermarkt. Für viele Chefs und Akademiker war es keine
schöne Erkenntnis, dass Selbstwahrnehmung und Bedeutung auseinanderklaffen
könnten.
30 Apr 2023
## LINKS
[1] https://doku.iab.de/forschungsbericht/2005/fb1605.pdf
[2] /Abstruse-FDP-Idee-zum-Klimaschutz/!5909153
[3] /Flucht-und-Migration-nach-Europa/!5925482
[4] /Zehntausende-Fachkraefte-fehlen/!5926891
## AUTOREN
Ulrike Herrmann
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