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# taz.de -- Unsicherheit von Prognosen: Da hilft nur noch Gelassenheit
> Bald gibt es zu viele Grundschullehrer, sagt eine neue Prognose.
> Vorhersagen zur Demografie sind meistens falsch, aber dadurch nicht
> überflüssig.
Bild: In Zukunft zu wenige oder zuviele? Grundschullehrer mit Schüler:innen in…
Es klingt erstaunlich: In ganz Deutschland fehlen Arbeitskräfte, aber für
die Grundschulen soll es demnächst einen Überschuss an LehrerInnen geben.
[1][Die Bertelsmann-Stiftung hat kürzlich prognostiziert], dass in den
Jahren 2023 bis 2035 insgesamt 45.800 GrundschulpädagogInnen zu viel
ausgebildet werden.
Das ist eine enorme „Fehlallokation von Ressourcen“, wie Betriebswirte
diesen Überhang nennen würden. 2035 werden in ganz Deutschland nämlich nur
180.000 GrundschullehrerInnen gebraucht. Die überflüssigen 45.000
entsprechen also satten 25 Prozent.
[2][Trotzdem müssen Abiturienten nicht panisch werden, falls sie bisher
davon geträumt haben, künftig einmal Grundschüler zu unterrichten]. Sie
sollten weiterhin auf Lehramt studieren. Denn auf Prognosen ist kein
Verlass, wie eine andere Studie zeigt. Die Kultusministerkonferenz rechnet
im gleichen Zeitraum nur mit einem Überhang von 6.300 Lehrkräften für die
Grundschulen.
Dass Schätzungen extrem fehleranfällig sind, musste auch die
Bertelsmann-Stiftung erleben. Im November 2019 prognostizierte sie nämlich
noch, dass bereits im Jahr 2025 etwa 26.300 AbsolventInnen für das Lehramt
an den Grundschulen fehlen würden. Nur vier Jahre später ist aus diesem
extremen Mangel ein Überhang geworden.
Ein Grund ist, dass sich nur schwer vorhersehen lässt, wie viele Kinder
geboren werden. In den vergangenen drei Jahren war ein enormer Einbruch zu
verzeichnen, den niemand erwartet hat. 2021 kamen 795.500 Babys zur Welt,
2023 waren es nur noch 689.300. Wer weiß, ob sich dieser Trend wieder
umkehrt – und es zu mehr Geburten kommt.
Vor allem aber: Der Überschuss an LehrerInnen wird aktuell nur für die
Grundschulen prognostiziert. [3][An Gesamt- und Stadtteilschulen wird
weiterhin Personal fehlen]. Auch in den naturwissenschaftlichen Fächern
herrscht großer Mangel. Wer LehrerIn werden will, kann sich diesen Wunsch
unverändert erfüllen.
## Andere Prognosen liegen auch oft daneben
Bei den Grundschulen zeigt sich im Kleinen, was sich bei der Demografie
generell beobachten lässt: Vorhersagen sind meistens falsch. Eine beliebte
Frage ist beispielsweise, wie viele Erwerbsfähige es in Deutschland 2050
insgesamt geben wird. Denn ohne Arbeitskräfte bleibt die Arbeit liegen.
Vor zwanzig Jahren lautete die Prognose, dass bis 2050 etwa 12 Millionen
Erwerbsfähige fehlen werden, weil die Babyboomer in Rente gehen, aber kaum
Jugendliche nachwachsen. Jetzt könnte diese Lücke nur noch 7 Millionen
betragen. Das ist immer noch ein erhebliches Problem, aber
erstaunlicherweise hat es sich fast halbiert. An der Einwanderung kann es
übrigens nicht liegen, denn sie war immer einkalkuliert.
Nicht nur in der Berufsforschung liegen die Prognosen regelmäßig falsch.
Berühmt-berüchtigt sind auch die Vorhersagen zum Konjunkturverlauf, die die
Wirtschaftsforschungsinstitute regelmäßig abgeben. Für 2024 liegt die
Spanne aktuell zwischen einem Plus von 0,9 Prozent und einem Minus von 0,5
Prozent. Das entspricht immerhin einem Unterschied von fast 60 Milliarden
Euro, wenn man diese Prognosen auf das Volkseinkommen hochrechnet.
Trotzdem sind Prognosen nicht überflüssig. Sonst ließe sich gar nicht
planen. Aber wie soll man die Zukunft gestalten, wenn es immer anders kommt
als gedacht? Wahrscheinlich hilft nur Gelassenheit. Der berühmte Ökonom
John Maynard Keynes prognostizierte schon vor fast hundert Jahren, dass die
Zukunft prinzipiell unsicher ist.
3 Feb 2024
## LINKS
[1] https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/themen/aktuelle-meldungen/2024/janua…
[2] /Zu-viele-Grundschullehrkraefte/!5984724
[3] /Lehrerinnenmangel-in-Berlin/!5961221
## AUTOREN
Ulrike Herrmann
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