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# taz.de -- Unsinn von Wirtschaftsprognosen: Trau keiner Vorhersage für 2023
> Zum neuen Jahr erscheinen viele Wirtschaftsprognosen. Für den Unsinn
> braucht es keine Ökonomen, sagt unsere Autorin. Die Vorhersagen sind
> immer falsch.
Bild: Blick in den Börsensaal l der Deutschen Börse in Frankfurt am Main
Wie wird [1][2023]? Diese Frage stellt sich bei jedem Jahresanfang, aber
eigentlich ist es Quatsch, Prognosen zu wagen. Zumindest für die Wirtschaft
liegen sie immer daneben. Das vergangene Jahr war dafür ein eindrucksvolles
Beispiel. Die Bundesbank nahm eigentlich an, dass die deutsche Wirtschaft
2022 um 4,2 Prozent wachsen würde. [2][Doch dann griff Russland die Ukraine
an]. Nun sind alle froh, dass das Plus bei etwa 1,9 Prozent liegen dürfte.
Auch die schwere Finanzkrise ab 2008 oder die Coronapandemie ab März 2020
hat niemand vorhergesehen. Es kam schlimmer als gedacht. Nun ist es nicht
überraschend, dass einmalige Ereignisse alle Prognosen
durcheinanderwürfeln. Doch es sollte zu denken geben, dass die ökonomischen
Vorhersagen selbst in normalen Jahren scheitern und verlässlich
danebenliegen.
Das britische Wirtschaftsmagazin The Economist unterhält ein riesiges
Archiv von Konjunkturprognosen und [3][hat für die Jahre 2000 bis 2017
ermittelt], dass die Vorhersagen bei einem Aufschwung im Durchschnitt um
0,6 Prozentpunkte irrten und bei Rezessionen sogar um 1,8 Prozentpunkte
falschlagen.
Selbst das laufende Jahr lässt sich nicht genau berechnen. Wenn Anfang
September das Wachstum der nächsten vier Monate geschätzt wird, kommt am
Ende immer noch ein Fehler von durchschnittlich 0,4 Prozentpunkten heraus.
Und es wird schlimmer, je größer die Zeiträume werden.
Wer gerne wüsste, wie sich die Wirtschaft in zwei Jahren entwickelt, sollte
den Prognosen niemals trauen. Sie sind immer falsch und schneiden nicht
besser ab, als wenn man die aktuelle Wachstumsrate einfach fortschreiben
würde. Das kann jeder, für diesen Unsinn braucht man keine Ökonomen.
Doch unbeirrt geben die Wirtschaftsforschungsinstitute auch mittelfristige
Konjunkturprognosen ab. So schätzt das ifo Institut für
Wirtschaftsforschung aktuell, dass die deutsche Wirtschaft im Jahr [4][2024
um 1,6 Prozent] zulegt. Das ist garantiert falsch oder der reine Zufall,
falls es doch richtig sein sollte.
Die Zukunft ist unsicher und unbekannt. Diese Erkenntnis ist banal, wird
aber trotzdem gern ignoriert. Denn es wäre unerträglich, sich diese
prinzipielle Ungewissheit einzugestehen. Also wird munter vorhergesagt und
damit eine Kontrolle suggeriert, die es gar nicht geben kann.
## Vier verschiedene Vorhersagen
Allein im Dezember sind mindestens vier verschiedene Prognosen erschienen,
wie das Jahr 2023 wirtschaftlich ausfallen dürfte. Da will Cash & Crash
nicht zurückstehen. Also: Die Energiepreise werden fallen, weswegen auch
die Inflation zurückgeht. Der Mangel an Fachkräften wird sich verschärfen,
weil weiterhin sehr viele Babyboomer in Rente gehen. Der Ukrainekrieg wird
noch eine Zeit lang andauern, aber die Wirtschaft nicht mehr zusätzlich
belasten. Denn Putin hat bereits maximal eskaliert, sodass der Krieg auf
den Weltmärkten inzwischen komplett eingepreist ist.
Diese Vorhersage gilt natürlich nur, wenn [5][China nicht Taiwan angreift],
Putin keine Atombombe zündet und auch keine neue gefährliche Coronavariante
entsteht. Es wird also ein unaufgeregter Normalfall unterstellt.
Aber auch für dieses harmlose Szenario weist Cash & Crash vorsorglich
darauf hin, dass Beschwerden nicht entgegengenommen werden, falls es anders
kommt. Das ist sowieso klar.
8 Jan 2023
## LINKS
[1] /Jahresrueckblick-2023/!5901687
[2] /Schwerpunkt-Krieg-in-der-Ukraine/!t5008150
[3] https://www.economist.com/graphic-detail/2018/12/15/gdp-predictions-are-rel…
[4] https://www.ifo.de/pressemitteilung/2022-12-14/rezession-faellt-milder-aus-…
[5] /Spannungen-mit-China/!5901565
## AUTOREN
Ulrike Herrmann
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