# taz.de -- Interessenkonflikt bei Wirtschaftsweisen: Beraterin, die nicht bera… | |
> Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm sitzt im Aufsichtsrat von Siemens | |
> Energy und berät die Bundesregierung in Energiefragen. Das kann nicht gut | |
> gehen. | |
Bild: Wird viel schweigen müssen: Wirtschaftsweise Veronika Grimm | |
Es lohnt sich, Aufsichtsrätin bei Siemens Energy zu sein. Das Grundgehalt | |
liegt bei 120.000 Euro im Jahr; hinzu kommen noch Sitzungsgelder und | |
weitere Vergütungen, wenn man in Ausschüssen mitwirkt. Da sind schnell | |
200.000 Euro im Jahr beisammen. Es ist also kein Wunder, dass sich die | |
[1][Wirtschaftsweise] Veronika Grimm dieses lukrative Mandat nicht entgehen | |
lassen wollte. Am vergangenen Montag wurde sie in den Aufsichtsrat gewählt. | |
Das ist legal. Es ist Wirtschaftsweisen gesetzlich nicht verboten, | |
Aufsichtsratsmandate anzunehmen. Trotzdem bleibt Ratlosigkeit zurück, weil | |
nicht zu erkennen ist, wie Grimm künftig ihr Amt als Wirtschaftsweise | |
ausfüllen will. Es gehört nun einmal zur Aufgabe einer Aufsichtsrätin, die | |
Interessen ihres Unternehmens zu vertreten. Aber dieser Fokus lässt sich | |
nicht mit einer unabhängigen Beratung der Bundesregierung verbinden. Grimm | |
ist jetzt Lobbyistin, nicht mehr neutrale Expertin. | |
Dieser Interessenkonflikt ließe sich nur auflösen, indem sich Grimm bei den | |
Wirtschaftsweisen immer dann heraushält, wenn es um Energiefragen geht. | |
Diese Strategie ist jedoch doppelt absurd. Erstens: Grimm ist | |
Energieexpertin. Bei anderen Themen wird sie nicht dringend gebraucht. | |
Zweitens: Energiefragen sind absolut zentral, weil der gesamte Klimaschutz | |
daran hängt. Grimm muss künftig also ziemlich viel schweigen. Das Ergebnis | |
ist bizarr: Die Bundesregierung hat jetzt eine Beraterin, die nicht mehr | |
beraten kann. | |
Erstaunlich, dass Grimm nicht selbst sieht, dass sie bei den | |
Wirtschaftsweisen austreten muss, wenn sie Aufsichtsrätin bei Siemens | |
Energy wird. Die anderen vier Wirtschaftsweisen [2][haben dies auch | |
vehement gefordert]. Wahrscheinlich fürchtet Grimm den Kaskadeneffekt: Sie | |
hat noch diverse andere Beraterjobs, die wohl auch gefährdet wären, wenn | |
sie die eigene Parteilichkeit zum Thema machte. | |
## Den Interessenkonflikt aussitzen | |
Ihrem Lebenslauf ist zu entnehmen, dass Grimm unter anderem in der | |
Expertenkommission zur „Energie der Zukunft“ beim | |
Bundeswirtschaftsministerium sitzt, im „Zukunftskreis“ des Bildungs- und | |
Forschungsministeriums, im Sachverständigenrat für Verbraucherfragen sowie | |
im „Energy Steering Panel“ des European Academies Science Advisory | |
Council. | |
Grimm beruft sich darauf, dass es früher einen ähnlichen Interessenkonflikt | |
gab. Der Wirtschaftsweise Bert Rürup war zugleich Aufsichtsrat der Axa | |
Pensionskasse. Allerdings ist es keine gute Idee, dass Grimm an diesen Fall | |
erinnert: Heraus kam die „Rürup-Rente“, eine private Altersvorsorge, die | |
vor allem den Versicherungskonzernen nutzt. Diesen ungenierten Lobbyismus | |
will niemand erneut erleben. | |
Abhilfe wäre einfach: Gesetzlich ist bereits festgelegt, wen die Regierung | |
nicht als Wirtschaftsweisen berufen darf. VerbandsvertreterInnen sind schon | |
jetzt ausgeschlossen. Diese Liste müsste um Aufsichtsräte erweitert werden. | |
3 Mar 2024 | |
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## AUTOREN | |
Ulrike Herrmann | |
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