# taz.de -- Geburtenrate sinkt fast überall: Bald schrumpft die Weltbevölkeru… | |
> Werden weniger Kinder geboren, ist das ein Zeichen von Wohlstand und | |
> Gleichberechtigung. In der Folge wird aber die globale Wirtschaft | |
> schrumpfen. | |
Bild: Die Geburtenrate sinkt weltweit: Wer soll denn die ganze Arbeit erledigen… | |
[1][Frauen bekommen immer weniger Kinder]. Ist das eine gute oder schlechte | |
Nachricht? 1960 wurden im Durchschnitt weltweit noch etwa 5 Kinder pro Frau | |
geboren, aktuell sind es 2,2 – und der Trend geht weiter nach unten. In | |
einigen Jahrzehnten wird die Weltbevölkerung also schrumpfen, denn es sind | |
mindestens 2,1 Kinder pro Frau nötig, damit die Generationen stabil | |
bleiben. | |
Die Zahl der Kinder pro Frau sinkt so rasant, weil sich im Globalen Süden | |
ein dramatischer Wandel vollzieht. In nur wenigen Jahrzehnten hat sich in | |
vielen Ländern die Fruchtbarkeitsrate mehr als halbiert. Beispiel Indien: | |
1960 hatte eine Frau im Durchschnitt 6 Kinder, jetzt sind es 2. Iranerinnen | |
hatten 1960 sogar 7,3 Kinder und bekommen heute 1,69. Ähnlich ist es in | |
Bangladesch: Dort sank die Fruchtbarkeitsrate von 6,8 auf 1,95 Kinder. | |
Allerdings gibt es weiterhin Länder, die sehr hohe Geburtenraten aufweisen. | |
Über 6 Kinder pro Frau werden immer noch [2][in Niger,] Tschad, Kongo und | |
in Somalia verzeichnet – allesamt besonders arme und instabile Staaten. | |
In den meisten Ländern im Globalen Süden wiederholt sich jedoch, was die | |
reichen Industriestaaten seit dem späten 19. Jahrhundert erleben: Sobald | |
der Wohlstand steigt, werden die Familien kleiner. In Deutschland kamen | |
zuletzt sogar nur 1,36 Kinder pro Frau zur Welt. | |
In der medizinischen Fachzeitschrift [3][The Lancet erschien nun eine | |
Studie], die diese globalen Trends für das Jahr 2100 hochrechnet. Einige | |
der Erkenntnisse: Die weltweite Fruchtbarkeitsrate dürfte dann bei 1,6 | |
Kindern pro Frau liegen. Nur noch sechs Länder werden die magische Marke | |
von 2,1 Kindern erreichen – nämlich Samoa, Tonga, Somalia, Niger, Tschad | |
und Tadschikistan. Von daher ist es einerseits eine erfreuliche Nachricht, | |
dass die Zahl der Kinder rapide sinkt. | |
## Zuwanderung allein reicht nicht aus | |
Denn es ist ein Zeichen des Wohlstands und der Gleichberechtigung, wenn | |
weniger Nachwuchs entsteht. Sobald Mädchen Schulen besuchen dürfen, gehen | |
die Geburten zurück. Die jungen Frauen wollen dann erst einmal berufstätig | |
werden und nicht lebenslang von ihrem Ehemann abhängig sein. | |
Trotzdem macht es Angst, [4][wenn die Kinder ausbleiben]. Denn wer soll die | |
ganze Arbeit erledigen, wenn es viele Alte und nur wenige Junge gibt? | |
Deutschland kennt diese Debatte bestens, die gern als „Vergreisung“ oder | |
„demografische Katastrophe“ tituliert wird. | |
Zuwanderung allein wird nicht weiterhelfen, um den Kindermangel | |
auszugleichen – schon weil es kaum noch Staaten mit einem | |
Geburtenüberschuss geben wird. Bereits 2050, so The Lancet, werden 155 | |
Länder weniger als 2,1 Kinder pro Frau verzeichnen. Es ist also wenig | |
sinnvoll, wenn sich kinderarme Staaten gegenseitig den Nachwuchs abspenstig | |
machen. | |
Eine andere Lösung wäre, noch stärker auf Technik zu setzen. [5][Wenn jeder | |
einzelne Arbeitnehmer produktiver wird, lässt sich mehr herstellen als | |
vorher – selbst wenn die Zahl der Beschäftigten sinkt]. Allerdings hat | |
dieser schöne Plan eine Tücke: Maschinen laufen nur mit Energie, sonst sind | |
sie totes Kapital. Diese Energie muss künftig aber klimaneutral sein, wenn | |
wir als Menschheit überleben wollen. | |
Grüne Energie wird es im Überfluss jedoch nicht geben. Sie wird knapp und | |
teuer bleiben, selbst wenn alle denkbaren Solarpaneele und Windräder | |
installiert werden. Die Menschheit muss sich darauf einstellen, dass die | |
globale Wirtschaft schrumpfen wird. Weil die grüne Energie nicht reicht – | |
und weil pro Frau weniger Kinder geboren werden. | |
31 Mar 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://ourworldindata.org/fertility-rate | |
[2] /Bevoelkerungs-Boom-im-Niger/!5290366 | |
[3] https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(24)00550-6/… | |
[4] /Demografischer-Wandel/!t5019156 | |
[5] /Kuenstliche-Intelligenz/!5925351 | |
## AUTOREN | |
Ulrike Herrmann | |
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