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# taz.de -- Chancen-Aufenthaltsrecht: Viele Anträge gestellt
> Seit rund einem halben Jahr gibt es das sogenannte
> Chancen-Aufenthaltsrecht. Knapp 50.000 Anträge darauf sind bereits
> eingegangen.
Bild: Flüchtlinge 2016 im Grenzdurchgangslager Friedland, sie könnten nun vom…
Berlin dpa | Das [1][Chancen-Aufenthaltsrecht] stößt bei Ausländern, die
von der neuen Regelung profitieren könnten, schon jetzt auf große Resonanz.
Das zeigen die Ergebnisse einer aktuellen Umfrage des Mediendienstes
Integration in den Bundesländern, die der Deutschen Presse-Agentur
vorliegen. Danach haben bereits in den ersten sechs Monaten seit
Inkrafttreten der Gesetzesänderung mindestens 49.000 Menschen einen
entsprechenden Antrag gestellt.
Davon wurden den Angaben zufolge rund 17.000 Anträge bereits bewilligt und
etwa 2.100 Anträge abgelehnt. Demnach waren Tausende Anträge zum Zeitpunkt
der Umfrage noch in Bearbeitung. Die kommunalen Spitzenverbände klagen seit
Monaten über ein sehr hohes Arbeitsaufkommen in den Ausländerbehörden, auch
bedingt durch eine gestiegene Zahl von Flüchtlingen und Asylbewerbern sowie
als Folge von Gesetzesänderungen.
In der Begründung des Gesetzes war die Bundesregierung von schätzungsweise
98.000 Anträgen auf Erteilung eines Chancen-Aufenthaltsrechts ausgegangen.
Zudem wurde vermutet, dass über diese Regelung nach einem Jahr rund 33.000
Menschen die Voraussetzungen für den Übergang in einen gesicherten
Aufenthaltstitel erfüllen und diesen dann beantragen würden.
Das Gesetz zum Chancen-Aufenthaltsrecht trat am 31. Dezember 2022 in Kraft.
Es gibt Menschen, die sich zum Stichtag 1. Oktober 2022 mindestens fünf
Jahre geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis in
Deutschland aufgehalten haben, die Möglichkeit, gemeinsam mit ihren
Angehörigen für 18 Monate eine Art Aufenthaltserlaubnis auf Probe zu
erhalten. Ausgenommen sind Straftäter und Menschen, die zu ihrer Identität
„wiederholt vorsätzlich falsche Angaben gemacht“ und dadurch ihre
Abschiebung verhindert haben.
In den Anwendungshinweisen, die das Bundesinnenministerium zum
Chancen-Aufenthaltsrecht mitgeliefert hat, heißt es, unter „wiederholt“
seien mindestens zwei Falschangaben beziehungsweise Täuschungshandlungen zu
verstehen. „Insbesondere liegt ein wiederholtes Handeln vor, wenn der
Betreffende gegenüber verschiedenen Behörden Falschangaben gemacht oder
getäuscht hat.“
## 137.000 Geduldete leben länger als fünf Jahre in Deutschland
Am Ende der 18 Monate soll ein dauerhaftes Bleiberecht bekommen, wer
überwiegend selbst für seinen Lebensunterhalt aufkommt, ausreichende
Deutschkenntnisse und eine geklärte Identität vorweisen kann. In den
Anwendungshinweisen des Bundesinnenministeriums heißt es: „Sofern während
dieser Gültigkeitsdauer die Identität geklärt wird und sich dabei ergibt,
dass der Ausländer zuvor getäuscht hat, führt diese Erkenntnis nicht zu
einem Erlöschen des Chancen-Aufenthaltstitels.“ Denn Ziel des neuen
Gesetzes sei es, dass sich die „Ehrlichmachung“ nicht nachteilig auswirken
solle.
Laut Ausländerzentralregister (AZR) waren Ende 2022 insgesamt 304.308
Menschen in Deutschland ausreisepflichtig, davon 248.145 mit einer Duldung
und 56.163 ohne Duldung. Neben abgelehnten Asylbewerbern können auch
Touristen, Arbeitnehmer und ausländische Studenten ausreisepflichtig
werden, wenn ihr Visum beziehungsweise ihre Aufenthaltserlaubnis abgelaufen
ist.
Geduldete sind Menschen, die zwar ausreisepflichtig sind, aber aus
bestimmten Gründen nicht abgeschoben werden können. Das kann beispielsweise
daran liegen, dass sie keine Ausweisdokumente haben, krank sind oder ein
minderjähriges Kind haben, das eine Aufenthaltserlaubnis besitzt. Die
Duldung ist befristet.
Laut Ausländerzentralregister gibt es rund 137.000 Geduldete, die zum
Stichtag bereits länger als fünf Jahre in Deutschland lebten. Das bedeutet,
dass bereits mehr als jeder Dritte von ihnen schon einen Antrag gestellt
hat.
Der Anteil derjenigen, die das Chancen-Aufenthaltsrecht inzwischen
beantragt haben, ist regional verschieden, wie die Umfrage ergab. Während
sich in Berlin schon rund 59 Prozent und in Bayern 58 Prozent der
Berechtigten darum bemüht haben, liegt der Anteil in Nordrhein-Westfalen
noch niedriger. Hier hat etwa jeder Dritte einen Antrag gestellt.
Fachanwälte für Migrationsrecht äußerten gegenüber dem Mediendienst
Integration die Vermutung, dass die Art und Weise, wie die Behörden vor Ort
über das Chancen-Aufenthaltsrecht informieren, hier eine Rolle spielen
könnte.
Laut Mediendienst wurden [2][in NRW vier Prozent der Anträge] abgelehnt. In
Bayern und Niedersachsen wurden jeweils rund sechs Prozent der Anträge
abschlägig beschieden.
6 Jul 2023
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[2] /Aufenthaltstitel-fuer-Geduldete/!5838992
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