# taz.de -- Heil und Schulze in Ghana: Pläne für gesteuerte Arbeitsmigration | |
> Der Arbeitsminister und die Entwicklungsministerin sprechen in Ghana über | |
> Hilfen für Auswanderungswillige. Sie wollen dem Fachkräftemangel | |
> entgegenwirken. | |
Bild: Arbeitsminister Hubertus Heil bei einer Pressekonferenz in Accra, Ghana, … | |
ACCRA/BERLIN dpa | Hubertus Heil schwitzt. Fast 6.000 Kilometer sind der | |
Bundesarbeitsminister und seine Kabinettskollegin Svenja Schulze von Berlin | |
nach Ghana geflogen. In der schwülen Februarluft des westafrikanischen | |
Landes verkünden der Arbeits- und die Entwicklungsministerin nichts | |
Geringeres als einen „Paradigmenwechsel in der deutschen | |
Migrationspolitik“. So nennt die Bundesregierung ihren Versuch, Zuwanderung | |
so zu steuern, dass alle Beteiligten etwas davon haben. | |
Heil und Schulze wollen bei dem sensiblen Thema erfolgreicher sein, als es | |
die Große Koalition in der Vergangenheit war. Der damalige | |
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) etwa war 2019 nach Mexiko geflogen, um | |
Pflegekräften den Weg nach Deutschland zu erleichtern. Inzwischen [1][hat | |
die deutsche Fachkräftelücke] in immer mehr Branchen bedrohliche Ausmaße | |
angenommen. Die Ampel-Regierung will den Mangel unbedingt verkleinern – | |
ohne dass Herkunftsländer einen schmerzlichen Aderlass erleiden. | |
## Schulze hofft auf Win-win-win-Situation | |
In Ghanas Hauptstadt Accra sprechen die beiden SPD-Politiker am Montagabend | |
darüber länger mit der ghanaischen Sozialministerin und dem Ressortchef für | |
Industrie. Feuchte Luft um die 30 Grad Celsius macht den Besuchern aus | |
Deutschland zu schaffen, die in Westafrika ansonsten vor allem gegen | |
Menschenrechtsverletzungen bei globalen Lieferketten eintreten wollen. Doch | |
Heil und Schulze lassen sich von den hohen Temperaturen nicht abhalten. Sie | |
wollen hier auch hoffnungsvolle Botschaften zur Migration setzen. „Es geht | |
darum, dass beide Staaten in ihrer Volkswirtschaft davon profitieren | |
können“, sagt Heil. „Deswegen ist es gut, miteinander zu arbeiten und eine | |
Win-win-win-Situation zu schaffen“, meint Schulze. | |
Der „Paradigmenwechsel“, von dem die Regierung spricht, ist schon seit | |
Längerem geplant. Bereits im November bot die Ampel gleich vier | |
Kabinettsmitglieder auf, um für [2][das neue | |
Fachkräfte-Einwanderungsgesetz] zu werben. Damals wurden Eckpunkte | |
beschlossen. Seit Montag nun sammelt die Regierung Stellungnahmen der | |
Bundesländer und der Wirtschaft- und Sozialverbände zu dem geplanten Gesetz | |
ein. Doch worin soll der grundlegende Wechsel bestehen? Sollen nun | |
Fachkräfte um jeden Preis angelockt werden? | |
## Heil will faire Migration | |
Heil und Schulze geben in Accra den Startschuss für eine Neuausrichtung | |
eines bereits bestehenden ghanaisch-deutschen Migrationsberatungszentrums. | |
Die Einrichtung, direkt neben Ghanas Arbeitsministerium gelegen, soll | |
Interessierte informieren: Welche Wege führen nach Deutschland – aber auch | |
in andere EU-Länder? Was müssen auswanderungswillige Ghanaer machen, die es | |
erst mal in anderen afrikanischen Ländern versuchen wollen? Zudem soll das | |
Zentrum – wie bisher schon – aus Deutschland zurückkehrenden Ghanaern | |
helfen, daheim wieder Fuß zu fassen. So verspricht Deutschland unter | |
anderem Unterstützung bei einer Existenzgründung. | |
„Wenn hier der Eindruck entsteht, als würden wir diesem Land kluge | |
Fachkräfte abziehen, dann wäre das ein falscher“, sagt Heil. Denn in Ghana | |
mit seinen knapp 34 Millionen Einwohnern gibt es laut dem deutschen | |
Minister einen Überschuss an gut ausgebildeten Menschen, die daheim keine | |
Arbeit finden. Laut Prognosen wächst Ghanas Bevölkerung in den nächsten | |
zehn Jahren um weitere knapp 7 Millionen Einwohner. „Deshalb ist es | |
wichtig, dass wir in mehrerlei Richtungen dafür sorgen, dass das faire | |
Migration ist.“ | |
Schulze sagt: „Das ist hier ein sehr junges Land mit einer sehr jungen | |
Bevölkerung.“ Tatsächlich sind rund 56 Prozent der Menschen unter 25 Jahre. | |
„Wir sind eine immer ältere werdende Gesellschaft“, setzt Schulze dagegen, | |
„[3][wir brauchen Fachkräfte.]“ | |
## „Mörderische Wege durch Sahara vermeiden“ | |
Viele junge Ghanaer wollen wohl lieber heute als morgen nach Europa. Das | |
Land ist stabil und auch als Reiseland recht sicher, ganz anders als etwa | |
der von terroristische Entwicklungen heimgesuchte nördliche Nachbar Burkina | |
Faso. Doch das Land ächzt unter einer Inflation von über 50 Prozent. Die | |
Wirtschaft ist angeschlagen. Armutsmigration will Deutschland aber nicht | |
anziehen. „Es geht auch darum, mörderische Wege durch die Sahara zu | |
vermeiden“, sagt Heil mit Blick auf illegale Fluchtbewegungen. Mit dem | |
Fachkräfte-Einwanderungsgesetz sollen Einreisewillige zum Beispiel nach | |
Berufserfahrung oder Deutschlandbezug ausgewählt werden. | |
Das Entwicklungsministerium steckt allein in Ghana in den nächsten drei | |
Jahren rund 10 Millionen Euro in Qualifizierung und berufliche Bildung. | |
Ghanas Sozialministerin Lariba Abudu lobt denn auch die „starken | |
bilateralen Beziehungen“ zu Deutschland. 150 Millionen fließen aus dem | |
Hause Schulze insgesamt in solche Migrationsprojekte in Länder Afrikas, | |
Asiens, Lateinamerikas und Mittel- und Osteuropas. Weitere Zentren wie in | |
Ghanas Hauptstadt Accra sind in Marokko, Tunesien, Ägypten, Jordanien, | |
Nigeria, Irak, Pakistan und Indonesien geplant. | |
## Beispiel Pflegekräfte | |
Als mahnendes Beispiel, wie es nicht laufen sollte, führt man bei der Ampel | |
den Bereich der Pflegerinnen und Pfleger an. Bereits 2020 lockerte die | |
damalige Große Koalition die Regeln zur Fachkräftezuwanderung ein Stück | |
weit. Auf tausende neue Kräfte hatte man gehofft. Doch die Pflegekräfte, | |
die etwa aus Indien, Indonesien oder Jordanien kamen, konnte man im | |
vergangenen Jahr an einer Hand abzählen. Insgesamt konnten 2022 unterm | |
Strich 656 ausländische Pflegekräfte durch die Bundesagentur für Arbeit | |
nach Deutschland vermittelt werden. Allein 255 angeworbene Fachkräfte | |
stammten 2022 demnach von den Philippinen. | |
21 Feb 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Strategie-der-Ampel-gegen-Personalluecken/!5910108 | |
[2] /Fachkraefte-aus-dem-Ausland/!5907189 | |
[3] /Migration-nach-Deutschland/!5895548 | |
## TAGS | |
Hubertus Heil | |
Svenja Schulze | |
Arbeitsmigration | |
Ghana | |
Fachkräftemangel | |
Migration | |
Taiwan | |
Friedrich Merz | |
Fachkräftezuwanderungsgesetz | |
Fachkräftemangel | |
Fachkräftemangel | |
Migration | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
High- und Lowtech in Taiwan: Kampf im Schatten der Chinafrage | |
In Taiwan formiert sich wachsender Widerstand gegen die ausbeuterischen | |
Bedingungen unter Hunderttausenden Arbeitsmigrant*innen aus | |
Südostasien. | |
Unionspapier zur Migration: Altes Thema, neuer Sprengstoff | |
Nach internem Streit will die Unionsfraktion über ein Positionspapier zur | |
Migration abstimmen. Es scheint, ein Kompromiss ist gefunden. Erst einmal. | |
Deutschland für Fachkräfte unattraktiv: „Oh, wow“ | |
Nicht nur Finanzminister Lindner musste es kürzlich erleben: Für die viel | |
beschworenen ausländischen Fachkräfte ist Deutschland kein begehrtes Ziel. | |
Anerkennung von Berufsabschlüssen: Können reicht nicht | |
Arbeitsmigration: Ausländische Berufsabschlüsse müssen mit hiesigen | |
Berufsausbildungen verglichen werden. Das grenzt an Detektivarbeit. | |
Strategie der Ampel gegen Personallücken: Millionen Fachkräfte gesucht | |
Im Bundestag wird über den Fachkräftemangel diskutiert und darüber, wie er | |
zu lösen sei. Am Ende ist es vor allem eine Debatte über Migration. | |
Einwanderung und Arbeitskräftemangel: Migrantisches Gold | |
Es geht nicht mehr nur um die sogenannten Qualifizierten. Deutschland | |
braucht Arbeitskräfte in großer Zahl. |