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# taz.de -- Social Media auf den Philippinen: Die Wahrheit ist umkämpft
> Globales Netzwerk der Desinformation: Die Friedensnobelpreisträgerin
> Ressa warnt in vor der Aushöhlung der Demokratien.
Bild: Die Nobelpreisträgerin Maria Ressa bei der Vorstellung ihres Buches in M…
Siebenundneunzig Prozent der Bürgerinnen und Bürger der Philippinen
hatten schon im Jahr 2017 Facebook genutzt. Das schreibt die
philippinisch-amerikanische Journalistin und Friedensnobelpreisträgerin des
Jahres 2021, Maria Ressa, in ihrem gerade auf Deutsch erschienenen Buch
„How to Stand Up to a Dictator. Der Kampf um unsere Zukunft“.
Und 2021 verbrachten die Menschen in den Philippinen das sechste Jahr in
Folge die meiste Zeit von allen im Internet und in den sozialen Netzwerken.
Schon längst hatte das südostasiatische Land mit heute 113 Millionen
Einwohnern Indien als weltweites Zentrum von Call Centern und Business
Process Outsourcing überholt.
Ressa zeigt in ihrem autobiografischen Buch, wie die sozialen Netzwerke,
vor allem Facebook, Bürgerrechte und Pressefreiheit bedrohen. Denn die
Philippinen sind laut Ressa das Testlabor des Missbrauchs sozialer Medien.
Weil es dort nicht den politischen Willen zur Durchsetzung der ohnehin
schwachen Regulierung gibt, machten sich Internetbetrug, „data harvesting“
und „account farming“ breit. Dubiose PR-Firmen machen seitdem
Influencer-Geschäfte mit Bots, Twitter-Likes, künstlichen Followern und
Desinformationskampagnen.
## Ressa kooperierte zunächst selbst mit Facebook
Nach Jahren als Manila- und Jakarta-Büroleiterin des US-Senders CNN und des
führenden philippinischen TV-Netzwerks hatte [1][Ressa mit ihrem
Onlinemedium Rappler] zunächst selbst mit Facebook kooperiert. So wurde
Rappler zu einem der wichtigsten Nachrichtenportale des Landes.
Doch mit dem Aufstieg des südphilippinischen Bürgermeisters Rodrigo Duterte
zum Präsidenten des Landes im Jahr 2016 änderte sich das. Duterte verstand
es wie kein philippinischer Politiker vor ihm, mittels Facebook die
öffentlichen Meinung zu manipulieren. Er lancierte nicht nur eine Angst
verbreitende Tötungskampagne gegen angebliche Drogenhändler, sondern
mobilisierte Influencer, um Kritiker einzuschüchtern oder dafür zu sorgen,
dass die oppositionelle Senatorin Leila de Lima unter fingierten Vorwürfen
im Gefängnis verschwand.
Ressa und Rappler wurden zum Ziel von Facebook-Kampagen aus Dutertes
Umfeld. Als Ressa sich weigerte, dem Druck von nach ihren Angaben „90
Hassnachrichten pro Stunde“ nachzugeben, überhäufte sie die Justiz im
Auftrag von Dutertes Regierung mit fabrizierten Anklagen. Darunter eine für
einen Artikel aufgrund eines erst Jahre später eingeführten
Straftatbestands. Weil im Originaltext später noch ein Tippfehler
korrigiert worden war, wertete das Gericht den Korrekturzeitpunkt als
Veröffentlichungsdatum, womit der Text plötzlich strafbar wurde.
Ressa erlebte am eigenen Fall, wie Facebooks Algorithmen Desinformation und
Hassnachrichten gegen sie verbreiten, während sie selbst und sogenannte
Faktenchecker chancenlos blieben. Ihre Appelle an Facebook, die sie sogar
Mark Zuckerberg persönlich vortrug, blieben wirkungslos, weil sie offenbar
nicht in das Geschäfts- und Wachstumsmodell des Netzwerks passen.
## Eine anschauliche Warnung vor Desinformation
Da Rappler von Beginn an auch auf Datenjournalismus setzte, kann Ressa mit
Grafiken die Dynamik der Desinformation aufzeigen. Am Beispiel von Duterte
und seinem gewählten Nachfolger [2][Ferdinand Marcos Jr]., der mittels
sozialer Medien die Diktatur seines Vaters vergessen machen konnte, zeigt
sie die Untergrabung der Demokratie durch Medien wie Facebook.
„Die technologische Diskriminierung“ und das „Geschäftsmodell des
profitorientierten Überwachungskapitalismus“ müssen beendet, unabhängiger
Journalismus als Gegenmittel gegen Tyrannei gestärkt werden, fordert Ressa.
Ihr Buch ist eine anschauliche Warnung und sollte ernst genommen werden.
21 Dec 2022
## LINKS
[1] /Pressefreiheit-auf-den-Philippinen/!5862361
[2] /Neuer-Praesident-auf-den-Philippinen/!5861242
## AUTOREN
Sven Hansen
## TAGS
Desinformation
Mediengesellschaft
Schwerpunkt Pressefreiheit
Journalismus
Philippinen
Soziale Medien
Literatur
Demokratie
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Bürgerrechte
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Philippinen
Schwerpunkt Myanmar
Ferdinand Marcos
Kolumne Das bisschen Haushalt
Schwerpunkt Pressefreiheit
Rodrigo Duterte
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