# taz.de -- Klimaproteste weltweit: Mehr als die Letzte Generation | |
> Wer gegen die Klimakatastrophe demonstrieren will, muss nicht ständig | |
> über die Letzte Generation reden. Es gibt reichlich andere Klimaproteste. | |
> Ein Überblick. | |
Bild: Wir müssen reden! | |
Medien berichten vor allem über die Proteste der Aktionsgruppe Letzte | |
Generation und spielen damit nach den Regeln der Aufmerksamkeitsökonomie. | |
Kann man gut finden. Man kann aber auch einfach mal darüber berichten, dass | |
die nun wahrlich nicht die Einzigen sind, die demonstrieren. Worüber man | |
noch reden könnte: | |
## Kampf gegen Luftverschmutzung in Südafrika | |
Ortsgruppen wie die South Durban Community Environmental Alliance (SDCEA) | |
oder Vukani Environmental Justice Movement in Action wollen das Bewusstsein | |
für die Klimakrise und für Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen | |
stärken. Südafrika ist [1][durch die Kohleindustrie stark von | |
Luftverschmutzung betroffen]. Die SDCEA hat ein Telefon eingerichtet, bei | |
dem man Umweltschäden melden kann. Vor Ort protestieren die Gruppen auch | |
gegen die Öl- und Gasindustrie, wie zuletzt in Durban am 11. November. | |
## Proteste von Kleinbäuer*innen in Kolumbien | |
In dem landwirtschaftlichen Gebiet Putumayo gibt es viele Bodenschätze wie | |
Gold und Erdöl. Vor allem der Erdölabbau wird von bewaffneten Gruppen, | |
Drogenkartellen und internationalen Unternehmen gefördert. Gegen diese | |
kämpfen die Kleinbäuer*innen und setzen sich für den Erhalt der Natur | |
und Wiederaufforstung ein. Amnesty International berichtet, dass Hunderte | |
von ihnen eine Vertreibung aus ihren Gemeinden zu fürchten hätten und wegen | |
ihres Kampfes um Klimagerechtigkeit unter staatlichem Schutz stünden. | |
Damit sich die Kleinbäuer*innen weiter für den Schutz ihrer Region | |
einsetzen können, ruft Amnesty zum Beispiel zu E-Mail-Petitionen an die | |
kolumbianische Regierung auf. | |
## Student*innenproteste auf den pazifischen Inseln | |
Die studentische Kampagne „Pacific Island Students Fighting Climate Change“ | |
setzt sich mit unterschiedlichen Aktionen für Klimagerechtigkeit ein. Sie | |
will sowohl in ihren Gemeinden (Vanuatu, Tonga, Salomonen) durch | |
Graswurzelaktionen als auch auf juristischer und UN-Ebene kämpfen. Unter | |
anderem fordert sie ein Gutachten des Internationalen Gerichtshofs über die | |
Auswirkungen der Klimakrise. Die Kampagne war auch auf der COP27 vertreten. | |
## Dezentrale Proteste in Deutschland | |
In Deutschland formieren sich laut WWF in Städten wieder vermehrt | |
dezentrale Proteste, so zum Beispiel die Critical Mass. Das sind Demozüge | |
auf Fahrrädern, die sich [2][für fahrradfreundliche Innenstädte] einsetzen. | |
Auch gegen Flächenversiegelung und den Ausbau von Autobahnen organisieren | |
sich Menschen mit ganz unterschiedlichen Protestformen. Zum Beispiel | |
protestiert der Bund Naturschutz aktuell gegen den Ausbau der B15. Und die | |
kleine Kaufunger Gruppe „Keine A44 – Verkehrswende Jetzt“ blockierte bei | |
der Einweihung im Oktober den neuen Autobahntunnel bei Hirschhagen. | |
## Australische Strick-Omis gegen die Klimakrise | |
In Australien versucht eine dezentrale Vereinigung von vornehmlich älteren | |
Frauen, die „Knitting Nannas Against Gas“, auf die Klimakrise und | |
Umweltverschmutzung aufmerksam zu machen. Dafür setzen sie auf gewaltfreie | |
Aktionen wie Theateraufführungen und Kunsthandwerk, aber auch Sperrungen | |
und Proteste vor Regierungsgebäuden. Aktuell setzen sie sich gegen die | |
scharfen Gesetze gegen Protestierende ein und veranstalten Protestmärsche | |
im Zuge der Klimakonferenz COP27, unter anderem in Sydney. Mithilfe von | |
Petitionen wollen sie Druck auf die Regierung ausüben und zum Beispiel ein | |
Konzept für den Schutz von Koalas durchbringen. | |
## Climate Justice Camp in Tunesien | |
In der kleinen tunesischen Stadt Nabeul südöstlich von Tunis hat im | |
Vorfeld der Weltklimakonferenz COP27 ein Klimacamp stattgefunden. Dort | |
haben sich Ende September etwa 400 Klimaaktivist*innen aus 65 Ländern | |
des globalen Südens getroffen. Sie setzen sich unter anderem für | |
intersektionale Solidarität, Klimagerechtigkeit und einen nachhaltigen | |
systemischen und politischen Wandel ein. Sie fordern eine Einrichtung eines | |
Finanzierungsmechanismus für klimabedingte Schäden. Amnesty International | |
unterstützte das Camp und führte vor Ort Workshops zu Menschenrechten in | |
der Klimakrise und digitaler Organisation zu Klimagerechtigkeit durch. | |
Viele Menschen aus dem globalen Süden [3][sind von Klimaschäden stark | |
betroffen]. | |
## Sitzblockade für Klimaunterricht in Barcelona | |
Die Gruppe „End Fossil: Occupy“ hat in der katalanischen Hauptstadt für | |
mehrere Tage die Universität besetzt. Jetzt hatte ihre Forderung Erfolg: | |
Die Universitat de Barcelona verkündete, dass alle der rund 14.000 | |
Studierenden ab 2024 einen verpflichtenden Kurs zu sozialen und | |
ökologischen Krisen belegen müssen. Auch das Lehrpersonal soll in Bezug auf | |
Klimathemen geschult werden. Die Gruppe, von der ein Teil auch an der Uni | |
lehrt, darf ein Gremium aufstellen, um über die Inhalte des Kurses zu | |
diskutieren. | |
## Jurist*innen für den Schutz der argentinischen Feuchtgebiete | |
Die „Asociación Argentina de Abogados/Abogadas Ambientalistas“ ist eine | |
Vereinigung von Umweltjurist*innen, die sich für den Naturschutz einsetzt. | |
Dafür arbeitet sie Konzepte für bessere Gesetze aus. Aktuell kämpft sie für | |
eine Gesetzesänderung zum Schutz der artenreichen Feuchtgebiete. Diese | |
Gebiete trocknen zunehmend aus und geraten anschließend in Brand. Die | |
Gruppe fordert ein Umweltbudget, das die Erhaltung und umweltschonende | |
Nutzung der Feuchtgebiete gewährleistet. Unter dem Hashtag | |
#LeyDeHumadalesYA (Feuchtgebiet-Gesetz JETZT) hat sie am 10. November zur | |
Mobilisierung vor dem argentinischen Nationalkongresses aufgerufen. Um die | |
Aktion medial zu verbreiten, fordert sie ihre Follower*innen auf, den | |
Hashtag am Tag vor der Demonstration zu verbreiten. | |
## Widerstand gegen Ölpipeline in Uganda | |
In Form eines Mammutprojekts der Konzerne TotalEnergies und CNOOC soll eine | |
1.443 Kilometer lange Ölpipeline von Uganda nach Tansania gebaut werden. | |
Gegen diese Entscheidung gibt es zunehmend Protest aus der Bevölkerung. | |
Hilda Flavia Nakabuye und Vanessa Nakate, zwei ugandische | |
Fridays-For-Future-Aktivistinnen, waren dieses Jahr auf einer | |
#StopEACOP-Europatour. Sie haben eine Intervention bei der UN in Genf | |
eingereicht und sich mit der französischen Regierung getroffen. Im Frühjahr | |
trafen sie sich mit Papst Franziskus. Der setzte sich in den letzten Jahren | |
für eine Energiewende ein. Die Aktivist*innen hoffen deshalb auf seine | |
Unterstützung in Uganda, wo in den letzten Monaten [4][auch | |
Kirchenmitglieder gegen den Bau der Pipeline mobilisierten]. | |
16 Nov 2022 | |
## LINKS | |
[1] /COP27-und-Suedafrika/!5894659 | |
[2] /Klimafreundlicher-Umbau-in-Staedten/!5883256 | |
[3] /Klimakrise-aus-Sicht-des-Globalen-Suedens/!5710052 | |
[4] /Oelfoerderung-in-Ostafrika/!5856388 | |
## AUTOREN | |
Ann-Kathrin Leclere | |
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