# taz.de -- Klimafreundlicher Umbau in Städten: Die Autos aus den Köpfen krie… | |
> Wie klappt die Mobilitätswende außerhalb der Metropolen? Beim klimaland | |
> Talk in Oldenburg ging es um die nötige radikale Wende in der | |
> Verkehrspolitik. | |
Bild: Wer kam wohl mit dem Fahrrad? Der taz klimaland-Talk in Oldenburg zur Mob… | |
Die Diskussion um eine Mobilität ohne Auto wird oft als Stadt-Land-Konflikt | |
geführt. In Metropolen leben etwa 40 Prozent der Haushalte ohne eigenes | |
Auto, in dörflichen Regionen nur etwa 10 Prozent. Aber was ist eigentlich | |
mit dem Dazwischen? Wie steht es um die Verkehrswende in den vielen Städten | |
mit 50.000, 100.000 oder 200.000 Einwohnern in Deutschland? | |
Zu diesem Thema lud die taz diese Woche zum klimaland Talk nach Oldenburg | |
ein. Eine Stadt auf flachem Land müsste fürs Fahrradfahren wie gemacht | |
sein. „Ich muss sagen, Berlin-Kreuzberg ist da fahrradfreundlicher“, sagt | |
taz-Redakteur Felix Zimmermann. Er hat Lokalpolitiker:innen und | |
Aktivist:innen unter dem Titel „Die Stadt, das Rad und das Klima“ zur | |
Diskussion eingeladen. | |
Die große Frage dabei: Warum tut sich ein Ort wie Oldenburg, der | |
exemplarisch auch für viele andere Städte steht und die besten | |
Voraussetzungen besitzt, doch so schwer mit der klimafreundlichen | |
Transformation in Bau- und Verkehrspolitik? Denn Publikum und Talk-Gäste | |
scheinen sich in einem einig zu sein: es läuft alles viel zu langsam. | |
Wie kommt man davon weg, dass viele Haushalte oft noch zwei Autos besitzen, | |
mit denen sie die Hälfte der Zeit dann im Stau stehen? An Beispielen, die | |
man in Oldenburg angehen könnte, mangelt es jedenfalls nicht. An einer | |
Stelle der Stadt gibt es einen Fahrradweg, der für 20 Meter mit dem Fußweg | |
zusammengelegt wird, damit Autos rechts in ein Parkhaus abbiegen können. Es | |
gibt gepflasterte Fahrradwege, die mit Gullideckeln gespickt sind, eine | |
vollgeparkte Straße neben einem halbleeren Parkhaus oder den Teil des | |
Schlossgartens, der einer Straße weichen musste. | |
## Die Niederlande als Vorbild | |
„Es ist unglaublich, wie viel Bedeutung hier das Auto einnimmt. Das könnte | |
man theoretisch schon morgen ändern“, sagt Benni Leemhuis, Mitglied der | |
GroenLinks-Stadtratsfraktion der holländischen Stadt Groningen und Sprecher | |
für Mobilität. Seine Stadt soll als Vorzeigebeispiel dienen: „Wir haben uns | |
zum Ziel gesetzt, dass Groningen eine 15-Minuten-Stadt werden soll.“ Und | |
tatsächlich, so erklärt er, ist die Stadt durch ihre verdichtete Bauweise | |
energieeffizient, klimafreundlich, kompakt. 200.000 Einwohner auf einer | |
Grundfläche einer 100.000 Einwohner-Stadt. | |
Wer nach Groningen rein möchte, kann außerhalb beim Park and Drive parken | |
und mit einem kostengünstigen Shuttle reinfahren, der alle zehn Minuten | |
kommt. Warum klappt das hierzulande nicht? Es fehle der Mut einfach mal zu | |
machen, meinen die anderen Diskussionsgäste. Es werde viel geredet, es gebe | |
immer viele Vorschläge, aber sobald man etwas zu ändern versuche, kämen | |
Einwände. Vom Einzelhandel zum Beispiel, der Angst hat seine Kund:innen | |
zu verlieren. Die Projekte verschwänden dann schnell in irgendeiner | |
Schublade. | |
„Wir müssen von diesem alten Gedanken der Straßenverkehrsordnung wegkommen: | |
das Auto muss rollen und der Rest kann zusehen, wie er klarkommt“, meint | |
Vally Finke, für die SPD im Verkehrsausschuss und Ausschuss für Stadtgrün, | |
Umwelt und Klima der Stadt. Doch in den Köpfen der Meisten sei das noch | |
nicht angekommen, bemerkt Ruth Drügemöller, stellvertretende | |
Fraktionssprecherin der Grünen im Stadtrat Oldenburg, und fordert: „Wir | |
wollen Aufenthaltsqualität, kurze Wege und umweltfreundlichen Verkehr.“ | |
Erst wenn das in den Köpfen sei, könne man es auch umsetzen, und auch das | |
werde dann wohl noch Jahrzehnte dauern. „Wir haben keine Zeit“, heißt es | |
aus dem Publikum. Und: „Ja, das stimmt, wir hätten 1977 schon damit | |
anfangen sollen,“ sagt sie. | |
Wenn es darum ging, in den 60ern mehr Straßen für Autos zu bauen und dafür | |
zum Beispiel auf Teile des Schlossgartens zu verzichten, habe auch alles | |
sehr schnell funktioniert, bemerkt Zimmermann. Dieses radikale Vorgehen | |
müsste doch auch in die andere Richtung gehen? | |
„Wir müssen einfach zeigen, wie frei eine Stadt sein kann, in der man | |
Fahrrad fahren und Mobilität genießen kann“, meint Drügemöller. Durch ein | |
temporäres Experiment beispielsweise, schlägt Leemhuis vor. Man könne im | |
Sommer eine Zeit lang Poller aufstellen, um für Autofreiheit zu sorgen. | |
Lüdke zeigt sich da noch radikaler: „Das Auto ist im Moment ein sehr | |
bequemes Verkehrsmittel. Wir müssen das Auto unbequemer machen und die | |
Alternativen bequemer.“ Der CDU- Fraktionsvorsitzende im Stadtrat, | |
Christoph Baak, warnt jedoch: „Man muss gleichzeitig aber auch überlegen, | |
ziehe ich das jetzt durch, weil ich ein Ratsmandat habe? Und ignoriere | |
einfach viele Stimmen, die auch vielleicht konstruktiv dagegen sind?“ | |
Eine Frage aus dem Publikum erinnert die Politiker*innen an selbst | |
gesetzte Ziele: „Wir wollen 2035 klimaneutral werden.“ Wer bremst dabei | |
eigentlich außer der Kraft der Trägheit? | |
22 Sep 2022 | |
## AUTOREN | |
Ruth Lang Fuentes | |
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