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# taz.de -- Vor den US-Zwischenwahlen: Die Midterms, eine Schicksalswahl
> Nicht einmal drei Wochen vor den Zwischenwahlen in den USA sieht es so
> aus, als stünden die Republikaner vor einer Machtübernahme im Kongress.
Bild: Immer mittendrin statt nur dabei: Donald Trump während einer Wahlkampfve…
New York taz | „Midterms“ – der Urnengang zwischen zwei
Präsidentschaftswahlen in den USA – sind traditionell der Moment, in dem
die [1][regierende Partei abgestraft] wird. Oft so hart, dass der Präsident
in den verbleibenden zwei Jahren seiner Amtszeit keine Mehrheiten mehr hat,
um Reformen, Personal- und Außenpolitik durchzusetzen.
Aber im zurückliegenden Sommer waren die US-Demokraten hoffnungsvoll, dass
es dieses Mal anders werden könnte. Die Umfragen gaben ihnen Recht.
Unmittelbar nachdem das Oberste Gericht das nationale [2][Recht auf
Abtreibung gestrichen] hatte, schien kein Thema wichtiger zu sein als die
Verteidigung der verlorenen Freiheit. Darauf setzte sie all ihre Karten im
Wahlkampf. Der linke Senator [3][Bernie Sanders] warnte vergeblich:
„Abtreibung allein reicht nicht, um Wahlen zu gewinnen. Wir brauchen die
Ökonomie. Wir müssen die Anti-Arbeiterpolitik der Republikaner offen
legen.“
Drei Wochen vor dem Wahltag gibt es keinen Anlass mehr für Euphorie bei den
Demokraten. Meinungsforscher für die liberale [4][New York Times] und den
rechten TV-Sender Fox sehen jetzt bis zu drei Prozent Vorsprung für die
Republikaner im US-Kongress. Für das Repräsentantenhaus prognostizieren sie
einen republikanischen Wahlsieg, für den Senat eine Zitterpartie. Bei
Letzterem werden voraussichtlich „Swingstaaten“ wie Pennsylvania und
Nevada, die zwischen Republikanern und Demokraten wechseln, das Zünglein an
der Waage sein.
Das Recht auf Abtreibung und die Verteidigung der Demokratie – eines von
Bidens großen Anliegen – stehen nicht mehr allein an der Spitze der Liste
der Wähler. Stattdessen konnten die Republikaner ihre Themen durchsetzen –
allen voran die Inflation sowie die angeblich gestiegenen Steuern für die
Mittelschicht. Gleichzeitig halten die Republikaner an der Abschaffung des
Rechts auf Abtreibung fest. Auch wenn sie im Wahlkampf weniger davon reden.
## Trumps Kandidaten agieren wie seine Klone
Vordergründig geht es am 8. November darum, sämtliche 435 Sitze im
US-Repräsentantenhaus, 35 der 100 Sitze im US-Senat, 36 Gouverneurspaläste
sowie zahlreiche lokale und regionale Kammern neu zu besetzen. Dazu kommen
Referenden in mehreren Bundesstaaten. In Michigan beispielsweise stimmen
die Wähler darüber ab, ob sie an dem Recht auf Abtreibung festhalten
wollen.
Aber im Hintergrund geht es auch um Bidens Zukunft. Ein Wahlsieg der
Republikaner wäre ein Erfolg für einen Mann, dessen Name dieses Mal auf
keinem Stimmzettel steht. Donald Trump hat sich massiv in die Wahlkämpfe
eingemischt. Er hat einer Rekordzahl von fast 200 republikanischen
Kandidaten quer durchs Land seine Rückendeckung gegeben, er hat Dutzende
von Meetings mit ihnen veranstaltet und er arbeitet unübersehbar darauf
hin, einen republikanischen Wahlsieg für seine eigenen politischen Ziele zu
nutzen.
Die Männer und Frauen, die Trumps Rückendeckung bekommen haben, machen
Politik, als wären sie seine Klone. Sie bestreiten die Rechtmäßigkeit der
Präsidentschaftswahlen von 2020, sie zeigen Sympathie mit den
Kapitolsstürmern vom 6. Januar 2021, denen Trump Begnadigungen versprochen
hat, falls er wieder ins Weiße Haus kommt, sie verbreiten
Verschwörungstheorien und sie reden über politische Opponenten als Feinde.
Der Stil bei vielen ihrer Debatten ähnelt dem von Trump zum Verwechseln:
persönliche Beleidigungen, wahrheitswidrige Behauptungen und lautstarkes
Dazwischenreden inklusive.
## Eigentlich könnten die Demokraten mit ihrer Bilanz punkten
Gleichzeitig sind kaum noch moderate Republikaner im Rennen. Im Januar 2021
haben lediglich zehn republikanische Abgeordnete den Mut aufgebracht, für
eine [5][Amtsenthebung von Trump] zu stimmen, der die Kapitolsstürmer nach
Washington geholt hatte, um die Bestätigung von Bidens Wahl im US-Kongress
zu verhindern.
Trumps Rache an seinen Kritikern war gnadenlos: Vier der zehn Abgeordneten
warfen das Handtuch schon vor einer neuen Kandidatur, vier [6][scheiterten
bei Vorwahlen], bei denen Trump Gegenkandidaten nominierte und sein ganzes
Gewicht in die Waagschale warf, um sie zu unterstützen. Nur zwei
Pro-Impeachment-Rebublikaner sind übrig geblieben. Beide haben sich seit
Januar 2021 mit Kritik an Trump zurückgehalten. Und beide haben Abstand von
dem [7][Untersuchungsauschuss] des Repräsentantenhauses gewahrt, der den
Putschversuch untersucht.
Demgegenüber könnte die Partei von Präsident Joe Biden bei den
Midterm-Wahlen mit ihrer Bilanz punkten. Unter anderem sind seit Bidens
Amtsantritt zehn Millionen neue Arbeitsplätze entstanden und die Demokraten
haben für massive [8][Investitionen in der Infrastruktur] und für soziale
Verbesserungen gesorgt.
Im Endspurt vor den Midterms hat Biden Studienschulden gestrichen, die auf
43 Millionen US-Amerikanern aller Altersgruppen lasteten. Er hat Tausende
von Gefängnisinsassen begnadigt, die wegen gewaltloser Drogendelikte –
meist [9][Marihuana-Besitz] – zu langjährigen Strafen verurteilt waren. Und
zum Ausgleich der Inflation sind die staatlichen Renten im nächsten Jahr um
rund acht Prozent angehoben worden.
Aber nichts davon hat gereicht, um Bidens [10][Popularität] zu steigern.
Seit Monaten liegt sie deutlich unter 50 Prozent. Sollte es keine
„Oktober-Überraschung“ geben, werden im Januar Mehrheiten von Trumps Gnaden
in beide Kammern des US-Kongresses einziehen.
Es wäre das Ende der Hoffnung auf ein gesetzlich verankertes Recht auf
Abtreibung, wie Biden es in diesen Tagen in Aussicht stellt. Und es würde
radikale Kehrtwenden in der Klimapolitik und dem Engagement der USA in der
Welt einleiten. Raum für weitere Ermittlungen über den Kapitolssturm vom 6.
Januar würde es nicht geben. In Washington würde eine neue Ära der Blockade
zwischen Kongress und Weißem Haus beginnen. Und Trump könnte die Konjunktur
nutzen, um seine Kandidatur für das Weiße Haus 2024 bekanntzugeben.
21 Oct 2022
## LINKS
[1] /Kommentar-Midterm-Wahlen-in-den-USA/!5549040
[2] /US-Gericht-zu-Schwangerschaftsabbruechen/!5863360
[3] https://www.theguardian.com/us-news/commentisfree/2022/oct/10/democrats-mid…
[4] https://www.nytimes.com/interactive/2022/10/18/upshot/times-siena-poll-regi…
[5] /Amtsenthebungsverfahren-in-den-USA/!5744250
[6] /Republikanische-Vorwahlen-in-den-USA/!5875368
[7] /Sturm-auf-das-Kapitol/!5888149
[8] /Bidens-Infrastrukturpaket-verabschiedet/!5813345
[9] /Biden-fuer-Entkriminalisierung/!5886458
[10] https://www.realclearpolitics.com/epolls/other/president-biden-job-approva…
## AUTOREN
Dorothea Hahn
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