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# taz.de -- die erklärung: Wie wird man ihn los?
> Die US-Halbzeitwahlen sind überraschend zum Desaster für die Republikaner
> geworden. Einfach wird eine Neuausrichtung nicht.
Bild: Donald Trump kündigt in Mar-a-Lago, Florida, seine Kandidatur an
1 Was bedeuten die Halbzeitwahlen für die US-Republikaner?
Noch bis zum 6. Dezember werden die US-Halbzeitwahlen nicht endgültig
entschieden sein. Erst die Stichwahl um den Senatorenposten in Georgia wird
Gewissheit darüber geben, ob die Demokrat*innen ihre 50 Sitze im Senat
gehalten oder sogar noch einen weiteren hinzugewonnen haben werden. Wenn
sie das schaffen, dann werden diese Halbzeitwahlen wirklich als
beispielloses Desaster für die Republikanische Partei in die Geschichte
eingehen. Sie haben zwar die Macht im [1][Repräsentantenhaus] zurückerobern
können. Aber sie haben nur eine hauchdünne Mehrheit erringen können, und
das unter äußeren Umständen – schlechte Popularitätswerte des Präsidente…
Inflation, wirtschaftliche Krisenstimmung –, unter denen die
Oppositionspartei normalerweise bei Halbzeitwahlen richtig abräumt.
2 Was hat Trump damit zu tun?
[2][Donald Trump] ist das Gesicht der Partei, und er hat sich tüchtig in
die Wahlen eingemischt. Kein Wunder also, dass diese Wahl im Rückblick
nicht als Referendum über die Politik des amtierenden Präsidenten Joe Biden
gelesen wird, sondern als eines über seinen Vorgänger Donald Trump – und
die Partei, die ihn ermöglicht und sich ihm fast vollständig unterworfen
hat. Und wieder, wie nach Trumps Wahlniederlage 2020, steht die Frage im
Raum, ob die Republikanische Partei sich aus dieser Unterwerfung befreien
und Trump hinter sich lassen kann. Und ob sie das will.
3 Wer entscheidet das?
Weder die Republikanische noch die Demokratische Partei der USA haben mit
dem deutschen Verständnis von Parteien viel zu tun. Es sind nicht Vorstände
und Parteitage, die Personal und Programme bestimmen. In einem Wahlsystem,
bei dem es keine Listenwahl gibt – auf Deutschland übersetzt: keine Zweit-,
sondern nur Erststimmen –, sind es politische Individuen, die bei Erfolg an
Einfluss gewinnen. Republikanischer Parteichef – also das wichtigste
Gesicht, nicht die relativ unbedeutende Vorsitzende des Republican National
Committee (kein Mensch kennt Ronna Romney McDaniel) – war seit 2016 Donald
Trump. Er wurde es damals gegen den Willen des republikanischen
Establishments – also jenes Machtzirkels langjähriger Senator*innen und
Abgeordneten, die damit beschäftigt sind, die wichtigsten Spender bei Laune
zu halten und aus Fraktionen diverser Individuen schlagkräftige Einheiten
zu bilden, die sich im Kongress nicht gegenseitig bekämpfen. Sie versuchten
damals alles, um irgendeinen anderen, weniger extremen Kandidaten aus dem
anfangs großen republikanischen Anwärterfeld nach vorne zu bringen, so wie
es in der Vergangenheit immer gelungen war.
4 Wie hat Trump denn die Partei verändert?
Die Annahme der Parteistrategen war: Polarisierende Kandidat*innen
können zwar Vorwahlen gewinnen, scheitern aber bei der allgemeinen Wahl.
Genau das passierte Trump 2016 aber eben nicht. Müßig zu diskutieren, ob er
auch gegen jemand anderen als die unpopuläre Hillary Clinton hätte gewinnen
können. Sicher ist: Trump brachte eine Koalition zustande, der neben immer
republikanisch wählenden Gruppen wie Evangelikale oder Libertäre erstmals
auch große Teile der traditionell den Demokraten verbundenen Working Class
angehörten. Trump bediente sich dabei eines völkischen antiliberalen,
Anti-Eliten- und Anti-System-Diskurses. Der war seit Jahrzehnten in Europa
und den USA durch die Neue Rechte ausgearbeitet worden. Verachtung für das
demokratische System ist dieser Politik immanent. Das Drama um Trumps
Nichtanerkennung seiner Wahlniederlage 2020 bis hin zum Putschversuch waren
eine logische Konsequenz. Trumps durchgeknallter Charakter beförderte jenes
Zerstörungswerk der staatlichen Institutionen von innen und oben, das sein
später geschasster und inzwischen verurteilter Chefstratege Steven Bannon
zu Beginn von Trumps Amtszeit angekündigt hatte.
5 Warum konnte das passieren?
Für traditionellere republikanische Führungsfiguren in Washington war all
das ein Gräuel. Aber zu Trumps Amtsantritt Anfang 2017 bot sich ihnen eine
einmalige Chance: Sie kontrollierten gleichzeitig das Weiße Haus und beide
Kammern des Kongresses, und so konnte umgesetzt werden, was lange unmöglich
schien: Eine Steuerreform mit radikaler Umverteilung von unten nach oben,
und Richterbesetzungen für den Obersten Gerichtshof, der so auf viele Jahre
eine konservative Mehrheit bekam. Dafür nahmen sie billigend in Kauf, dass
die eigene Partei sich zum [3][verschwörungsgläubigen Trumpkultverein]
entwickelte. Trumpismus und Alt-Right wurden zum republikanischen
Mainstream, koordiniert und durchgesetzt durch Trumps Twitter-Account.
6 Können die Republikaner Trump nicht einfach abservieren?
Bei seiner Niederlage 2020 erhielt Trump insgesamt über 74 Millionen
Stimmen, so viel wie noch nie ein US-Präsident vor ihm. Hätte nicht die
Ablehnung von Trump auf der Gegenseite die Rekordzahl von 81 Millionen
Wähler*innen für Joe Biden an die Urnen gebracht, wäre Trump mit so
einer Mobilisierung unschlagbar gewesen. Die Republikaner*innen
wollen all diese Trump-Wähler*innen auch künftig aktivieren, ohne dass aber
die Gegenseite so alarmiert ist wie 2020. Ersteres geht womöglich nur mit
Trump, Letzteres womöglich nur ohne. Ein Dilemma.
7 Kommt jetzt also die Erneuerung oder nicht?
[4][Eine Woche nach den Halbzeitwahlen 2022 hat Trump bereits seine
Kandidatur für 2024 angekündigt], so früh wie kein anderer. Von der
Republikanischen Partei, an deren Spitze ihn die Basis 2016 katapultierte,
sind kaum noch intakte eigenständige Strukturen übrig. Eine positive
konservative Vision für republikanische Politik auf nationaler Ebene
jenseits von Trump fehlt – dominant ist ein Abwehrdiskurs gegen alles
Liberale. Den beherrscht Trump. Und es fehlt ein erklärter Gegenkandidat,
der sich die absehbar grausame Schlammschlacht mit Trump zumuten will und
gewinnen könnte. Selbst wenn das aber gelänge und in zwei Jahren etwa
Floridas Gouverneur Ron DeSantis für die Republikaner*innen anträte:
Er bräuchte alle Trump-Stimmen. Trumps Hardcore-Basis aber stimmt für
Trumps Politik. Es gibt also wenig Gründe anzunehmen, dass die
Republikanische Partei tatsächlich vor einer politischen Erneuerung steht.
19 Nov 2022
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## AUTOREN
Bernd Pickert
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