# taz.de -- Zwischenwahl in den USA: Besser gleich Micky Maus wählen | |
> Nur zwei Parteien zur Wahl reichten unserer Autorin nicht, um sich auf | |
> den Weg zur Urne zu machen. Sie hätte sich mindestens eine dritte Option | |
> gewünscht. | |
Bild: Val Demings beim Kampf um einen Senatssitz für die Demokraten in Florida… | |
Ich habe bei dieser Wahl nicht mitgewählt. Ich habe mich seit 2004 (damals | |
noch als naive 21-Jährige) an keiner Wahl mehr beteiligt, obwohl ich als | |
US-Bürgerin das Recht dazu hätte. Mein Radikalismus gebot mir, mich aus | |
Prinzip nicht an Wahlen zu beteiligen. Ich lehnte das Zweiparteiensystem | |
ab, das Wähler*innen nur die Entscheidung zwischen zwei Gruppen der | |
herrschenden Klasse lässt, die nichts anderes sind als riesige | |
internationale korrupte Netzwerke. | |
Eigentlich wollte ich es dieses Jahr aber anders machen. In Versuchung | |
wurde ich geführt, weil in Florida viele der jüngst strittigen Themen im | |
Mittelpunkt standen. Ich habe den Stimmzettel und die Kandidat*innen | |
sorgfältig studiert. Am Ende blieb keine ernsthafte Kandidat*in und kein | |
Referendum übrig, das ich nachdrücklich unterstützen konnte. Die einzige | |
Ausnahme war die Kandidatin der Socialist Workers Party in Florida, Rachele | |
Fruit. | |
Aber das würde sich so oder so wie ein Protestvotum anfühlen, da hätte ich | |
meine Stimme auch Micky Maus geben können. Die Warnung vor einem Zerbrechen | |
der Demokratie hören wir immer dann, wenn Parteien unsicher oder | |
unzufrieden mit den Ergebnissen sind. Im Vorfeld der Wahl bestanden die | |
Demokrat*innen darauf, dass es bei dieser Abstimmung um die Demokratie | |
selbst gehe. Man solle den Gegnern der Demokratie eine Niederlage | |
verpassen. | |
Aber mit den Optionen, die zur Wahl standen, wurde die Demokratie verhöhnt. | |
Die Ergebnisse der Zwischenwahlen brachten aber keine klare Entscheidung. | |
Nichts hat sich wirklich geändert. Die Bedrohung durch eine [1][„rote | |
Welle“ der Republikaner] materialisierte sich nicht (Florida war eine | |
Ausnahme, aber es wurde erwartet, dass DeSantis & Co siegen würden). Und | |
Donald Trump, der eigentliche Verlierer der Zwischenwahlen, tritt 2024 | |
erneut an und bleibt Favorit für die Nominierung der Republikaner. | |
## Patt dauert an | |
Die Demokraten haben es nicht geschafft, jemanden herbeizuzaubern, der | |
„[2][Sleepy Joe“ als Kandidat für 2024] ersetzen könnte. Die Pattsituation | |
zwischen den beiden Parteien dauert an, während sich die Erschöpfung durch | |
die Kulturkriege, die panischen Warnungen vor Faschismus oder vor der | |
Wokeness einschleicht. Die Bedrohung der Demokratie wächst, da die | |
Befürchtungen, Trump könnte ins Weiße Haus zurückkehren, neue Nahrung | |
erhalten. | |
Die Furcht vor [3][Trump wird vom FBI] und den Demokraten missbraucht, um | |
grundlegende Verfassungsrechte auf Meinungsfreiheit und das Recht auf | |
Privatsphäre anzugreifen. Wird die Linke diesem Weg, Trump als | |
Rechtfertigung für die Einschränkung von Verfassungsrechten zu benutzen, | |
mitgehen? Wird die Linke die Bedenken der Arbeiterklasse und der | |
Sozialisten ignorieren, dass ihre Rechte und Privilegien das nächste Ziel | |
dieser neuen Maßnahmen gegen Trump sein werden? | |
Angesichts der drohenden Rezession und der sich verschlechternden | |
Arbeitsbedingungen vermute ich, dass sich die Lage für die Demokratie und | |
die Arbeiterklasse nur noch verschärfen wird, wenn der Kampf um die | |
Präsidentschaft 2024 wieder entbrennt. Es müsste eine realistische Chance | |
für eine dritte Partei geben, damit ich doch noch zur Wahl gehe. | |
Ich hätte wahrscheinlich für [4][Bernie Sanders] gestimmt, wenn er der | |
Kandidat gewesen wäre – aber die Vorstellung, dass die Demokratische Partei | |
ihm jemals eine Chance geben würde, war ein Wachtraum. Ich hätte gerne für | |
eine Kandidatin einer dritten Partei wie Jill Stein von den Grünen | |
gestimmt, aber sie hatte ja keine Chance. Ich hätte gern die Option, für | |
eine sozialistische Partei der USA zu stimmen, aber die gibt es auch nicht. | |
Aus dem Englischen von Stefan Schaaf | |
20 Nov 2022 | |
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## AUTOREN | |
Laurie Rojas | |
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