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# taz.de -- Sozialproteste in Berlin: Gesucht: Linke Krisen-Antwort
> Mehrere linke Akteure wollen derzeit Protestangebote für mehr soziale
> Gerechtigkeit schaffen. Eine Aufgabe dabei: die Abgrenzung nach rechts.
Bild: Vor der Parteizentrale der Grünen, gegen ihre Politik – und teils in u…
Berlin taz | Wie sieht eine linke Antwort auf die Energie- und soziale
Krise aus? Eine mögliche Antwort lieferte Politaktivist Marcus Staiger am
Montag vor der Parteizentrale der Grünen: „Weg mit der Gasumlage! Für die
Vergesellschaftung der Energiekonzerne!“, rief er ins Mikro. [1][Etwa 600
Teilnehmer:innen waren gekommen, um gegen die unsoziale Krisenpolitik
der Regierungskoalition zu protestieren].
Organisiert wurde die Kundgebung vom neuen Bündnis „Heizung, Brot und
Frieden“ um eine Riege linker Polit-Haudegen wie Staiger, Uwe Hiksch von
den Naturfreunden und Ex-Enteignungs-Aktivist Michael Prütz.
Es ist nur eines von mindestens drei Krisenbündnissen, die derzeit in
Berlin versuchen Sozialproteste von links auf die Straße zu tragen. Zwei
weitere arbeiten noch an ihren öffentlichen Auftritten und planen jeweils
Demonstrationen im November. Einer der Akteure hier ist die Gruppe „Wer
hat, der gibt“, die bereits Mitte August zusammen mit der anarchistischen
Gruppe Perspektive Selbstverwaltung mit einer [2][Kundgebung vor der
FDP-Zentrale] den Rückritt von Finanzminister Christian Lindner gefordert
hatte.
Ein weiterer Akteur, vor einer Woche als Online-Kampagne gestartet, nennt
sich „Genug ist genug“ – und stammt aus den Reihen der sozialistischen
Zeitschrift [3][Jacobin um deren Chefredakteurin Ines Schwerdtner]. Im
Gespräch mit der taz spricht sie vom Ziel einer „bundesweiten
längerfristigen Kampagne“, die mithilfe von Materialien und Inhalten „eine
Klammer für verschiedene lokale Sozialproteste“ sein will.
Womöglich könnte das sogar gelingen: Die Social-Media-Kanäle von „Genug ist
genug“ wachsen rasant; auch die Organisatoren der Kundgebung vor den Grünen
bedienten sich bereits dieses Labels. Prinzipiell „ist es gut“, wenn sich
darauf bezogen wird, sagt Schwerdtner – gibt sich angesichts dort geführter
Debatten über Russland und eine Nord-Stream-2-Öffnung aber auch kritisch:
„Ich finde es sinnvoll, sich ausschließlich auf soziale Forderungen zu
konzentrieren und nicht alle strategischen Widersprüche der
gesellschaftlichen Linken mitzuverhandeln.“ Eine Distanzierung von rechts
sei in den Fragen, die das Verhältnis zu Russland betreffen, „besonders
schwer zu erreichen“, so Schwerdtner.
## Immer wieder Russland
Wie schwierig diese innerlinke Aushandlung sein kann, wurde bei der
Kundgebung deutlich: Während die Forderungen des offiziellen Aufrufs sich
auf die Abschaffung der Gasumlage und die Vergesellschaftung von
Energiekonzernen konzentrierten, wurde etwa in Redebeiträgen der
Naturfreunde und der von Sahra Wagenknecht gegründeten
[4][Aufstehen-Bewegung] wiederholt das Ende der Sanktionen gegen Russland
gefordert. Nicht wenige Teilnehmer:innen quittierten solche Forderungen
sichtlich unwohl mit einem Raunen.
„Lebenslänglich für Habeck – Nordstream 2 öffnen!“ stand auf einem Sch…
das ein älteres Paar mit sich trug. Andere verteilten Flyer mit dem
Aufdruck „Verräter“ und den Porträts von Habeck und Baerbock – eine
Rhetorik, die stark an Querdenken-Demos erinnert. „Das ist eine linke Demo,
was soll dieser Quatsch?“, reagierte ein Teilnehmer empört. Mitorganisator
Prütz resümierte: „Wir haben heute stark unterschiedliche Meinungen
gesehen, aber wenn wir diese Unterschiede aushalten, wird das die Stärke
unserer Bewegung“.
Noch allerdings ist diese Bewegung vor allem ein Wunsch. Bislang sind es
nicht die von den steigenden Energie- und Lebensmittelpreisen besonders
Betroffenen, die auf die Straße drängen. Stattdessen sind es überwiegend
bereits politisch Aktive, die nach einer langen, auch Corona-bedingten
Protestflaute wieder sichtbarer werden und um die Deutungshoheit über die
zu erwartende Protestwelle ringen.
## Keine Querfront
Eine wirkliche Querfront mit rechten und verschwörungsideologischen
Akteuren ist dabei nicht zu erwarten. Am Montag lieferten sich
Antifa-Aktivist:innen mit den aus dem Querdenken-Umfeld zuzuordnenden
Mitgliedern der Partei „Die Basis“ und der Gruppe der „Freien Linken“
zunächst heftige Wortgefechte; später gelang es ihnen, die
Querdenker:innen von der Demo auszuschließen.
Auch in [5][Leipzig] ließ sich am Montag eine Arbeitsteilung zwischen
linken Demonstrant:innen und Antifaschist:innen beobachten. Eine
Kundgebung der Partei Die Linke auf dem Augustusplatz wurde von Antifas
gegen die parallel stattfindende Veranstaltung der Nazi-Kleinstpartei Freie
Sachsen abgeschirmt. Später blockierten sie die Demo der Rechten, während
der Linke-Aufzug ungehindert seine Runde drehen konnte.
Eine Probe, wie auf rechte Sozialproteste zu reagieren ist, wird Berlin
vermutlich erstmals am 8. Oktober erleben. Dann will die AfD ihre
Sozialkampagne starten. Der Parteivorstand hat eine Demo unter dem Titel
„Energiesicherheit und Schutz vor Inflation – unser Land zuerst!“ für 4.…
Teilnehmer:innen im Regierungsviertel angemeldet. Für Linke stellt sich
dann die Frage, ob sie dagegen protestieren oder auf einer parallel
stattfindende Demo zum bundesweiten Aktionstag des Bündnisses Mietenstopp.
Schwerdtner sagt, es brauche sowohl „sozialen Protest als auch
Antifa-Blockaden“. Nach den Ereignissen von Montag zeigt sie sich
„hoffnungsvoll“, dass der Linken die Abgrenzung nach rechts gelingt. Oft
sei die Zuspitzung auf die Frage links-rechts „ein Mediending“. Sie sagt:
„Menschen, die unter ihrer Gasrechnung leiden, interessiert das nicht so
sehr.“ Für diese gelte es ein Angebot zu schaffen, denn: „Sie haben ein
Recht zu demonstrieren.“
6 Sep 2022
## LINKS
[1] /Linke-Proteste-gegen-die-Gasumlage/!5879314
[2] /Sozialprotest-vor-FDP-Zentrale-in-Berlin/!5875543
[3] /Jacobin-Chefin-ueber-linkes-Magazin/!5679430
[4] /Abspaltungstendenzen-von-der-Linkspartei/!5877416
[5] /Montagsprotest-in-Leipzig/!5879137
## AUTOREN
Erik Peter
Jonas Wahmkow
## TAGS
Energiekrise
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Schwerpunkt Antifa
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