# taz.de -- Abspaltungstendenzen von der Linkspartei: Konkurrenzkandidatur zur … | |
> Auf einem Fest der DKP ziehen Noch- und Ex-Abgeordnete der Linken über | |
> ihre Partei her. Das Wagenknecht-Lager scheint auf dem Absprung zu sein. | |
Bild: Neue Volksfront? Gehrcke und Dağdelen links neben DKP-Chef Köbele (am M… | |
BERLIN taz | Rückt die Abspaltung des Wagenknecht-Lagers von der | |
Linkspartei näher? Erstmalig hat jetzt einer der prominentesten Vertreter | |
des linkskonservativen Flügels öffentlich eine Konkurrenzkandidatur bei der | |
Europawahl 2024 ins Gespräch gebracht. „Es muss eine Kraft antreten, die | |
diesem Abbruchunternehmen da drüben im Karl-Liebknecht-Haus eine | |
Alternative entgegensetzt“, sagte der frühere Bundestagsabgeordnete Diether | |
Dehm am Sonntag auf einer Veranstaltung in Berlin. | |
Dehm, der von 2005 bis 2021 dem Bundestag angehört hat, nahm an einer | |
Diskussion im Rahmen des von der DKP organisierten „UZ-Pressefestes“ auf | |
dem Rosa-Luxemburg-Platz teil, an den die Parteizentrale der Linken grenzt. | |
Die Frage einer Alternativkandidatur sei „der weiße Elefant im Raum“, sagte | |
der 72-jährige Musikproduzent, [1][der als einer der treuesten Anhänger | |
Sahra Wagenknechts gilt], in seinem Redebeitrag aus dem Publikum. Er hoffe | |
auf ein „breites Bündnis“ für die Europawahl – unter Einschluss der DKP. | |
Die Kleinpartei, die bis heute der DDR nachtrauert, war früher moskau- und | |
ist heute mehr pekingorientiert. | |
Vom Podium der gut besuchten Veranstaltung, in der es laut Ankündigung über | |
„die Perspektiven der Linkskräfte in Zeiten von Krieg und Krise“ gehen | |
sollte, erntete Dehm keinen Widerspruch. Das ist bemerkenswert, weil dort | |
neben [2][dem DKP-Chef Patrik Köbele] unter anderem die | |
Linken-Bundestagsabgeordnete Sevim Dağdelen und ihr Ex-Fraktionskollege | |
Wolfgang Gehrcke saßen. Beide wiesen Dehms Vorstoß nicht etwa offensiv | |
zurück, sondern ließen stattdessen an ihrer (Noch-)Partei kein gutes Haar. | |
So empörte sich Gehrcke darüber, dass die Linkspartei es abgelehnt hatte, | |
der DKP Räume im Karl-Liebknecht-Haus für ihr Fest zu vermieten. Das finde | |
er „eine Schande“, sagte der 78-Jährige. „Ich schäme mich dafür.“ F�… | |
passt das ins Gesamtbild: „Ich finde, die Politik der Linken ist auf der | |
schiefen Bahn und die schiefe Bahn ist mit Schmierseife poliert“, sagte | |
Gehrcke, der 2007 zu den Gründer:innen der Linken gehörte und lange im | |
Parteivorstand saß. | |
So verbinde ihn mit dem Thüringer Ministerpräsidenten Bodo Ramelow nichts | |
mehr, sie seien nur noch „zufälligerweise in einer Partei, ansonsten | |
rutscht er mir den Buckel runter“. Die heutigen Linken-Parlamentarier:innen | |
rief Gehrcke, der 2017 aus dem Bundestag ausgeschieden ist, auf: „Brecht | |
die Fraktionsdisziplin der Linken, wenn sie weiter auf einen Pro-Nato-Kurs | |
und Pro-Kriegskurs einschwenkt.“ | |
## Gehrcke: „Brutale Hetze gegen Russland“ | |
Unter Zustimmung des Publikums machte er für den Überfall Russlands auf die | |
Ukraine die USA und die Nato verantwortlich. Der Krieg sei „vom Zaune | |
gebrochen worden“, weil diese die Sicherheitsinteressen von Russland und | |
China nicht hätten anerkennen wollen. „Das ist der reale, tatsächliche | |
Hintergrund des Krieges“, zeigte sich Gehrcke überzeugt – und beklagte eine | |
„brutale Hetze gegen Russland“. | |
Entgegen der Beschlusslage ihrer Partei sprach sich Sevim Dağdelen | |
grundsätzlich gegen die verhängten Sanktionen gegen Russland aus. Denn es | |
gäbe laut UN-Charta nur ein Gremium, „das befugt ist, Sanktionen | |
völkerrechtskonform zu beschließen, und das ist der UN-Sicherheitsrat“. | |
Daher seien nicht von ihm beschlossene Sanktionen völkerrechtswidrig. „Wenn | |
Rechts als Hauptfeind China und Russland ausgemacht hat, dann denke ich, | |
sollten Linke da besser aufpassen, dass sie sich nicht zu Instrumenten der | |
Rechten machen“, sagte Dağdelen. „Unser Feind sind weder Russland noch | |
China, unser Feind steht im eigenen Land.“ | |
In Bezug auf ihre Partei sagte Dağdelen: „Viele denken, der Erfurter | |
Parteitag war das Ende von allem.“ Tatsächlich seien dort „viele schlechte | |
Beschlüsse gefasst worden“. Dağdelen selbst war dem Bundesparteitag im Juni | |
ferngeblieben, auf dem das Wagenknecht-Lager, zu dem auch die 47-Jährige an | |
führender Stelle zählt, [3][sowohl personell als auch inhaltlich kapital | |
Schiffbruch] erlitten hatte. Frontfrau Wagenknecht hatte anschließend von | |
einem „Affront gegen einen relevanten Teil der Partei“ gesprochen, „dem m… | |
auf diesem Parteitag signalisiert hat, dass er nicht mehr erwünscht ist“. | |
Während Dağdelen, Gehrcke und Dehm ihren Abschied von der Linkspartei | |
bislang nur innerlich vollzogen haben, ist einer bereits ganz offiziell | |
gegangen: Unmittelbar nach dem Erfurter Parteitag [4][hatte Harri Grünberg | |
seinen Austritt erklärt]. Bei der Veranstaltung am Sonntagnachmittag trat | |
der 71-Jährige, der 2021 seinen langjährigen Platz im Linksparteivorstand | |
verloren hatte, als Bundesvorstandsmitglied von „Aufstehen“ auf, dem Rest | |
von Wagenknechts gescheiterter „Sammlungsbewegung“. | |
Den Vorstoß von Dehm für eine Konkurrenzkandidatur würde er „sehr | |
unterstützen“, sagte Grünberg. „Wir brauchen für die Europawahl eine neue | |
linke Initiative.“ Dabei würde „Aufstehen“ gerne als „Geburtshelfer“ | |
fungieren. | |
29 Aug 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Linkspartei-stellt-Kandidaten-auf/!5768123 | |
[2] /DKP-Chef-ueber-die-Zulassung-zur-Wahl/!5786016 | |
[3] /Bundesparteitag-der-Linken/!5860858 | |
[4] /Nach-Parteitag-der-Linken/!5860999 | |
## AUTOREN | |
Pascal Beucker | |
## TAGS | |
Die Linke | |
Linkspartei | |
Aufstehen | |
DKP | |
Diether Dehm | |
Sevim Dagdelen | |
Wolfgang Gehrcke | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
Martin Schirdewan | |
Die Linke | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Friedensappell aus der SPD-Linken: Die Illusion des schnellen Friedens | |
Teile der SPD-Linken fordern einen Waffenstillstand in der Ukraine. Sie | |
deshalb als Putin-Freunde auszugrenzen, ist falsch. Naiv sind sie trotzdem. | |
Linken-Chef Schirdewan zur Energiekrise: „Axt an den sozialen Frieden“ | |
Der Linken-Vorsitzende Martin Schirdewan macht der Ampelkoalition schwere | |
Vorwürfe. Gegen die „soziale Kälte“ ruft er zu Protesten auf – ohne die | |
Rechten. | |
Bundesparteitag der Linken: Schiffbruch in Abwesenheit | |
Der Parteitag geriet für das Wagenknecht-Lager zum Fiasko. Seine | |
Perspektive in der Partei ist unklar. Ein Problem ist das auch für Dietmar | |
Batsch. |