# taz.de -- Giffeys Wohnungsbündnis in Berlin: Nicht viel besser als nichts | |
> Das Bündnis mit der Immobilienwirtschaft sollte die Wohnungsfrage lösen. | |
> Doch die mageren Ergebnisse zeigen, dass Kooperation hier nicht | |
> funktioniert. | |
Bild: Franziska Giffey mit einem sehr symbolischen Schlüssel | |
Für Franzsika Giffey war es das große Projekt: das Bündnis für | |
Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen in Berlin. Die Regierende wollte | |
damit in Rekordzeit ihre Handlungsfähigkeit beweisen und einen | |
Befreiungsschlag gegen die Mietenkrise der Stadt und die | |
Enteigungshoffnungen landen. Also stand sie am Montag bei der | |
[1][feierlichen Vertragsunterzeichnung] der verbliebenen Bündnispartner mit | |
drei riesigen Schlüsseln vor den Kameras – löste damit symbolisch die | |
Probleme bei Neubau, Neuvermietung und Mieterschutz. Und dann sagte sie: | |
„Aber wir haben viel, viel mehr geschafft als null Prozent!“ | |
Der Satz stimmt vor allem in der Bestimmung der Relation. Denn die | |
Ergebnisse dieses Bündnisses mit der Wohnungswirtschaft bewegen sich eben | |
doch viel, viel näher am Nullpunkt als an den utopischen Hoffnungen, die | |
vor allem Giffey versucht hatte zu wecken. | |
Zu ihrem Schaden ist fast kaum jemand auf die große Show hineingefallen. | |
Die Kritiken sind schlecht; Entlastungen werden die Mieter:innen nicht | |
wirklich spüren, keine große Frage ist gelöst. Und wenn Jan Eder, Chef der | |
IHK in Berlin sagt, die Unterzeichnung setze „eine starkes Signal gegen | |
Enteignung“, dann ist das fast ein bisschen lustig. | |
Richtig ist das Gegenteil. Der kooperative Weg mit den Immobilienkonzernen | |
darf als gescheitert gelten. Nicht weil man sich nicht verständigen könnte | |
– der Vertrag ist fast so umfangreich wie ein zweiter Koalitionsvertrag –, | |
sondern weil auf diesem Weg die größte soziale Frage dieser Zeit nicht zu | |
lösen ist. | |
## Magere Zugeständnisse | |
Das vermeintlich dickste Zugeständnis der Vermieter ist das Versprechen | |
sich daran „zu orientieren“, die Mieten innerhalb von drei Jahren nur um 11 | |
statt der bislang erlaubten 15 Prozent zu erhöhen. Dem einen oder der | |
anderen wird das ein paar Dutzend Euro Mieterhöhung ersparen. Merken jedoch | |
wird das niemand, erst recht, wenn die Erhöhungen der Nebenkosten bei Gas, | |
Wasser und Strom und die bevorstehenden Nachzahlungen ab Herbst so richtig | |
einschlagen. | |
Die Vereinbarungen für WBS-Berechtigte – maximal zwei Prozent Mieterhöhung | |
jährlich bis Ende 2023 und Aussetzung der Erhöhung, wenn die Miete damit 30 | |
Prozent des Haushaltsnettoeinkommens überstiegt – werden in der Praxis kaum | |
Wirkung entfalten. Die Regeln gelten nur bei den teilnehmenden großen | |
privaten Wohnungskonzernen, für maximal 150.000 Mieter:innen und das | |
auch nur auf Antrag. Dass aber kaum jemand seine Armut vorrechnen will, hat | |
schon dieselbe Regelung bei den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften | |
gezeigt. | |
Es war ein wichtiges, wenngleich rein symbolisches Signal, dass der | |
Berliner Mieterverein diesen Vertrag am Montag nicht unterschrieben hat und | |
mit seiner Entscheidung die Giffey'sche PR-Show empfindlich störte. Das | |
Signal wurde gehört: Die Mieter:innen sind nicht Teil dieser | |
Vereinbarung, denn sie profitieren nicht davon. | |
Ganz genauso wichtig aber ist das Signal der Nicht-Unterzeichnung durch den | |
Spitzenverband der Immobilienwirtschaft, dem Zentralen Immobilien-Ausschuss | |
(ZIA), denen die Zusagen an die Mieterinteressen zu weit gingen. Nicht | |
mittragen wollte man etwa die Vergabe jeder zweiten neu gebauten Wohnung an | |
Haushalte mit geringen oder mittleren Einkommen oder von 30 Prozent der | |
Wiedervermietungen an WBS-Berechtigte. Die Botschaft lautet: Wir tun nicht, | |
was unseren Profit auch nur geringfügig schmälern würde. | |
Deutlicher hätte nicht aufgezeigt werden können, dass an wirklichen | |
gesetzlichen Regelungen kein Weg vorbei führt. Und da Berlin hier derzeit | |
wenig Handlungsspielraum hat, bleibt der eine Weg, der eben möglich ist. | |
Die Enteignung ist dringender denn je. | |
25 Jun 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Kampf-gegen-steigende-Mieten/!5859467 | |
## AUTOREN | |
Erik Peter | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin | |
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin | |
Wochenkommentar | |
Berlin | |
Mieterverein | |
Vermieter | |
Franziska Giffey | |
Mieterschutz | |
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin | |
Berlin | |
Wohnungspolitik | |
IG | |
Deepfake | |
Wochenkommentar | |
Wohnungspolitik | |
SPD Berlin | |
Wochenkommentar | |
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
FDP verschleppt besseren Mieterschutz: Blockade auf Kosten der Mieter | |
Ein Gesetzentwurf für besseren Mieterschutz lässt auf sich warten. Er hängt | |
im FDP-geführten Justizministerium fest. | |
Kritik an Giffeys Wohnungsbündnis: Bündnis für Deregulierung | |
Das Wohnungsbündnis mit den Privaten könnte fatale Folgen für sozialen | |
Neubau und Mieterrechte haben. Das befürchtet die Linke-Politikerin | |
Gennburg. | |
Giffeys Baubilanz in Berlin: Konfrontation statt Kooperation | |
Neubauziele verfehlt, Bestandsmieten stabil: Franziska Giffey ist in der | |
Wohnungspolitik keineswegs besser als die Linkspartei. | |
Bittere Bilanz für Wohnungsbau in Berlin: Neubau bricht ein | |
Der Verband Berlin Brandenburger Wohnungsunternehmen spricht von einer | |
„Zeitenwende“ beim Bauen und Wohnen. Heizkosten werden massiv steigen. | |
Experte über Wohnungspolitik: „Wohnungen sind kein Spargel“ | |
Hilft Bauen gegen den Wohnungsmangel? Matthias Bernt forscht zu | |
Gentrifizierung und Wohnungspolitik und hat bessere Vorschläge. | |
Vermeintlicher Klitschko-Deepfake: Giffey-Gags und Ausreden | |
Dass Giffeys Gespräch mit dem falschen Klitschko ein Deepfake war, scheint | |
immer unwahrscheinlicher. Das wirft Fragen auf. | |
Berlins Regierende in der Krise: Der Glanz ist dahin | |
Von wegen strahlende Macherin: Nach einer desolaten Woche muss sich | |
Franziska Giffey um ihren Stand in Partei und Koalition sorgen. | |
Kampf gegen steigende Mieten: Berlin ruft den Bündnisfall aus | |
Vertreter*innen aus Politik und Immobilienbranche unterzeichnen ein | |
Wohnungsbündnis. Der Mieterverein weigert sich, auch Heimstaden fehlt | |
bisher. | |
Landesparteitag in Berlin: Die SPD brüskiert ihre Führung | |
Die Delegierten bestätigen Giffey und Saleh, aber keiner der beiden bekommt | |
auch nur 60 Prozent. Dabei gab es keine Kontroversen auf dem Parteitag. | |
Wohnungsbündnis des Berliner Senats: Wenn's klappt, jubelt die FDP | |
Berlins Regierende hat ihr Bündnis mit vielen Immobilienfirmen geschmiedet | |
– ein Erfolg, der eine große Gefahr in sich trägt. Ein Wochenkommentar. | |
Wohnungsbündnis des Senats: Giffey baut auf Papier | |
Einigung im Bündnis mit großen Wohnungsunternehmen: Mieter*innen | |
erhalten Zugeständnisse, der Senat soll dafür Bauverfahren beschleunigen. |