# taz.de -- FDP verschleppt besseren Mieterschutz: Blockade auf Kosten der Miet… | |
> Ein Gesetzentwurf für besseren Mieterschutz lässt auf sich warten. Er | |
> hängt im FDP-geführten Justizministerium fest. | |
Bild: Schöner wohnen zur Miete: für viele Menschen bald nicht mehr erschwingl… | |
BERLIN taz | Eigentlich sollte der Gesetzentwurf für einen besseren | |
Mieterschutz längst da sein. Die Zeiten dafür wären günstig, denn die | |
Mieten steigen ungebremst. Laut einer Analyse des Immobilienportals | |
Immowelt sind die Angebotsmieten in Berlin seit November 2022 um 27 Prozent | |
gestiegen. Doch um Mieter*innen zu entlasten, passiert leider wenig. | |
Im politischen Berlin rumort es seit geraumer Zeit, dass Justizminister | |
Marco Buschmann (FDP) den Gesetzentwurf zu einer Mietrechtsnovelle aktiv | |
zurückhält, weil er [1][auf eine Einigung bei der Vorratsdatenspeicherung] | |
hofft, wo er mit der SPD-Innenministerin Nancy Faeser im Clinch liegt. | |
Sprich: Mieterschutz nur gegen Datenschutz. Ausbaden müssen das offenbar | |
die Mieter*innen in Deutschland. Dabei ist das Kapitel zum Mieterschutz | |
im Koalitionsvertrag der Ampel ohnehin recht überschaubar. Ein bundesweiter | |
Mietendeckel, den sich SPD und Grüne hätten vorstellen können, war mit der | |
FDP nicht umsetzbar. | |
Vereinbart sind nur drei Dinge: Erstens sollte die Kappungsgrenze in | |
Gegenden mit Wohnraummangel von 15 Prozent auf 11 Prozent gesenkt werden. | |
Das bedeutet: Mieten in angespannten Märkten dürfen innerhalb von drei | |
Jahren nicht mehr als 11 Prozent steigen. Zweitens sollte die | |
Mietpreisbremse bis zum Jahr 2029 verlängert werden. Drittens sollen | |
qualifizierte Mietspiegel gestärkt und für Gemeinden über 100.000 | |
Einwohner*innen verpflichtend werden. Zur Berechnung sollen die | |
Mietverträge der letzten sieben Jahre herangezogen werden. Derzeit sind es | |
sechs Jahre. | |
Juristisch sind diese drei Vorhaben in der Umsetzung nicht sehr komplex. | |
Dennoch lässt die Mietrechtsnovelle auf sich warten. Das Justizministerium | |
plane „demnächst einen Gesetzentwurf vorzulegen“, heißt es auf Nachfrage. | |
Dabei sagte [2][das Ministerium bereits im Oktober 2022 zur taz], dass es | |
„mit Hochdruck“ daran arbeite, bis Ende des Jahres einen Entwurf | |
vorzulegen. Selbst Kanzler Olaf Scholz verkündete im Oktober 2022, am | |
Bündnistag für bezahlbaren Wohnraum, [3][vor laufenden Kameras], dass der | |
Justizminister die vereinbarten Vorhaben im Mietrecht „noch in diesem Jahr | |
vorlegen“ werde. | |
## Des Kanzlers Wort kann auch nicht helfen | |
Aber auch das Wort des Kanzlers scheint nicht viel wert zu sein. Die Frist | |
ist jetzt zweieinhalb Monate überschritten. Interessant ist: Auf die Frage, | |
ob ein fertiger Gesetzentwurf zurückgehalten werde, gibt es kein Dementi | |
des Justizministeriums. Stattdessen nur den Verweis auf eine Aussage des | |
Justizministers in einem [4][Interview mit dem Tagesspiegel.] „Wenn sich | |
alle Seiten an den Koalitionsvertrag halten, können wir insgesamt zügig | |
vorankommen“, sagte Buschmann darin. | |
Bei den Koalitionspartnern wächst die Ungeduld. „Mich ärgert zunehmend, | |
dass sich der Bundesjustizminister weigert, die Vereinbarungen des | |
Koalitionsvertrags umzusetzen“, sagte die SPD-Bundestagsabgeordnete Zanda | |
Martens der taz. Sie betont die Dringlichkeit: „Die Zeit vergeht, die | |
Mieten steigen – beides lässt sich nicht wieder zurückdrehen.“ Das | |
Hinauszögern schade nicht nur „Ansehen und der Stimmung in der Koalition“, | |
gravierender seien die Folgen „für die Menschen in diesem Land, denen bei | |
explodierenden Preisen jetzt auch noch Mieterhöhungen oder gar | |
Wohnungslosigkeit drohen“. | |
Ähnlich sieht es die Grünen-Bundestagsabgeordnete Hanna Steinmüller: „Es | |
ist falsch, bereits getroffene Vereinbarungen von anderen Gesetzesvorhaben | |
abhängig zu machen“, kritisierte sie gegenüber der taz. Offenbar geht sie | |
davon aus, dass der Justizminister Tauschhandel betreibt. Wie Martens | |
drängt Steinmüller auf eine schnelle Umsetzung der Koalitionsvorhaben. | |
Doch derzeit ist nicht klar, ob der Justizminister überhaupt alle | |
vereinbarten Vorhaben umsetzen will. Auf Nachfrage, was neu geregelt werden | |
soll, nennt sein Ministerium die Verlängerung der Mietpreisbremse bis 2029, | |
die Senkung der Kappungsgrenze und dass „Gemeinden über 100.000 Einwohner | |
dazu verpflichtet werden, einen qualifizierten Mietspiegel zu erstellen“. | |
Was aber fehlt: dass zur Berechnung von Mietspiegeln die Mietverträge der | |
letzten sieben Jahre herangezogen werden sollen anstatt wie derzeit sechs. | |
## Spielräume bei Berechnungsmethode | |
Letzteres mag detaillistisch klingen, ist aber wichtig: Denn die | |
Berechnungsmethode des Mietspiegels ist entscheidend, wie schnell die | |
Mieten steigen können. Ein längerer Berechnungszeitraum hat einen | |
dämpfenden Effekt auf die Mietpreisentwicklung, denn ältere Mietverträge | |
sind in der Regel auch günstiger. Die SPD wollte in ihrem Wahlprogramm den | |
Betrachtungszeitraum auf acht Jahre erweitern, die Grünen sogar auf 20 | |
Jahre. Sieben Jahre waren der Kompromiss mit der FDP. | |
2022 hat das Bundesjustizministerium das Bundesamt für Bauwesen und | |
Raumordnung beauftragt, in einer Simulationsrechnung zu erörtern, welchen | |
Unterschied eine Erweiterung auf sieben Jahre machen würde. Das Resultat, | |
das der taz vorliegt, besagt, dass eine Erweiterung auf sieben Jahre nur | |
einen sehr geringen mietdämpfenden Effekt hätte. Das Justizministerium sei | |
bereit, ganz darauf zu verzichten, heißt es aus Ministeriumskreisen. | |
Offiziell heißt es von einem Sprecher aber, dass man dazu keine Angaben | |
machen könne. | |
Es gibt noch einen weiteren Punkt: [5][die Indexmieten]. Es handelt sich | |
dabei um spezielle Mietverträge, die an die Inflation gekoppelt sind und | |
die unbegrenzt steigen können. Der Deutsche Mieterbund berichtet, dass vor | |
allem in den Metropolen [6][die Zahl der Indexmietverträge bei den | |
Neuvermietungen rasant ansteigt]. Überraschend ist das nicht: mit der hohen | |
Inflation sind sie für Vermieter*innen besonders lukrativ. | |
Die Kritik an Indexmietverträgen ist enorm. Der Bundesrat, das | |
Bundesbauministerium, die Bundestagsfraktionen von SPD und Grünen sowie der | |
Deutsche Mieterbund sehen akuten Handlungsbedarf. Auch die | |
Landesjustizministerin von Baden-Württemberg, Marion Gentges (CDU), hat den | |
Bundesjustizminister aufgefordert zu handeln. Die Linkspartei geht noch | |
weiter und möchte Indexmieten ganz verbieten. Und überraschend ist: Selbst | |
die [7][Berliner CDU hat sich für ein Verbot von Indexmieten] | |
ausgesprochen. | |
„Anstatt aber eine der vielen Lösungsmöglichkeiten aufzugreifen, bleibt der | |
Minister untätig. Obwohl die Kosten der Vermieter nicht in diesem hohen | |
Maße steigen, lässt der Minister sie weiter kassieren“, kritisiert | |
SPD-Politikerin Zanda Martens. Trotz Kritik gibt sich das | |
Bundesjustizministerium unbeirrt: Es sieht derzeit keinen Handlungsbedarf. | |
Die geplanten Vorhaben im Überblick: | |
## Kappungsgrenze | |
Was gilt derzeit: Generell dürfen Vermieter bestehende Mieten bis zur | |
ortsüblichen Vergleichsmiete erhöhen. Sie müssen dabei aber einiges | |
beachten. Damit Mieter*innen nicht überfordert werden, gibt es die | |
sogenannte Kappungsgrenze. Sie soll verhindern, dass Mieten in zu kurzer | |
Zeit hochschnellen. Eine Miete darf demnach innerhalb von drei Jahren nicht | |
mehr als 20 Prozent steigen. Dort, wo Wohnraum besonders knapp und der | |
Mietmarkt als sehr angespannt gilt, dürfen die Mieten nur um 15 Prozent in | |
drei Jahren steigen. Die Landesregierungen können für die Dauer von fünf | |
Jahren bestimmen, welche Wohnlagen als angespannt gelten. Mieterhöhungen | |
aufgrund von Modernisierungen sind aber zusätzlich möglich. | |
Was ist geplant: Im Koalitionsvertrag der Ampel ist vereinbart, die | |
Kappungsgrenze in angespannten Märkten von 15 auf 11 Prozent zu senken. | |
## Mietpreisbremse | |
Was gilt derzeit: Die Mietpreisbremse bezieht sich auf Neu- oder | |
Wiedervermietungen. Wenn ein Mietvertrag in einem Gebiet mit einem | |
angespannten Wohnungsmarkt abgeschlossen wird, darf die Miete bei | |
Vertragsabschluss die ortsübliche Vergleichsmiete höchstens um 10 Prozent | |
übersteigen. Die Landesregierungen legen fest, wo ein angespannter | |
Wohnungsmarkt vorliegt. Die Mietpreisbremse gilt bislang bis 2025. Sie wird | |
aber wegen zahlreicher Ausnahmen bemängelt. Zum Beispiel gilt die | |
Mietpreisbremse nur für Gebäude, die erstmals nach dem Oktober 2014 bezogen | |
wurden. Oder: Wenn eine Wohnung umfassend modernisiert wurde, kann die | |
Mietpreisbremse auch ausgehebelt werden. | |
Was ist geplant: Die Mietpreisbremse soll bis zum Jahr 2029 verlängert | |
werden. | |
## Indexmietverträge | |
Was gilt derzeit: Seitdem die Inflation stark steigt, stehen die | |
Indexmietverträge in der Kritik. Sie sind aber kein neues Phänomen. Die | |
Miethöhe wird nach dem Verbraucherpreisindex berechnet, der jährlich vom | |
Statistischen Bundesamt erhoben wird. Die Miete korreliert also mit der | |
Inflation. Eine Erhöhung kann einmal pro Jahr vonseiten der | |
Vermieter*innen durch eine schriftliche Ankündigung erfolgen. | |
Theoretisch kann die Miete bei sinkender Inflation auch abgesenkt werden, | |
das muss aber aktiv vonseiten der Mieter*innen eingefordert werden. | |
Aus Sicht von Mieter*innen gibt es einen Vorteil: Modernisierungskosten | |
können nicht wie bei herkömmlichen Mietverträgen auf die Miete umgelegt | |
werden, außer es handelt sich um gesetzlich vorgeschriebene | |
Modernisierungen. Besonders kritisch ist aber ein Punkt: Bei der Festlegung | |
der Ausgangsmiete gilt zwar die Mietpreisbremse. Im weiteren Verlauf gibt | |
es aber keine weitere Begrenzung der Miethöhe – auch die Kappungsgrenze | |
gilt nicht für Indexmietverträge. | |
Was ist geplant: Im Koalitionsvertrag steht nichts dazu, damals war das | |
Problem aber noch nicht so drängend. SPD und Grüne fordern eine Regulierung | |
der Indexmietverträge. Auch der Bundesrat hat von der Bundesregierung | |
[8][im November 2022 ein Gesetz zur Anpassung von Indexmietverträgen] | |
gefordert. Das Bundesjustizministerium sieht derzeit keinen | |
Handlungsbedarf. | |
## Schonfristregelung | |
Was gilt derzeit: Laut Gesetz gibt es bei einer fristlosen Kündigung eine | |
Schonfristregelung. Das heißt: Wenn eine Mieter*in innerhalb von zwei | |
Monaten die Mietschulden begleicht, wird die fristlose Kündigung unwirksam. | |
Bei einer ordentlichen Kündigung gibt es diese Schonfristregelung aber | |
nicht – das wird schon seit Langem als Gesetzeslücke kritisiert. | |
Was ist geplant: Im Koalitionsvertrag wird das Thema Schonfristzahlungen | |
aufgegriffen, allerdings sehr schwammig: „Um die Ursachen drohender | |
Wohnungslosigkeit zu beseitigen, werden wir das Mietrecht, insbesondere | |
dort, wo Schonfristzahlungen dem Weiterführen des Mietverhältnisses | |
entgegenstehen, evaluieren und entgegensteuern.“ Auf Nachfrage beim | |
Justizministerium, ob eine Veränderung geplant ist, heißt es, dazu könne | |
man derzeit keine Angaben machen. | |
19 Mar 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Plan-der-Innenministerkonferenz/!5895416 | |
[2] /Das-Wirken-der-Blockade-FDP/!5891281 | |
[3] https://www.bundeskanzler.de/bk-de/aktuelles/pressekonferenz-bezahlbarer-wo… | |
[4] https://www.tagesspiegel.de/politik/justizminister-marco-buschmann-der-staa… | |
[5] /Indexmietvertraege-in-Deutschland/!5865814 | |
[6] /30-Prozent-Anstieg-in-Neuvertraegen/!5907530 | |
[7] /CDU-macht-auf-Mieterpartei/!5885654 | |
[8] https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2022/0501-0600/571-22.pdf?_… | |
## AUTOREN | |
Jasmin Kalarickal | |
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