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# taz.de -- Studie zum klimagerechten Wohnen: Bauen, was das Zeug hält
> Bis 2045 will die Bundesregierung einen klimaneutralen Wohnungsbestand
> schaffen. Eine neue Studie liefert den Fahrplan dafür.
Bild: Baustelle auf dem ehemaligen Gelände des Kunsthauses Tacheles in Berlin
Berlin taz | In Deutschland muss gebaut werden – so viel steht fest. Nur
wie und wie teuer es wird, ist noch unklar. Die Kieler „Arbeitsgemeinschaft
für zeitgemäßes Bauen“ (ARGE) hat diese Frage in einer Studie untersucht
und einen Fahrplan entworfen, wie die Ampelregierung ihre Bauvorhaben
realisieren kann – bezahlbar, altersgerecht und klimaneutral. Dietmar
Walberg, Leiter des ARGE-Instituts, stellte die Ergebnisse am Donnerstag
zum 13. Wohnungsbautag vor. In Auftrag gegeben wurde die Studie vom
Verbändebündnis Wohnungsbau, hinter dem Spitzenverbände der deutschen Bau-
und Immobilienwirtschaft, die Gewerkschaft IG BAU und der Deutsche
Mieterbund (DMB) stehen.
400.000 Wohnungen sollen künftig pro Jahr entstehen, 100.000 davon
Sozialwohnungen. Und bis 2045 will die Bundesregierung einen klimaneutralen
Wohnungsbestand schaffen. So wurde es im Koalitionsvertrag vereinbart.
Beides zu schaffen und die Wohnungen bezahlbar zu halten, wird nicht
leicht. Das weiß jeder, dem nach einer energetischen Sanierung schon mal
eine Mieterhöhung in den Briefkasten geflattert ist. Doch ohne vernünftige
Sanierungen können die Klimaschutzziele nicht erreicht werden: 18 Prozent
der gesamten C02-Emissionen in Deutschland stammen laut der Studie aus dem
Gebäudesektor.
Walberg hält die Ziele für machbar, obwohl seine Analyse nicht gerade
optimistisch stimmt. „60 Prozent aller Gebäude in Deutschland wurden vor
1979 errichtet“, sagt er. Was eben heißt: Sie sind in der Regel
sanierungsbedürftig. 1977 trat die erste Verordnung über energiesparenden
Wärmeschutz bei Gebäuden in Kraft. Zudem, erklärt Walberg, sei die
Überbelegung in Wohnungen „ein beschämendes Thema“, 2020 lebten bereits 8…
Millionen Menschen auf zu engem Raum.
Und die wenigsten Gebäude seien „altersgerecht“. Nur 8 Prozent der
Seniorenhaushalte verfügten über eine „weitestgehend barrierefreie
Wohnung“. Bei einer alternden Gesellschaft ist das ein riesiges Defizit. Um
die Versorgungslücke zu schließen, müssten laut Studie jährlich 170.000
altersgerechte Wohnungen geschaffen werden. Gleichzeitig werden aber nicht
alle Bestandsgebäude als modernisierungsfähig gewertet. Zum Beispiel, wenn
eine Deckendämmung erforderlich wäre, aber die Raumhöhe zu niedrig ist.
Oder wenn Asbest in der Substanz steckt.
Beim Thema Bauen und Wohnen kumulieren sich also die Problemlagen: Die
Baukosten und Baulandpreise steigen, die Mietpreise sowieso, schon jetzt
gibt es nicht genügend Bauarbeiter:innen, die Wohnungsnot in den Städten
ist groß und es gibt viel zu wenig Sozialwohnungen.
Um die gesteckten Ziele dennoch zu erreichen, empfiehlt die Studie neben
dem Neubau Wohngebäude aufzustocken, den Bestand zu modernisieren, aber
auch Nichtwohngebäude in Wohnraum umzuwandeln – gerade die Arbeit im
Homeoffice zeige da neue Chancen auf. Rund 1,9 Millionen neue Wohnungen
könnten durch Umbauten von Büros entstehen, so Walberg. Und das relativ
günstig: Der Umbau von Büros kostet pro Quadratmeter Wohnfläche knapp 1.300
Euro. Im Neubau sind es mehr als 3.400 Euro.
## 150 Milliarden Euro pro Jahr
Die jährlichen Kosten für die empfohlenen Energiesparsanierungen beziffert
die Studie auf bis zu 150 Milliarden Euro pro Jahr, also 3,6 Billionen Euro
bis 2045. Bund und Länder müssten deshalb zusätzliche Steueranreize
schaffen und neue Förderprogramme schaffen. In der Frage der Kosten und der
Energieeffizienz steckt aber viel Konfliktpotenzial.
Denn die Standards, mit denen die Studie rechnet, liegen unter denen der
Ampelkoalition. Für energiesparende Gebäude gibt es unterschiedliche
Effizienzhaus-Stufen. Dabei gilt: Je niedriger die Zahl, desto
effizienter. Diese sind aber auch in der Umsetzung teurer. Konkret will die
Ampel die Anforderungen für Energieeffizienz im Neubau bis 2025 auf das
höchste Maß (EH 40) anheben. Beim Umbau von Bestandsgebäuden soll ab 2024
das Effizienzhaus 70 zum Vorbild genommen werden. Die Studienautoren halten
das aber für übertrieben. Sie rechnen mit Effizienzhaus 70 beim Neubau und
Effizienzhaus 115 bei Sanierungen.
„Immer höhere Standards überfordern sowohl Bauherren als auch Mieter
finanziell und bringen nicht den gewünschten Klima-Effekt“, kritisierte der
Präsident des Spitzenverbands der Wohnungswirtschaft GdW, Axel Gedaschko,
und warnte vor massiven sozialen Verwerfungen. Andreas Ibel vom
Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen sprach von einem
„Spagat zwischen Bezahlbarkeit des Wohnens und Energieeffizienz“. Würde man
ältere Gebäude bis auf den höchsten Standard sanieren, könnten „die Mieten
ins Unerträgliche steigen“, warnte die Gewerkschaft IG Bau.
Als später am Tag die Bauministerin, Klara Geywitz, zum Wohnungsbautag
dazustößt, bedankt sie sich für die „kritische Bestandsaufnahme“. Die Zi…
zu erreichen, sei eine „große Herausforderung“, insbesondere der Bau neuer
Sozialwohnungen. Derzeit seien zwei Milliarden Euro vorgesehen, aber es
brauche mehr Geld, so Geywitz. Wirtschaftsminister Robert Habeck betonte,
ihm sei die soziale Frage auch wichtig, machte aber klar, dass
„perspektivisch Effizienzhaus 40 zum Standard“ werden müsse.
Zuletzt hatte es große Aufregung [1][um einen Förderstopp für
energieeffizientes Bauen] gegeben. Für Sanierungen können ab kommender
Woche aber wieder neue Anträge auf KfW-Zuschüsse gestellt werden. Habeck
kündigte an, ab März solle es auch wieder eine Neubau-Förderung geben –
jedoch nur für den Standard EH40, mit reduzierten Fördersätzen und
gedeckelt auf eine Milliarde Euro. Ab Januar 2023 solle dann ein neues
Programm „Klimafreundliches Bauen“ starten. Beide, Geywitz und Habeck
werden wohl an der Tür des Finanzministers klopfen müssen.
17 Feb 2022
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[1] /Foerderung-fuer-Energiesanierung/!5832602
## AUTOREN
Jasmin Kalarickal
## TAGS
Bauen
Energetische Sanierung
Klimaschutzziele
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Mieterschutz
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Klara Geywitz
Wohnungsnot
Schwerpunkt Klimawandel
Ampel-Koalition
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