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# taz.de -- Klimaneutrales Stadtquartier: Aus Heide in die Zukunft
> In der schleswig-holsteinischen Stadt soll ein Quartier klimaneutral
> werden. An den Plänen beteiligen sich Unternehmen, Universitäten und
> Verbände.
Bild: Ist reichlich vorhanden und mus auch verbraucht werden: Windkraft in Schl…
Hamburg taz | Im Rüsdorfer Kamp in Heide bereiten Menschen die Zukunft vor.
Wie die aussehen soll, haben sich die Mitarbeiter:innen des Projekts
Quarree100 bereits überlegt: klimaneutral, nachbarschaftlich, integrativ.
Das 20 Hektar große Stadtquartier soll in den nächsten Jahren transformiert
werden – mit Hilfe der Bewohner:innen und einem effizientem
Energiesystem.
Die Region Heide gilt, wie der ganze Nordwesten Deutschlands, als
Modellregion für die Energiewende. Seit Jahren produziert
Schleswig-Holstein mehr Strom, als es verbrauchen kann. Der Wind weht so
verlässlich, dass die lokalen Stromnetze zeitweise überlastet sind.
Die Windräder produzieren schlicht zu viel erneuerbare Energie, als dass
die Leitungen sie transportieren könnten. Um diesen Umstand zu verbessern
und den Strom öfter laufen zu lassen, muss die Energie zwischengespeichert,
umgewandelt, verteilt und genutzt werden. Genau daran arbeitet das Projekt
Quarree100.
Das Projekt im Rüsdorfer Kamp verbindet über 20 Partner:innen, darunter
Unternehmen, Verbände, Universitäten und Forschungseinrichtungen aus
Deutschland und der Region Heide. Mit dabei ist auch die U Bremen Research
Alliance, über die auch die Universität Bremen am Projekt beteiligt ist.
## Übertragbare Lösungen gesucht
Seit fünf Jahren und noch bis Ende Oktober 2022 forschen und arbeiten sie
an der Planung eines komplett nachhaltigen Stadtteils: am Strom- und
Wärmenetz, an der [1][Gebäudesanierung], an der Mobilität und an sozialen
Begegnungszonen. Dazu baut das Team auf einen offenen und integrativen
Prozess, bei dem Anwohner:innen von Anfang an mitmachen sollen.
Das Quartier, das für viele in Deutschland stehen soll, ist sehr heterogen.
Es besteht aus Ein- und Mehrfamilienhäusern, Gewerbe- und Freiflächen, wie
Martin Struve von der Entwicklungsagentur Region Heide sagt. Dazu komme
eine Mischung aus älteren, über 100 Jahre alten Gebäuden und Neubauten, die
teilweise noch in Planung sind. Laut Struve leben hier rund 400 Menschen,
150 weitere arbeiten im Viertel.
Die „Durchschnittlichkeit“ des Gebiets, die sich auch in den vielen Öl- und
Gasheizungen spiegelt, ist für die Wissenschaftler:innen das
Entscheidende: „Der Rüsdorfer Kamp hat Leuchtturmcharakter, die hier
entwickelten Modelle lassen sich auf andere Regionen übertragen“, sagt
Torben Stührmann, Koordinator des Projekts und Mitarbeiter der Universität
Bremen.
Das Projekt wird von den Bundesministerien für Bildung und Forschung sowie
Wirtschaft und Klimaschutz mit rund 24,5 Millionen Euro gefördert. Dafür
sollen in den nächsten Jahren unter anderem ein klimaneutrales Wärmenetz
und eine Energiezentrale entstehen. Letztere werde das Quartier über eine
Wärmepumpe mit Heizenergie versorgen, sagt Benedikt Meyer von der Uni
Bremen. Zusätzlich stützen sich die Planer:innen auf Erdwärme und
Solarenergie.
„Der Sektor Wärme stößt unheimlich viel CO2 aus“, sagt Struve. „Das li…
vor allem daran, dass die Häuser oft schlecht gedämmt sind und dass in den
allermeisten Fällen fossile Energieträger eingesetzt werden.“
Der für die Wärmepumpe benötigte Strom sollte ursprünglich aus
Überproduktionen von Windrädern kommen. „Das ist aber schwierig, wenn die
Strompreise so steigen, wie aktuell zu sehen ist und netzdienlicher
Strombezug nicht begünstigt wird“, sagt Struve.
Die lokalen Fotovoltaik-Anlagen seien deshalb momentan günstiger, um die
benötigte Energie zumindest teilweise selbst herzustellen. So oder so geht
die Planung noch weiter: Die überschüssige Energie, die gerade nicht ins
Netz eingespeist werden kann, soll in Batterien zwischengespeichert werden
oder zur Erzeugung von grünem Wasserstoff benutzt werden.
Der dadurch erzeugte Wasserstoff soll Teil der „Tankstelle der Zukunft“
werden, dem Mobilitätskonzept des Rüsdorfer Kamps: Zapfsäulen für
wasserstoffbetriebene Fahrzeuge sorgen zusammen mit Elektro-Ladesäulen
dafür, dass der Stadtteil nutzerfreundlich klimaneutral wird.
Ein besonderer Aspekt des Projekts ist die [2][partizipative Forschung].
Dazu gab es in den vergangenen Jahren verschiedene
Bürgerbeteiligungsformate, wie Struve sagt: „Es gab Vorträge, Diskussionen,
Workshops sowie Befragungen.“ Dieser Ansatz sei wichtig, um sich ein Bild
vom Quartier und den Bewohner:innen zu machen. Dabei kam auch ein
digitaler Planungstisch zum Einsatz, an dem Bürger:innen nach dem
Prinzip „Was passiert, wenn …“ Veränderungen im Quartier simulieren
konnten.
## Forschung öffentlich
Letztlich sei es aber häufig um die Kostenfrage gegangen. „Als der Öl- und
Gaspreis vor ein paar Jahren noch sehr niedrig war, ist es uns schwer
gefallen, eine zwar regenerative, aber auch etwas teurere Lösung
anzubieten“, sagt Struve. Das habe sich mit der Kostensteigerung der
vergangenen Monate geändert.
Das Projekt Quarree100 steht in Kontakt zu sechs weiteren Partnerprojekten
aus der Förderinitiative des Bundes. Der regelmäßige Austausch sei sehr
wichtig, auch wenn die Quartiere teilweise sehr unterschiedlich sind. „Der
Ansatz soll zu 100 Prozent übertragbar sein“, sagt Struve.
Auch deshalb ist die Forschung öffentlich einsehbar. „Wir setzen auf
[3][Open Science]. Unsere Modelle sind frei verfügbar, andere können sie
nutzen und nach ihren Bedürfnissen weiterentwickeln“, sagt Meyer. „Je mehr
daran arbeiten und ihre Ideen einbringen, desto besser!“
Um das Projekt umzusetzen, ist laut Struve ein zweistelliger
Millionenbetrag nötig. Vor einigen Wochen sei ein privatwirtschaftliches
Unternehmen gefunden worden, mit dem gemeinsam die Umsetzung und der
Betrieb des Energiesystems forciert werden soll. Das [4][Team vom
Quarree100] wird weiterhin beteiligt sein, um die Forschungsergebnisse und
das planerische Wissen einfließen zu lassen.
25 Sep 2022
## LINKS
[1] /Enquetekommission-fuer-Klimaschutz/!5851047
[2] /Strategie-fuer-Forschung/!5872129
[3] /Zweitnutzung-von-Forschungsdaten/!5818805
[4] https://quarree100.de/
## AUTOREN
David Wasiliu
## TAGS
Klimaneutralität
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