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# taz.de -- Strategie für Forschung: Auf in die Zukunft
> Das BMBF arbeitet an einer „Zukunftsstrategie“ für Forschung und
> Innovation. Welche Alternativentwürfe hat die Zivilgesellschaft?
Bild: Die Klimaveränderung ist eine der großen Zukunftsherausforderungen auch…
Berlin taz | Der Weg in die Zukunft erscheint unklarer denn je.
Unsicherheiten allerorten. Auch die Wissenschaft ist davon betroffen. Hat
sie einen Kompass, wo es wünschenswerterweise hingegen soll und was
realistisch erreichbar ist? Grundsätzliche Fragen dieser Art stellen sich
gegenwärtig bei der Erstellung der [1][„Zukunftsstrategie Forschung und
Innovation“], an der im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)
gearbeitet wird.
Was die Regierung vorgibt, ist aber nur die eine Seite der Medaille. Welche
Erwartungen und Forderungen haben die Gesellschaft und ihre
zivilgesellschaftlichen Organisationen an die künftige Ausrichtung von
Forschung und Innovation in Deutschland? Eine aktuelle Spurensuche in
unübersichtlichem Gelände.
Zunächst die Globalzahl: 334 Milliarden Euro wurden laut Statistischem
Bundesamt im Jahr 2020 für Bildung in Schulen, für Wissenschaft in
Hochschulen sowie für Forschung und Entwicklung (FuE) in staatlichen
Instituten und der Industrie investiert (2019: 329 Milliarden Euro).
Dieser Anteil von 9,9 Prozent am Bruttoinlandsprodukt (BIP), der gesamten
Wertschöpfung, sind die Zukunftsinvestitionen in Deutschland. Von den
FuE-Aufwendungen in Höhe von 105 Milliarden Euro kommt circa ein Fünftel
aus den Ministerien und Anstalten der Bundesregierung, überwiegend aus dem
Forschungsministerium. In welche Themenfelder diese Gelder langfristig
fließen sollen, dafür soll die im Ampel-Koalitionsvertrag angekündigte
„Zukunftsstrategie Forschung und Innovation“ Leitlinie sein. Derzeit noch
in der Formulierung, soll das Bundeskabinett nach den derzeitigen Planungen
schon im September einen förmlichen Beschluss fassen.
Zu den zentralen „Missionen“ der Strategie – den „großen gesellschaftl…
Herausforderungen“ (Grand Challenges), die mithilfe der Forschung bewältigt
werden sollen – hatte der Koalitionsvertrag bereits sechs Felder
vorgegeben: moderne Technologien für Industrie und Verkehr, Klimafolgen und
Biodiversität, ein modernes Gesundheitssystem, technologische Souveränität
und Digitalisierung, die Erforschung und Nutzung von Weltraum und Meeren
sowie gesellschaftliche Resilienz, Demokratie und Frieden.
## Ein Fahrplan fehlt noch
Nicht ganz unumstritten damals schon unter den politischen Antipoden FDP
und Grünen war die Spannung zwischen einem Weiter-so in der Wissenschaft
und dem Spurwechsel auf eine neue Fahrbahn. Dies setzt sich auch im Entwurf
für die Zukunftsstrategie fort, die zwar den „Aufbruch in ein
Transformationsjahrzehnt“ vollmundig deklamiert, aber den Fahrplan dorthin
mit Zwischenzielen und Prioritäten gegenwärtig noch vermissen lässt. Zwar
tauchen wieder, nur am Rande, forschungspolitische Streitpunkte wie die
Fusionsforschung oder grüne Gentechnik auf. Aber auch neue Ansätze, die
früher weggeschoben wurden, haben Eingang in den Entwurf gefunden.
So ist unter dem Titel „Die Gesellschaft als Innovationstreiberin“ ein
ganzer Abschnitt den „sozialen Innovationen“ gewidmet. „Diese ‚neue‘ …
des deutschen Innovationssystems gilt es noch deutlicher auszuschöpfen“,
heißt es im Regierungstext.
„Es eröffnen sich für den Transfer damit jedoch auch neue, andere und
vielfach direktere Kanäle in die Anwendung und Verwertung.“ Fast schon
revolutionär wirkt es, wenn an anderer Stelle, wo es um die Genese neuer
Forschungsthemen geht, den Vorschlägen von Bürgerseite das Tor geöffnet
wird.
Wörtlich heißt es: „Zudem fließen Impulse aus den Ergebnissen [2][des
‚IdeenLauf – #MeineFragefürdieWissenschaft‘ aus dem Wissenschaftsjahr 20…
‚Nachgefragt!‘] in die Weiterentwicklung der Zukunftsstrategie ein.“
Tatsächlich hat aber auch die Zivilgesellschaft im zurückliegenden
Jahrzehnt eine Lernkurve absolviert, was die Beteiligung an und das
Beeinflussen von staatlicher Forschungspolitik angeht. Ein zentrales Datum
war vor zehn Jahren der Transformationskongress am Berliner Alexanderplatz,
wo sich Gewerkschaften, Naturschutzverbände und Kirchen darauf
verständigten, hartnäckiger auf grundlegende Veränderungen zur
Nachhaltigkeit zu drängen. Für den Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND)
verfasste Uwe Schneidewind damals [3][das Memorandum „Nachhaltige
Wissenschaft“], und mehrere Umweltverbände gründeten die
[4][zivilgesellschaftliche Plattform Forschungswende], um der herrschenden
Wissenschaft einen alternativen Transformationsdiskurs entgegenzusetzen.
Das war zwar in Ansätzen durchaus wirkungsvoll, wie Thomas Korbun, der
wissenschaftliche Geschäftsführer des aus der alternativen
Wissenschaftsszene kommenden Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung
(IÖW) meint. Aber die großen Durchbrüche für eine transformative
Wissenschaft hat es in den zehn Jahren nicht gegeben.
## Verfehlte Innovationspolitik
Schlimmer noch: Im Bereich der angewandten Forschung – besonders der zu
Windenergie und Photovoltaik, wo Deutschland in einer jungen
Wirtschaftsbranche für einige Jahre Weltmarktführer war – fand ein
Kahlschlag an Arbeitsplätzen statt, der von der Forschungs- und
Innovationspolitik widerspruchslos hingenommen wurde. Schlimmer als es den
Solons und Sulfurcells erging, kann aus Forschung hervorgegangene
Innovation nicht scheitern. Welche Lehren wurden daraus gezogen?
So hatte sich der BUND im Vorfeld der Bundestagswahl 2021 mit einer
Neuausrichtung des Wissenschaftssystems für nachhaltige Entwicklung
beschäftigt und dazu ein Forderungspapier erarbeitet. „Erkennbare Wirkungen
in den Parteiprogrammen und im Koalitionsvertrag konnten wir damit leider
nicht erzielen“, sagt Rudi Kurz, Sprecher der BUND-Kommission
Wissenschaftspolitik, gegenüber der taz.
Längst gehe es beim Blick in die Zukunft nicht allein um Technik- und
Umweltfragen, meint Kurz: „Ein Beispiel für eine komplette Leerstelle in
der sozialwissenschaftlichen Forschung ist nach wie vor die Frage, wie
gesellschaftliche Stabilität gesichert werden kann, wenn das
Wirtschaftswachstum ausbleibt.“
Dieser Ansicht ist auch Steffi Ober, die langjährige Sprecherin der
Plattform Forschungswende. Sie hofft, dass in dem Zukunftsforum, das zur
Begleitung der Zukunftsstrategie eingerichtet werden soll, „nicht nur über
die Gesellschaft, sondern auch mit den gesellschaftlichen Akteuren
gesprochen wird“ und ein Austausch und aktive Zusammenarbeit beginnt.
## Zukunft gemeinsam gestalten
„Keine der aktuellen und zukünftigen Krisen lässt sich ohne einen
systemischen Innovationsansatz lösen“, betont Ober. „Wissenschaft und
Technik werden nicht ausreichen, um die mannigfaltigen Wert- und
Zielkonflikte zu adressieren, die mit der Transformation einhergehen“, ist
ihre Meinung. Weil Zukunft alle angehe, müsse sie auch gemeinsam gestaltet
werden. „Die Technik alleine wird es nicht richten“, sagt sie. Ob aber eine
Forschungswende 2.0 eine Chance hat? Da ist sie eher skeptisch.
Der frühere Transformationsforscher Uwe Schneidewind ist heute
Oberbürgermeister von Wuppertal und blickt als kommunaler Praktiker in die
Vergangenheit. „Gerade angesichts der vielfältigen
Transformationsanforderungen, die wir derzeit erleben, ist es extrem
wichtig, dass wir hinter den Stand transdisziplinären Arbeitens vor Ort,
den wir in den letzten zehn Jahren mit der Diskussion über Reallabore und
die sozialökologische Transformation erreicht haben, nicht zurückfallen“,
äußert er sich auf Anfrage der taz. Gerade für die Veränderungsprozesse in
den Städten ist das extrem wichtig“.
Partizipative Forschung mit Bürgerbeteiligung benutze die Instrumente
„Co-Design“ und „Co-Produktion von Wissen“, was sehr viel mehr ist als …
eine andere Wissenschaftskommunikation. „Es bedeutet den Einbezug der
Praxisakteure vor Ort auf Augenhöhe in Reallaboren und
Transformationsprozessen“, hebt Schneidewind hervor.
Tatsächlich ist auch im BMBF-Strategieentwurf von den Reallaboren die Rede.
Hierzu hat das Bundeswirtschaftsministerium mit einem Förderprogramm in den
letzten Jahren Erfahrungen gesammelt.
21 Aug 2022
## LINKS
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[2] /MS-Wissenschaft-auf-Deutschland-Tour/!5849155
[3] /Forschung-zu-Nachhaltigkeit/!5090855
[4] /Nachhaltigkeit-und-Wissenschaft/!5330897
## AUTOREN
Manfred Ronzheimer
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